Wegen Touristen und Expats: Immer mehr ÖV-Unternehmen setzen auf englische Durchsagen – diese Städte wollen davon nichts wissen

Die BLS setzt auf touristischen Strecken auf englische Durchsagen. Bild: BLS

Immer mehr Touristen sind im Schweizer ÖV unterwegs – und immer mehr Expats, die hauptsächlich Englisch sprechen, leben hier. Nun prüfen Betreiber von Tram- und Buslinien, ob sie künftig öfter in Englisch informieren wollen, besonders im Störungsfall. Doch nicht alle ÖV-Unternehmen sehen die Notwendigkeit dafür.

von Stefan Ehrbar
29. April 2024

Durchsagen in Zügen, Bussen und Trams lassen viele Reisende ratlos zurück – vor allem, wenn sie keiner Landessprache mächtig sind. Selbst bei Störungen ertönen Informationen oft nur in Deutsch, Französisch oder Italienisch.

Dasselbe gilt für die Infos auf Bildschirmen in Fahrzeugen und an Bahnhöfen. Dabei sind immer mehr Touristinnen und Touristen im ÖV unterwegs: Letztes Jahr erzielte die Organisation STS, die ÖV-Tickets an Reisende aus dem Ausland verkauft, einen Rekordumsatz von 360 Millionen Franken. Und: Ein immer grösserer Teil der Bevölkerung spricht Englisch. Im Jahr 2022 waren es über eine halbe Million Menschen, die Englisch als Hauptsprache angaben.

Nun passen sich auch die ÖV-Unternehmen an. Ein Vorreiter ist Postauto. Seit einigen Monaten ertönen in den Bussen in der Region Interlaken die Durchsagen durchwegs auch auf Englisch. Englische Durchsagen gibt es zudem auf weiteren Strecken im Berner Oberland, etwa zwischen Gstaad und Lauenen und im Lauterbrunnental. «Da der Freizeitverkehr sehr wichtig ist, möchten wir in Zukunft immer mehr Informationen auch auf Englisch zur Verfügung stellen können», sagt Sprecherin Katharina Merkle. Hürden gebe es bei der technischen Machbarkeit und bei der Finanzierung. 

Ebenfalls vorne mit dabei ist die Rhätische Bahn (RhB). Bei ihr machen Freizeitreisende 75 Prozent der Passagiere aus. «Englisch ist in fast allen Zügen präsent», sagt Sprecher Simon Rageth. Selbst bei Störungen werden die Textkonserven – also bereits aufgenommene Textbausteine – in der Reihenfolge Deutsch, Italienisch, Englisch ausgespielt. Auch Meldungen wie «wir warten einen Gegenzug ab» erhalten die Passagiere auf Englisch.

Englisch sei der RhB wichtig, sagt Rageth. Selbst für die Durchsagen an Bahnhöfen gilt bei aussergewöhnlichen Ereignissen die Regel, dass die Information in der Ortssprache – also Deutsch und auf der Berninalinie Italienisch – sowie in Englisch zu erfolgen hat. Ausgenommen davon sind Informationen zu S-Bahnen. Die schriftlichen Informationen auf den Anzeigern in den Bahnhöfen würden aus Platzgründen hingegen nur auf Deutsch und allenfalls Italienisch veröffentlicht.

Auf ein ähnliches System setzt die Berner Bahn BLS. Durchsagen in den Zügen werden auf touristischen Linien in Englisch abgespielt – etwa zwischen Bern und Luzern oder Bern und Zweisimmen. Die Störungsmeldungen, die das Lokpersonal auslösen kann, seien immer auch in Englisch zu hören, sagt Sprecher Stefan Locher.

Die BLS plant einen Ausbau. Das System für die schriftlichen Anzeigen an den Bahnhöfen werde aktuell weiterentwickelt. «Im Verlauf dieses Jahres können dann die Informationen auch in Englisch dargestellt werden», sagt Locher. An welchen Bahnhöfen das genutzt werde, sei noch nicht klar.

