Mit dem Fahrplanwechsel verschwinden internationale Züge ab Bern und Luzern, aber in Zürich wird ausgebaut: Das steckt dahinter 🆓

Künftig sollen mehr ICE über Basel hinaus fahren. Bild: Karsten Füllhaas/Unsplash

Am 10. Dezember steht der nächste Fahrplanwechsel an. Auf Verbindungen von Zürich ins Ausland wird es einen Ausbau geben – etwa mit mehr Zügen nach München – andere Städte wie Bern der Olten verlieren hingegen Direktzüge. Luzern wird gar vom Ausland abgehängt. Die SBB verspricht Besserung – aber erst in einigen Jahren.

von Stefan Ehrbar
21. November 2023

Wenn Emmanuel Macron letzte Woche mit dem Zug auf Staatsbesuch gekommen wäre, hätte er umsteigen müssen: Seit vier Jahren fährt kein Zug mehr zwischen Bern und Paris. Dafür wurde das Angebot zwischen Zürich und der französischen Metropole ausgebaut. Diese Stärkung von Zürich wiederholt sich nun, während mit dem Fahrplanwechsel Städte wie Bern und Luzern Züge ins Ausland verlieren.


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Ab dem 10. Dezember fährt ein weiteres Zugpaar zwischen Zürich, St.Gallen und München und umgekehrt, pro Richtung werden dann sieben tägliche Verbindungen angeboten. Zudem erhält Zürich einen neuen Eurocity nach Frankfurt. Bereits ab dem 24. November wird das Angebot von Zürich nach Stuttgart auf 11 Direktzüge pro Tag ausgebaut.

Zwischen Basel, Bern und Mailand hingegen werden ab Dezember werktags nur noch drei statt bisher vier Züge pro Richtung verkehren. Das trifft auch Brig, Visp, Spiez, Thun und Olten. Neue Züge ins Ausland sind ab diesen Städten nicht geplant.


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Noch düsterer sieht es für Luzern aus. Der Eurocity von Frankfurt via Basel nach Mailand, der bisher über Olten und Luzern fuhr, wird neu via Zürich verkehren, und zwar bis mindestens 2027. Während der Gotthard-Basistunnel gesperrt ist, dürfte der Zug allerdings nur zwischen Zürich und Frankfurt fahren. Ebenfalls Folge der Sperrung: Ein weiterer Eurocity von Basel via Olten und Luzern nach Mailand wurde gestrichen. Damit hat Luzern vorerst keine Direktzüge ins Ausland mehr.

Der Fokus auf Zürich zeigt sich in der Statistik: Ab Dezember fahren ab der grössten Schweizer Stadt nach jetzigem Planungsstand täglich etwa 52 Fernverkehrs-Züge ins Ausland ab. Ab Basel SBB sind es etwa 38; ab Bern, Olten, Winterthur und St. Gallen je 7.

Das definitive Angebot nach Italien während der Basistunnel-Sperrung ist noch nicht offiziell bekannt. Die SBB will es bis Ende Monat veröffentlichen. Doch am Trend der letzten Jahre ändert das nichts: Die Bahn fokussiert sich zusehends auf Zürich. Hier kamen in den letzten Jahren direkte Züge nach Genua, Venedig und Bologna hinzu, genauso wie neue Nachtzüge nach Amsterdam oder Prag. Anderswo hingegen herrschte Stagnation oder Abbau.

Das bringt der SBB Kritik ein, etwa in der «Luzerner Zeitung». Der Kanton Bern versuchte mit einer Arbeitsgruppe, den TGV nach Paris zu retten, allerdings erfolglos. Die SBB plant den nicht subventionierten internationalen Verkehr vorwiegend nach kommerziellen, nicht nach regionalpolitischen Überlegungen. Zudem ist sie von ausländischen Bahnen abhängig. Der TGV von Bern nach Paris verschwand etwa, weil die Betreibergesellschaft Lyria, an der die SBB nur eine Minderheitsbeteiligung hält, die Nachfrage als zu gering erachtete.

