So entwickeln sich Emissionen in Deutschland // Autos dreckiger als deklariert // So hängen Autobesitz und Gesundheit zusammen

Schlecht für die Gesundheit: Das Autofahren wie hier in São Paulo. Bild: vberruezo/Unsplash

In Deutschland reduzieren fast alle Sektoren ihre CO2-Emissionen. Bei den privaten Autos nahmen sie zuletzt hingegen zu. Ausserdem im Blick aufs Ausland mit Links zu spannenden Geschichten: Neuwagen verbrauchen viel mehr Treibstoff als offiziell deklariert – und wer ein Auto besitzt, tut seiner Gesundheit laut einer Studie nichts Gutes.

von Stefan Ehrbar
19. April 2024

So entwickeln sich Verkehrs-Emissionen in Deutschland

Wie viele Emissionen verursachen die verschiedenen Sektoren und wie hat sich der Ausstoss in den letzten Jahren verändert? Für Deutschland stehen seit dieser Woche neue Zahlen zur Verfügung.

Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung hat den «Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2023» veröffentlicht. Er listet unter anderem die Entwicklung der Emissionen in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft auf.

Insgesamt wurden 674 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestossen, 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Verkehrssektor hat seine laut dem Bundes-Klimaschutzgesetz zulässige Jahresemissionsmenge um 12,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten und kam auf 145,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.

Während die Emissionen der Energiewirtschaft um 51,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente zurückgingen (vor allem dank stark gesunkener Kohle-Verstromung auch wegen schwächerer Stromnachfrage der Industrie), jene der Industrie auch wegen Produktionsrückgängen um 12,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und jene des Verkehrs insgesamt um 1,8 Millionen Tonnen oder 1,2 Prozent, nahmen die Emissionen im Pkw-Verkehr sogar zu.

Der Absatz von Ottokraftstoffen wie Benzin nahm laut dem Bericht zwischen 2022 und 2023 um 2,7 Prozent zu, jener von Diesel sank hingegen um 4 Prozent.

Der Strassenverkehr ist laut dem Bericht für 98 Prozent aller im Verkehrssektor bilanzierten Emissionen verantwortlich. Während die Emissionen bei Nutzfahrzeugen sanken, weil weniger gefahren wurde, nahm die Verkehrsleistung im Personenverkehr zu.

Dies sei begünstigt worden durch günstige Kraftstoffpreise und das Auslaufen von Covid-Massnahmen, heisst es im Bericht. Dazu gehört auch, dass wieder weniger im Homeoffice gearbeitet wird. So stieg etwa die Verkehrsleistung auf den deutschen Autobahnen um 5,4 Prozent.

Zwar nahm der Bestand an Verbrennern um 633’000 Fahrzeuge, doch weil gleichzeitig 573’000 Hybrid-Autos hinzukamen, reduzierte sich der sogenannte fossile Bestand um nur 0,1 Prozent. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen von neu zugelassenen Autos waren zudem um 4,9 g/km höher als im Vorjahr. Dieselbe Entwicklung zeigt sich auch in der Schweiz: Neue Autos werden tendenziell grösser, schwerer und dreckiger, was dazu führt, dass der Verkehrssektor die Klimaziele nicht erreicht.

Autos sind dreckiger als deklariert

Eine neue Messmethode zeigt, dass Neuwagen deutlich mehr Treibstoff verbrauchen als offiziell angegeben. Darüber berichtet diese Woche das Portal spiegel.de. Laut dem Artikel hätten «Umweltschützer mit ihrer Kritik an geschönten Messungen der Industrie eher noch untertrieben».

Hintergrund ist eine Regelung, wonach die EU seit 2021 der Industrie vorschreibt, dass an Bord aller neu zugelassenen Autos der reale Verbrauch während des Betriebs gemessen werden muss. Diese Daten müssen den Behörden übermittelt werden. Dies geschieht mittels einer Software, die «On-Board Fuel Consumption Meter» genannt wird. Diese misst neben dem Kraftstoffverbrauch auch den Energieverbrauch von Elektroautos oder Plug-In-Hybriden.

Inzwischen gebe es genug Daten, um annähernd repräsentative Aussagen zum tatsächlichen Verbrauch von Neuwagen zu treffen, heisst es im Artikel: «Das Ergebnis, nur in der Dimension überraschend: viel zu viel».

