«Kein sinnvoller Beitrag zur CO2-Einsparung»: Nützt Elektromobilität in Sachen Emission nichts?

Lohnt sich Elektromobilität aus Sicht des Klima? Bild: Josip Ivankovic / Unsplash

Die Elektromobilität könnte die CO2-Emissionen in Deutschland um bis zu 40 Millionen Tonnen jährlich erhöhen, heisst es in einer Studie. Zudem gefährde sie den Ausstieg aus der Atom- und Kohlekraft, heisst es. Was ist daran an den pessimistischen Szenarien zur Wende hin zur Elektromobilität.

von Stefan Ehrbar
22. März 2022

«Diesen Elektrokult um eine in Wahrheit krasse Fehlentwicklung finde ich obszön»: Das sagte der deutsche Verkehrsexperte Wolfgang Lohbeck, der 30 Jahre lang für Greenpeace arbeitete, kürzlich dem «Spiegel». «Wenn Elektroautos künftig in etwa so viel fahren wie Verbrenner, ergibt das einen gigantisch höheren Gesamtstromverbrauch», sagt er dem Portal.

Wie kommt er darauf? «Gerade wegen der Elektromobilität ist der Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie gefährdet. Die Kraftwerke können nicht abgeschaltet werden, weil der Stromverbrauch so gewaltig ansteigen wird», argumentiert Lohbeck. Eine Studie habe gezeigt, dass der Aufbau einer Flotte von zehn Millionen Elektroautos in Deutschland bis 2030 über die Jahre einen kumulierten Netto-Mehrausstoss von 40 Millionen Tonnen CO₂ bedeuten würde.

Die Wende hin zur Elektromobilität verursacht mehr CO2-Emissionen statt weniger: Kann das sein? Die von Lohbeck angesprochene Studie gibt eine Antwort darauf.

Erstellt wurde sie von der Automobilberatungs-Firma Stahl Automotive Consulting aus dem deutschen Grünwald – eine unverdächtige Quelle, die der Autoindustrie eher nahesteht. Wie kommt sie zu diesem Schluss – und worauf basieren die Annahmen?

Im Jahr 2019 haben neu zugelassene Fahrzeuge in Deutschland nach NEFZ-Zyklus durchschnittlich 135 Gramm CO2 pro Kilometer emittiert (in der Schweiz lag dieser Wert etwa 8 Gramm höher, wie Mobimag berichtete). Dieser Wert muss gemäss EU-Vorgaben bis 2030 um 37,5 Prozent sinken. Alleine durch Optimierungen von Verbrennungsmotoren wird das laut der Studie nicht möglich sein. Stattdessen ist bis 2030 eine Flotte von 10,6 Millionen rein elektrischen Fahrzeugen nötig, um das Ziel zu erreichen.

Bei einer jährlichen Laufleistung von 13’700 Kilometer und einem Durchschnittsverbrauch von 20,8 kWh/100km entspricht das einem Bedarf von 30 TWh Energie zusätzlich beziehungsweise einer Erhöhung des jährlichen Bruttoenergieverbrauchs Deutschlands um 5 Prozent.

Erneuerbare Energien sind aber nur begrenzt verfügbar. Im Wesentlichen geht es bei der Studie, welcher der deutsche Strommix zugrunde liegt um die Frage: Soll zusätzliche Energie, die dank dem Ausbau der erneuerbaren Energien zur Verfügung steht, genutzt werden, um Elektroautos zu laden – oder um Strom von Kohlekraftwerken zu substituieren?

Die Autoren räumen ein, dass es Stimmen gebe, die argumentierten, dass Elektroautos durch eine optimierte Ladestrategie zu 100 Prozent aus überschüssigen Erneuerbaren geladen werden könnten und eine Verbreitung der Elektromobilität darum gar keinen Einfluss auf den Kohleausstieg habe.

Das setze aber voraus, dass die Erneuerbaren für Elektroautos nutzbar gemacht werden könnten und in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Gleichzeitig müsste es trotz des Ausbaus von Übertragungsnetzen Überschüsse geben, die im Netz nicht verwertet werden können, aber als Ladeenergie für Elektroautos nutzbar sind. Auch wenn die Autoren dieses «Extremszenario» für unwahrscheinlich betrachten, haben sie es in die Analyse aufgenommen.

