Verbindungen in Skigebiete und in Freizeitorte: Die ÖV-Branche kämpft um Freizeitreisende – doch die Erfolge sind kleiner als erhofft

Auch die SOB will mehr Freizeitreisende im Zug. Bild: SOB

Während der öffentliche Verkehr bei Pendlerinnen und Pendlern stark ist, nutzen nur wenige Menschen Bahn, Bus und Tram in der Freizeit. Die Branche will das ändern und hat neue Angebote aufgegleist. Doch eine erste Bilanz zeigt: Der Weg ist steinig – und schnelle Erfolge in diesem Bereich wird es kaum geben. 

von Stefan Ehrbar
21. Februar 2023

Spätestens seit Ausbruch der Coronakrise verlagert sich der Verkehr immer mehr in Richtung Freizeit. Das hat auch der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) festgestellt. «Diese Verlagerung zum Freizeitverkehr bedeutet Herausforderung und Chance für den öV zugleich, da sein Marktanteil in diesem Segment eher tief ist und sich daraus hohe Potenziale zur Kundengewinnung durch attraktive Angebote ergeben», schreibt er in seinem Bericht zur Erhöhung des Modalsplits

Dass Bahn, Bus und Tram bei Freizeitreisenden noch Aufholbedarf haben, ist auch bei der SBB angekommen. Sie gab vor gut einem Jahr bekannt, sich stärker auf dieses Segment fokussieren zu wollen – etwa mit neuen Direktverbindungen und einem anderen Angebot am Wochenende.

Ein Beispiel dafür ist die Direktverbindung von Genf via Bern und Zürich nach Chur, die seit dem Fahrplanwechsel an Wochenenden angeboten wird. Zudem ist das Berner Oberland neu direkt mit Zürich Flughafen und Zürich verbunden. 

Die SBB ist nicht die einzige Bahn, die mit solchen Angeboten auf den Trend hin zum Freizeitverkehr reagiert. So hat etwa die Berner BLS eine Direktverbindung von Biel über das Berner Oberland nach Brig an Wochenenden eingeführt, und die SOB fährt neu von Zürich direkt nach Unterterzen, wo das Skigebiet Flumserberge beginnt.

Eine Umfrage von Mobimag bei diesen Bahnbetreibern zeigt nun aber: Die Angebote laufen nur verhalten an – und der Weg wird steinig. Zugeknöpft gibt sich die SBB: Der Freizeitverkehr sei Ende Jahr bereits leicht über Vor-Corona-Niveau gelegen, sagt Sprecherin Luana Quinter. «Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Direktverbindungen in Freizeitgebiete einem Kundenbedürfnis entsprechen. Weitere Direktverbindungen in Freizeitgebiete sind dort denkbar, wo sich das Kundenbedürfnis mit den betrieblichen Voraussetzungen verbinden lässt.» Genauere Zahlen will die Bahn an der Bilanzmedienkonferenz im März kommunizieren.

Ausführlicher äussert sich SOB-Sprecher Conradin Knabenhans. Auf den stark vom Freizeitverkehr geprägten Linien wie dem Treno Gottardo oder dem Voralpen-Express sei insbesondere im Verlaufe des Sommers und Herbst 2022 ein grosses Reiseinteresse spürbar gewesen. «Beim Treno Gottardo lagen die Frequenzen hierbei über den Werten im Vorjahr, beim Voralpen-Express lagen sie auf ähnlichem Niveau wie 2019.»

Die Kundenrückmeldungen zum «Ski-Express», der seit dem Fahrplanwechsel und bis am 26. Februar zwischen Freitag und Sonntag täglich von Zürich nach Unterterzen und zurück fährt, seien sehr positiv. «Geschätzt wird nicht nur das zusätzliche Angebot auf der Schiene, sondern auch das Angebot an Bord mit Kaffee und Gipfeli am Morgen und Après Ski-Getränk auf der Rückreise. Wir beobachten zudem, dass die Mundpropaganda funktioniert und Erstkunden das Angebot weitererzählen und mit Freunden wieder kommen.»

Die meisten Fahrgäste nutzten das Angebot ab Zürich. Die SOB stelle von Woche zu Woche ein steigendes Interesse fest. «Die Nutzung ist derzeit aber noch etwas unter den Erwartungen. Einen grossen Einfluss hatten hier die Wetter- und Schneeverhältnisse Anfang Januar, die weniger Leute auf die Skipisten lockten», so Knabenhans.

