Bis zu 36’000 Zugpendler pro Werktag: Die aktuellsten Daten zum Modalsplit auf 50 ausgewählten Pendler-Strecken 🆓

Die Pendlerwege im Januar 2023: Auto (rot) und Zug (grün) gemäss Swisscom-Handydaten. Bild: Screenshot ÖV42

Neue Daten der Genossenschaft 42hacks zeigen, auf welchen Strecken wie viele Pendler unterwegs sind und wie sich der ÖV unter der Woche und an Wochenenden schlägt. Mobimag hat die aggregierten Handy-Daten für 50 beliebte Pendler-Strecken in der Deutschschweiz ausgewertet – mit erstaunlichen Resultaten.

von Stefan Ehrbar
3. April 2023

Auf welchen Strecken nutzen Pendlerinnen und Pendler in der Schweiz den Zug und auf welchen das Auto? Wo liegen Potenziale für den ÖV brach und wo führen die grössten Pendlerströme durch? Diese Fragen lassen sich seit kurzem mit Daten der Ostschweizer Genossenschaft 42hacks beantworten.


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Sie greift dazu auf aggregierte Handy-Daten der Swisscom zurück. Mobimag hat vor einigen Monaten bereits die Zahlen des November 2019 analysiert. Nun wurden aktuellere Daten aus dem Januar 2023 zur Verfügung gestellt. Diese Daten sind für mehr gut als nur zur Spielerei: Die BLS hat etwa für ihren letztes Jahr getesteten «Pop-Up-Zug» zwischen Ostermundigen und Burgdorf darauf zurückgegriffen, und auch die SOB hat die Daten für die Konzeptionierung neue Angebote wie die Direktverbindung ins Skigebiet Flumserberge genutzt (Mobimag berichtete über eine vorläufige Bilanz dieser Angebote).

Die Identifizierung von Strecken mit genügend Nachfrage und einem gleichzeitig tiefen Modalsplit ist denn auch eine der Haupt-Anwendungszwecke der Daten von ÖV42.


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Mobimag hat 50 Pendlerstrecken in der Deutschschweiz ausgewählt und listet im folgenden die Zahl der Auto- und Zugpendler pro Tag, Werktag und pro Wochenendtag sowie den Anteil des ÖV (Modalsplit) insgesamt und gesondert nach Werktagen und Wochenendtagen auf. Daraus lassen sich einige Schlüsse über den Erfolg – und teils auch Misserfolg des ÖV ziehen.

Die in den Tabellen aufgeführte absolute Zahl der Pendlerinnen und Pendler ist keine exakte Zahl. Sie wurde jeweils von Mobimag geschätzt  – und zwar ausgehend von der Tatsache, dass ÖV42 auf Handydaten der Swisscom zurückgreift und dass diese zuletzt einen Marktanteil von etwa 58 Prozent bei den Mobilfunk-Kunden hatte. Angenommen wird, dass sich das Mobilitätsverhalten von Kundinnen und Kunden von Sunrise und Salt nicht von jenem der Swisscom-Kundschaft unterscheidet.

Unter den analysierten Strecken war im Januar jene von Zürich nach Winterthur die am meisten von Zugpendlern frequentierte mit fast 30’000 Pendlern pro Tag. Wichtig: ÖV42 analysiert nur Zug- und Autofahrten und zwar grundsätzlich jene, die an den genannten Orten beginnen und enden. Die Fahrten zwischen Zürich und Winterthur inkludieren also nicht jene zwischen Zürich und St. Gallen, sondern berücksichtigen nur Pendler, die Winterthur als Start- und Zürich als Zielort haben respektive umgekehrt.

Fahrten etwa mit dem Tram oder dem Bus werden nicht berücksichtigt respektive können fälschlicherweise dem Auto zugeordnet werden. Das erklärt beispielsweise die sehr hohen Werte für Autofahrten zwischen Zürich und dem Nachbarort Schlieren. Ein grosser Teil davon dürfte in Wahrheit im Tram stattgefunden haben. Ebenfalls sind Fragezeichen angebracht bei den Verbindungen Köniz-Bern oder Muttenz-Basel, wo die Zahl der Autopendler wohl deutlich zu hoch ist. Für die Strecke Bern-Visp stehen nur sehr wenige Daten zur Verfügung, womit diese Daten ebenfalls mit Vorsicht zu geniessen sind. Wichtig ist zudem zu beachten: Zug und Auto ergeben zusammen nicht immer 100 Prozent, zum Teil konnte ein grösserer Teil der Fahrten nicht zugeordnet werden.

Ebenfalls sehr viele Menschen mit dem Zug unterwegs waren im 7-Tage-Durchschnitt im Januar zwischen Zürich und St. Gallen oder Uster und Zürich. Zwischen Zürich und Basel waren es fast 13’000 pro Tag, zwischen Zürich und Bern fast 10’000.

Die Tabelle sieht anders aus, wenn sie nach Modalsplit sortiert wird (Klick auf «Anteil Zug %»). Dabei fällt vor allem eines auf: Die Bahn kommt auf sehr hohe Anteile auf Fernverkehrsstrecken und Strecken mit mittlerer Distanz. Ebenfalls auf hohe Anteile kommt der Zug bei Fahrten an den Flughafen Zürich, z.B. Bern-Kloten (die Standortgemeinde des Flughafens).

Erstaunlich tief sind hingegen die Werte für den Zug auf Strecken mit kurzer Distanz, die vergleichsweise gut ausgebaut sind. Zwischen Schlieren und Baden kommt der Zug nur gerade auf 21 Prozent der Fahrten, zwischen Dietikon und Zürich auf 32 Prozent, zwischen Aarau und Baden auf 42 Prozent.

Noch stärker sackt der Anteil des Zugs ab, wenn es keine Direktverbindungen mehr gibt: Zwischen Bülach und Uster findet nicht einmal jede fünft Fahrt mit dem Zug statt.

Werden nur die Werktage berücksichtigt, zeigt sich, dass der Anteil des Zuges tendenziell höher ist als bei der Betrachtung der ganzen Woche. Dies ist damit zu erklären, dass Pendlerinnen und Pendler in Dienstleistungsberufen sehr häufig den Zug nehmen, während der ÖV zu Freizeitzwecken und damit vor allem am Wochenende deutlich weniger häufig genutzt wird. Neben der - aus methodischen Gründen allerdings mit Vorsicht zu geniessenden - Strecke Bern-Visp ist der Modalsplit im Mittelland am höchsten, etwa zwischen Olten und Zürich oder Luzern und Bern. Am meisten Zugpendler sind insgesamt mit 36'000 pro Werktag zwischen Zürich und Winterthur unterwegs.

Werden hingegen nur die Wochenenden berücksichtigt, an denen der Freizeitverkehr stärker ins Gewicht fällt, zeigt sich, dass der Zug vor allem in Richtung Graubünden einen guten Stand hat. Auf der Strecke Zürich-Chur kommt er auf einen Anteil von 77 Prozent aller Fahrten. Auch zwischen Olten und Zürich und Bern und Kloten (vermutlich vor allem Fahrten an den Flughafen Zürich) liegt er bei über 70 Prozent.

Vernachlässigbar ist der Anteil des Zugs hingegen auf kürzeren Strecken, wie die folgende Tabelle zeigt.

Die Daten können auf der Internetseite von ÖV42 kostenlos abgerufen werden.



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