Das Fazit ihrer Arbeit ist ernüchternd. Im Szenario, in dem in den kommenden Jahren ein aus heutiger Sicht realistischer «Wettbewerb zwischen Erneuerbaren und dem Kohleausstieg» angenommen wird, verhindert das Laden der bis 2030 zusätzlichen Elektrofahrzeuge mit erneuerbarer Energie die Vermeidung von Emissionen von Kohlekraftwerksemissionen. Unter dem Strich resultiert sogar ein negativer Effekt auf das Klima durch zusätzliche Elektroautos.

Einberechnet wurden für Elektroautos die Emissionen der erneuerbaren Energien (etwa 8 Gramm CO2 pro Kilometer) und die Emissionen aus der Batterieproduktion (etwa 33 Gramm CO2 pro Kilometer). Diese Zahlen schwanken je nach Studie.

Ein Elektroauto ersetzt zwar einen deutlich dreckigeren Verbrenner mit Emissionen von durchschnittlich 176 Gramm CO2 pro Kilometer. Doch aufgrund der genannten Substitutionseffekte – der zusätzliche Bedarf verhindert den Ausstieg aus der Kohleenergie im gleichen Masse – verdreht sich dieser Effekt dennoch ins Gegenteil: Pro gefahrenem Kilometer mit einem Elektroauto werden laut der Studie demnach 57 Gramm CO2 mehr emittiert. Das entspreche 8,2 Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Emissionen im Jahr 2030. Bei einer Elektroauto-Flotte, die bis 2030 etwa 10,6 Millionen Fahrzeuge umfasse, entstünden über die kommenden 10 Jahre demnach zusätzliche Emissionen in Höhe von 40 Millionen Tonnen CO2.

In der Schweiz ist der Strommix zwar deutlich sauberer, weil das Land höhere Anteile von Wasser-und Atomkraft im Strommix aufweist. Allerdings steigt auch hierzulande und nicht zuletzt wegen der Elektromobilität der Energiebedarf – und bereits wird darüber nachgedacht, diesen mit umweltschädlichen Gaskraftwerken zu decken. Ähnliche Effekte sind also auch in der Schweiz möglich.

Wäre es also schlauer, statt mehr Elektroautos zu fördern weiterhin mit Verbrennern umherzufahren, damit dafür der Ausstieg aus nicht erneuerbaren Energien gelingt?

Die Autoren der Studie verneinen das und plädieren stattdessen für Alternativen zur E-Mobilität, wobei sie Wasserstoff als ihre bevorzugte Alternative darstellen, auch wenn die Technologie «mit hohen Kosten und Risiken» verbunden sei.

Umweltexperte Wolfgang Lohbeck hingegen sieht einen anderen Weg. «E-Autos à la Tesla schüren die absurde Illusion, wir könnten einfach so weitermachen und trotzdem wären alle Probleme gelöst. Sie lösen aber kein einziges Problem, sondern schaffen neue», sagt er dem «Spiegel». Ein Problem sei etwa, dass Elektroautos viel zu gross und schwer seien und sich der Trend noch in diese Richtung verstärke.

Am Beispiel des Tesla Model S sagt er: «Das sind Monsterautos, die wahnsinnig schwere Batterien mit sich herumschleppen, damit die enorme Beschleunigung und ordentliche Reichweite überhaupt machbar sind.» Tesla sei wesentlich mitverantwortlich für die Fehlentwicklung der Elektromobilität. «Alle anderen, ob Mercedes mit dem EQS oder jetzt BMW mit diesem kolossal-peinlichen iX M60, folgen dieser Strategie. Diesen Elektrokult um eine in Wahrheit krasse Fehlentwicklung finde ich obszön.» Ein kleiner Verbrenner sei gegenüber einem Elektroauto immer noch das kleinere Übel. «Die schnellste CO₂-Reduktion ist jetzt sofort möglich, indem wir auf kleine Verbrenner umsteigen. Dafür brauchen wir keine technische Entwicklung abwarten, es ist alles da. Wir müssen einfach nur kleine Autos fahren.»

Eine andere Möglichkeit bleibt allerdings unerwähnt: Der verstärkte Umstieg auf den öffentlichen Verkehr, dem in Sachen Energieeffizienz kein anderes Verkehrsmittel etwas vormacht. Denn egal ob Elektroauto oder Verbrenner: ein klimaschädlicheres Verkehrsmittel als das eigene Auto gibt es nicht.

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