Die Zahlen scheinen der SBB recht zu geben. Die Nachfrage im internationalen Personenverkehr liegt laut Sprecherin Jeannine Egi derzeit 20 Prozent über dem bisherigen Rekordjahr 2019. Die Direktverbindungen etwa von Zürich nach München seien «sehr gefragt», und das «dank des dichten Fahrplans innerhalb der Schweiz auch bei Reisenden, die in Zürich umsteigen müssen».

Dass ab Zürich bald mehr Züge nach München und Stuttgart fahren, ist Ausbauten der Infrastruktur in Deutschland und neuen Zügen zu verdanken. Weil die Perrons in Deutschland aber oft kurz sind, können dort keine langen Züge eingesetzt werden. Diese Züge können deshalb meistens nicht über Zürich hinaus fahren, weil sie für innerschweizerische Strecken wie etwa zwischen Zürich und Bern zu wenig Plätze aufweisen.

Dass sich der Ausbau in den letzten Jahren auf Zürich fokussierte, dürfte zwei weitere Gründe haben: Erstens ist hier die Nachfrage am höchsten. Der Hauptbahnhof ist nicht nur für den grossen und reisefreudigen Kanton der logische Umsteigepunkt, sondern auch für Teile der Ost- und Zentralschweiz und des Mittellandes.

Zweitens ist in Zürich viel Bahn-Infrastruktur vorhanden. Das ist vor allem für Nachtzüge relevant. Sie brauchen tagsüber Platz, um abgestellt und gereinigt zu werden – und ihre Bereitstellung am Abend verursacht Rangiermanöver. In Zürich und Basel ist alles dafür vorhanden, in Bern wird es schwierig (Mobimag berichtete).

Zudem müssen die Nachtzüge, die von den ÖBB betrieben werden, regelmässig zum Unterhalt nach Wien. In Zürich können sie die Linie wechseln: Kompositionen, die etwa auf dem Nachtzug von Hamburg nach Zürich unterwegs sind, können am nächsten Tag auf den Nachtzug nach Wien geschickt werden. 

Die SBB verspricht immerhin, dass das Angebot auch ab anderen Städten wieder wachsen soll. Ein grösserer Ausbau ist auf den Deutschland-Zügen via Basel geplant. Mehr ICE-Züge sollen über Basel hinaus verlängert werden. Ab Ende 2026 werde es stufenweise neue Direktverbindungen zwischen Luzern, Lugano, Bern, Brig, Chur und Deutschland via Basel geben, verspricht SBB-Sprecherin Egi.

Noch ist das Angebot nicht fertig geplant. Ein erster inoffizieller Planungsstand, über den Mobimag letztes Jahr berichtete, gibt eine Vorahnung. Ab Zürich könnten künftig 10 ICE-Züge pro Tag via Basel nach Deutschland fahren und an Wochenenden bis zu 12 – die meisten nach Hamburg oder Berlin. Zum Vergleich: Ab 10. Dezember sind es werktags 6.

Fünf bis acht dieser Züge könnten weiter bis Chur verlängert werden. Das Angebot für Graubünden würde vervielfacht: Nächstes Jahr ist nur ein ICE pro Tag bis Chur geplant. In Bern könnten fünf statt bisher vier ICE pro Tag nach Deutschland abfahren und in Brig als Premiere zwei.

Luzern kann sich auf drei neue Züge pro Tag in Richtung Deutschland freuen, die aber nicht mit ICEs, sondern mit Giruno-Zügen des Herstellers Stadler geführt werden dürften. Wahrscheinlich ist, dass mindestens zwei dieser Verbindungen in der Gegenrichtung nach Mailand fahren. Zudem will die SBB Nachtzüge von Zürich nach Rom und Barcelona einführen, wobei letzterer auch in Bern und Genf Halt machen könnten. Das ist aber abhängig von der Annahme des revidierten CO2-Gesetzes, das bald in den Nationalrat kommt. Es sieht finanzielle Unterstützung für Nachtzüge vor.

Bis dahin heisst es für viele Bahnreisende: Bitte in Zürich umsteigen!



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