Ausgebaut werden könnte die englische Information auch im Zürcher Verkehrsverbund (ZVV). In S-Bahnen, Trams und Bussen, die vom und zum Flughafen fahren, ertönen Durchsagen bereits auf Englisch. Künftig könnte das auch bei Störungen der Fall sein. «Das ist aus unserer Sicht ein wichtiger Anwendungsfall», sagt Sprecherin Cristina Maurer. Eine flächendeckende mehrsprachige Information sei zwar nicht geplant. Sinnvoll erscheine dem ZVV aber, mehrere Sprachen bei Ereignissen einzusetzen, wenn viele fremdsprachige Personen betroffen seien.

Vorgeprescht ist die Sihltal Zürich Uetliberg Bahn (SZU), die zwei S-Bahn-Linie betreibt, etwa jene vom Zürcher Hauptbahnhof auf den Uetliberg. Im Herbst 2023 führte sie Durchsagen an ihren Bahnhöfen ein – auf Deutsch und Englisch. Die Bahn begründete das auch damit, dass in Zürich viele englischsprachige Menschen ansässig seien. 

Mittlerweile sind aber die englischen Ansagen wieder verstummt. Anwohnende hatten sich beschwert, dass die langen Durchsagen praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit über das Perron hallten – und das bei Linien, die teilweise im 10-Minuten-Takt betrieben werden.

Sprecher Remo Lütolf sagt, die SZU überarbeite nun ihr Ansage-Konzept. Es sei gut möglich, dass künftig in gewissen Bahnhöfen wieder englischsprachige Durchsagen ertönten. In den Zügen werden die Begrüssungen und die Meldungen am Start- und Zielbahnhof weiterhin in Deutsch und Englisch ausgegeben. Wenn es zu Streckensperrungen kommt, werde individuell definiert, ob die akustische Information nur auf Deutsch oder auch in Englisch stattfinden soll.

Ähnlich gehen die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) vor. Bei Durchsagen in den Fahrzeugen und an Haltestellen beschränken sie sich grundsätzlich auf Deutsch, wie Sprecher Leo Herrmann sagt. Bei grösseren Baustellen, gewissen Grossveranstaltungen oder Umleitungen erfolgten regelmässig aber auch Durchsagen in englischer Sprache.

Die eigene Website und die App des ZVV, zu dem die VBZ wie die SZU gehören, seien auf Englisch verfügbar, genauso wie die Störungsmeldungen des ZVV im Internet. Auch dessen Hotline berate auf Englisch. Bei längerfristigen Umleitungen seien je nach örtlichen Gegebenheiten auch die orangen Info-Plakate zweisprachig ausgeführt.

Doch nicht alle wollen ihr Sprachangebot ausbauen – so etwa die Verkehrsbetriebe der Stadt Bern. «Wir informieren nicht auf Englisch und es ist auch nicht geplant, das einzuführen», sagt Bernmobil-Sprecher Rolf Meyer. Die Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) sehen das gleich. Nur an Grossanlässen würden an neuralgischen Punkten Mitarbeitende eingesetzt, die Informationen auch auf Englisch weitergeben könnten, teilt ein Sprecher mit.

Und wie sieht es bei den SBB aus? Ihre Regel ist, dass Anschlussdurchsagen in den Bahnhöfen Zürich HB und Genf auf Englisch gemacht werden. Für internationale Züge ertönen an den wichtigsten Bahnhöfen englische Durchsagen. In Zügen, die den Flughafen Zürich oder Flughafen Genf passieren, werden die Durchsagen ebenfalls auf Englisch ausgegeben. Dasselbe gilt für Durchsagen an den Bahnhöfen Genf Flughafen, Interlaken Ost, Interlaken West und Zürich Flughafen. Notfalldurchsagen werden immer auch auf Englisch gemacht. In der SBB-App wiederum erhalten Reisende alle Informationen auf Englisch, auch bei Störungen.

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