«Laut den von der Europäischen Umweltagentur veröffentlichten Daten für 2022 schluckten neue Benziner im Durchschnitt 7,89 Liter pro 100 Kilometer – 23,7 Prozent mehr als die versprochenen 6,38 Liter. Dieselautos verfehlten den angegebenen Wert moderater, um 18,2 Prozent. Und Plug-in-Hybride verbrannten sogar 251,5 Prozent mehr als sie sollten.»

Völlig unterschätzt worden sei bei den Plug-In-Hybriden, wie oft der ineffiziente Verbrennungsmotor anspringe. Sie würden sogar noch reine Diesel-Autos unterbieten.

«Damit sind auch die geprüften Angaben zum CO₂-Ausstoss, nach denen sich die Kfz-Steuer ebenso richtet wie die Klimaziele der EU für die Neuwagenflotte, als falsch entlarvt», heisst es im Text. «Und zwar nicht mittels Stichproben oder fehleranfälligen Tests, sondern mit von den Herstellern selbst kontrollierten Messungen im grossen Stil.»

So hängen Autobesitz und Gesundheit zusammen

Wer ein Auto besitzt, kann damit zu einem weiter entfernten Fitnesscenter fahren – zumindest theoretisch. Doch geschieht das auch? Wie ist der Zusammenhang zwischen Autobesitz, Autonutzung und körperlicher Betätigung? Welche Rolle spielt die bauliche Umgebung?

Dieser Frage sind Forscher um Chun Yin von der School of Resource and Environmental Science von der chinesischen Wuhan University nachgegangen. Ihre Studie namens «Examining the relationship between car ownership, car use, and exercise: Role of the built environment» ist vor kurzem im Journal «Cities» erschienen.

Um die Frage zu beantworten, haben die Forscher über 1000 Menschen in Shanghai befragt und den Zusammenhang zwischen der baulichen Umgebung des Wohnorts und des Arbeitsplatzes, dem Autobesitz, der Autonutzung für berufliche und ausserberufliche Fahrten und der Dauer der wöchentlichen Bewegung untersucht.

«Der Autobesitz fördert zwar direkt die körperliche Betätigung, verringert aber indirekt die sportliche Betätigung, da das Auto vermehrt für berufliche und ausserberufliche Fahrten genutzt wird, wobei die negativen Auswirkungen die positiven überwiegen», schreiben die Autoren.

Darüber hinaus wirke sich die bauliche Umgebung von Wohnorten und Arbeitsplätzen über den Autobesitz und die Autonutzung auf die Bewegung aus. «Menschen, die in dichten und innerstädtischen Vierteln leben, bewegen sich mehr, weil die Wahrscheinlichkeit, ein Auto zu besitzen und/oder zu benutzen, geringer ist. Mehr Kreuzungen und Haltestellen in der Nähe von Wohnorten und eine gemischte Flächennutzung in der Nähe von Arbeitsplätzen verringern die sportliche Betätigung, da sie den Autobesitz und/oder die Autonutzung erhöhen.»

Eine Verringerung des Autobesitzes könne also die körperliche Betätigung fördern und Massnahmen im Bereich der baulichen Umwelt könnten wirksam zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beitragen.

Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass die Nutzung eines Autos, unabhängig davon, ob es für berufliche oder ausserberufliche Zwecke genutzt werde, in einem negativen Zusammenhang mit der Dauer der körperlichen Betätigung stehe.

Allerdings gibt es zum Teil auch widersprüchliche Forschungsergebnisse. So zeigte eine Studie in der neuseeländischen Stadt North Shore City, dass Menschen mit uneingeschränktem Zugang zu einem Auto im Vergleich zu Nicht-Autobesitzern mit grösserer Wahrscheinlichkeit die WHO-Richtlinie für ausreichende mässige bis kräftige körperliche Aktivität erfüllten.

«Die Reduzierung des Autoverkehrs ist wichtig, um die aktive Fortbewegung und die körperliche Aktivität im Verkehr zu fördern», heisst es in der Studie. Es gebe jedoch nach wie vor einen Mangel an Studien, die die Beziehungen zwischen Autobesitz, Autonutzung und körperlicher Betätigung sowie die Wirksamkeit der Verbesserung der baulichen Umwelt bei der Förderung körperlicher Betätigung untersuchten.

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