Der Ski-Express sei ein Pilotprojekt im Rahmen der Beteiligung am Projekt ÖV42. Die SOB werde nach Projektabschluss Bilanz ziehen. Dass kurzfristig eingeführte Angebote rasch ein Publikum finden könnten, zeige der Treno Gottardo-Extrazug. «Seit vergangenem Herbst fahren wir mit einem Traverso nach Heimspielen des HC Ambri-Piotta Richtung Zürich. Das Angebot wird von Sportfans – darunter zahlreichen Stammgästen – seither gerne genutzt.»

Das Potenzial im Bereich von Ausflug- und Freizeitreisen sei gross. Neben Direktverbindungen liege der Fokus auch auf der Kooperation mit touristischen Leistungsträgern. Die SOB schaffe auch neue Kombi-Angebote wie etwa den Loipen-Hit Schwyz. Beim IR35 Aare Linth sei zudem ab Fahrplanjahr 2025 ein fahrplanmässiger Halt in Unterterzen vorgesehen. «Damit wird die Freizeitregion Flumserberg ganzjährig besser an den überregionalen Verkehr angebunden.»

Vor Herausforderungen steht auch die BLS, wie ein Gespräch mit Ulrich Schäffeler zeigt, dem Leiter Marktmanagement. 

Der Verkehr zu den Freizeitzeiten habe sich besser entwickelt als der Pendlerverkehr, wobei auch dieser wieder zurückkomme, sagt er. Der Zusatzzug Biel-Brig am Wochenende sei allerdings keine Reaktion auf die Zunahme im Freizeitverkehr, sondern auf die Klimaschutzdebatte. «Dabei sehen wir uns als Teil der Lösung: Ein Ausflug mit der Bahn benötigt deutlich weniger Energie pro Person, und diese ist zudem grün.»

Der Zug fährt seit dem Fahrplanwechsel und verbindet Biel, die zweitgrösste Stadt des Kantons, mit Freizeitzielen wie dem Berner Oberland, dem Lötschental und dem Wallis. «Unsere Analysen haben gezeigt, dass auf dieser Achse das Potenzial am grössten ist», sagt Schäffeler. Es sei noch früh für ein Fazit. Aber: «Über den Jahreswechsel war die Auslastung tiefer als erhofft und die Ziele wurden noch nicht erreicht.» Die BLS haben deshalb Massnahmen ergriffen und unter anderem Flyer in den Zügen verteilt. «Wir hoffen, dass die Auslastung so steigt. Das Ziel ist es, diese Verbindung gut auszulasten. Dann lässt sich über einen Ausbau nachdenken – etwa mit mehr Verkehrstagen oder zusätzlichen Verbindungen.»

Solche Verbindungen seien ein Puzzlestück im Bestreben den Modalsplit im Freizeitverkehr zu erhöhen und auch mit Produktionskosten verbunden. «Wir versuchen auch Pendler für den Freizeitverkehr zu gewinnen. Diese wissen bereits, wie der ÖV funktioniert. Zudem pushen wir Strecken, auf denen wir noch viel Kapazität haben, etwa ins Emmental. Dort haben wir einen Bahn-Foxtrail aufgebaut, der sehr gut angenommen wird», sagt Schäffeler.

Tiefe Frequenzen hatte auch der Pop-Up-Zug, den die BLS im Dezember 2022 zwischen Ostermundigen und Burgdorf führte und der sich vor allem an Pendler richtete. «Durch die Beschaffung der neuen MIKA-Züge stand uns Ende letzten Herbstes Rollmaterial zur Verfügung, das wir zum Testen der neuen Verbindung einsetzen konnten», sagt Schäffeler. «Wir wissen, dass die Agglomerationen wachsen und es gibt immer wieder Forderungen nach Tangentialverbindungen. Bei den Fahrgästen kam die Verbindung sehr gut an: Sie mussten nicht umsteigen und hatten weniger Reisezeit. Die Frequenzen sind aber nicht ausreichend, um einen Zug zu füllen.»

Verkehrsströme in der Agglomeration seien leider sehr dispers. «Diese auf einen Zug zu bündeln, ist fast unmöglich. Der ÖV ist dann stark, wenn er sich auf ein Zentrum ausrichtet.» Denkbar wäre aber, in Agglomerationen zunächst mit Buslinien weitere Pendelstrecken abzudecken, sagt Schäffeler.

1 Comment

  1. Es reicht nicht, nur das Angebot auf der Schiene auszubauen. An den Wochenenden ist das regionale Busnetz zum Teil mehr schlecht als recht: Betriebszeiten zwischen 8 und 19 Uhr mit einem 2-Stunden-Takt – damit kann der Modalsplit im Freizeitverkehr kaum zugunsten des ÖV entwickelt werden.

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