Share.P-Gründer Mateusz Wojdyło: «Wichtig ist, dass wir nicht noch mehr Parkraum bauen, sondern bestehenden intelligent nutzen»

Share.P-Gründer Mateusz Wojdyło. Bild: zvg

Mateusz Wojdyło hat das Start-Up Share.P gegründet. Es ermöglicht Privaten, ihre Parkplätze an Dritte zu vermieten und soll das Parkplatzproblem in Städten entschärfen. Seit kurzem verkauft Share.P sogar Zugtickets der SBB. Im Interview verrät Wojdyło, wohin die Reise mit der Firma gehen soll.

von Stefan Ehrbar
3. August 2022

Herr Wojdyło, Wie sind Sie dazu gekommen, Share.P zu lancieren?
Diese Idee wurde Ende 2020 geboren. Es begann mit dem Problem, dass ich versuchte, mein Auto für einige Tage zu parkieren, wenn ich meinen Kollegen Markus Schmid besuchte. Es gab keine digitale Möglichkeit, einen Parkplatz vom Gebäudeeigentümer für eine kürzere Zeit als sechs Monate zu mieten, obwohl gleichzeitig viele private Parkplätze nicht vermietet wurden. Nach dieser Erfahrung beschlossen wir, das Problem mit einer neuartigen Lösung anzugehen. Dank einiger weiterer Personen wie Heinz Hubmann oder Pawel Gorzelewski konnte ich mit der Umsetzung der Idee in ein Produkt beginnen. Dies war die Geburtsstunde von Share.P.

Wie viele Nutzer zählt die Anwendung zurzeit?
Die Share.P-Plattform wird heute von über 48’000 Personen aus mehreren europäischen Ländern genutzt. Darüber hinaus hat die Plattform seit Anfang des Jahres mehr als 460’000 „Impressionen“ auf Google registriert, die ausschliesslich von Personen stammen, die eine Reise in die Schweiz oder innerhalb der Schweiz planen und nach Parkinformationen suchen. Es ist erwähnenswert, dass wir all dies ohne eine bezahlte Marketingkampagne erreichen konnten.

In welchen Städten sind sie derzeit aktiv und welche folgen?
Schweizweit sprechen wir jetzt mit über einem Dutzend Gemeinden wie Zürich, Bern, Luzern, Montreux, Vevey, Zug, Brienz, Wetzikon usw., ferner verfügen wir überein paar hundert intern genutzte Parkplätze und über eine wachsende Zahl öffentlich zugänglicher Parkplätze. Fast 30’000 Parkplätze in Parkhäusern sind bereits in unserer Parkdatenbank erfasst.

Von welcher Gruppe (Autofahrer, Immobilienbesitzer, Parkhaus-Besitzer, Gemeinden etc.) kommt die grösste Nachfrage? Wo müssen Sie noch am meisten Überzeugungsarbeit leisten?
Ich glaube nicht , dass wir Autofahrer überzeugen müssen, denn wir haben eine ständige Nachfrage seitens der Nutzer nach dynamischen Mietoptionen. Auf der anderen Seite braucht es Monate, um Immobilieneigentümer zu überzeugen, weil dies für sie eine grosse Veränderung darstellt. Die Perspektive, dass der Vermietungsprozess, der bisher ausschliesslich von Immobilienmaklern durchgeführt wurde, nun digital möglich ist, ist für sie sehr schwer nachvollziehbar. Dafür brauchen sie eben Zeit.

Welche Umsatzziele für dieses und die nächsten Jahre haben Sie? Wann soll Share.P rentabel sein?
Unsere Prognosen gehen davon aus, dass wir im Jahr 2024 profitabel sein werden, aber wir alle sehen die makroökonomische Situation, insbesondere die Rezession in Europa. Es ist eine Situation, die ein wenig an die von 2008/2009 erinnert. Damals waren Start-ups, die die Digitalisierung von Prozessen und zusätzliche Einnahmen anboten, erfolgreich. Aus diesem Grund ist es möglich, schon etwas früher, also im kommenden Jahr (2023), die Rentabilität zu erreichen.

Wo wird Share.P am häufigsten genutzt?
Am häufigsten von den Kunden unserer B2B-Unternehmen. Viele Unternehmen nutzen unser System, um ihre Parkplätze zu verwalten, vor allem wenn sie viele separate Gebäude an verschiedenen Standorten haben. Die zweite Gruppe bilden Touristen, welche die Regeln für das Parken und Laden von E-Fahrzeugen in Städten verstanden haben. Dadurch sparen sie sich die Parkplatzsuche und haben viel weniger Stress.

Sie schreiben online, durch die Zusammenarbeit mit Share.P könnten Eigentümer von Parkplätzen vom Energieverkauf profitieren. Inwiefern?
Ja, gerade heute gibt es einen Mangel an gemeinsamen Ladestationen. Die Gebäudeeigentümer entscheiden sich kaum für diese Lösung zugunsten ihrer Mieter, hauptsächlich wegen der hohen Kosten für die Anschaffung. Aus diesem Grund haben wir ein System entwickelt, mit dem Immobilieneigentümer die Kosten für die Installation um bis zu 40% senken und mit dem kombinierten Produkt aus Parken und Laden von E-Fahrzeugen Gewinne erzielen können. Sie profitieren dabei von einer kleinen Gebühr, welche die Kosten für die se Installation in wenigen Jahren zurück erstatten wird.

In vielen Städten ist die Weitervermietung privater Parkplätze nicht zulässig. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Die Untervermietung von Privatparkplätzen ist erlaubt, praktisch jeder Besitzer eines Parkplatzes tut dies, wenn er ihn nicht selbst nutzt. Portale wie Flatfox, Homegate oder SBB sind voll mit tausenden von privaten Parkplätzen, die zu mieten sind. Jetzt fängt die Stadt Basel wie kürzlich in den Medien zu lesen war sogar an, ein solches Verhalten zu fördern, nämlich dass man Parkplätze oder E-Tankstellen teilen soll, wenn man sie nicht selber benutzt.

Die Stadt Zürich sagt, sie toleriere die Weitervermietung privater Parkplätze, wenn es nicht um mehr als 1000 Plätze gehe. Andere Städte verfahren ähnlich. Ist das nicht ein Hemmschuh für die weitere Entwicklung von Share.P.?
Wir arbeiten eng mit der Stadt Zürich zusammen, um den Verkehr zu reduzieren und die Menschen da zu zu bewegen, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Die neue Chefin des Tiefbauamtes, Simone Brander, hat ein grosses Verständnis dafür, dass es unsere Aufgabe ist, den Gemeinden zu helfen, ihre Mobilitätsziele schneller und effektiver zu erreichen. Wie jeder weiss, teilen sich sogar die SBB rund 6800 private Parkplätze in der Region Zürich und in der Stadt selbst. Grosse Unternehmen wie Privera haben sogar noch mehr private Parkplätze, die sie gemeinsam nutzen. Als Share.P liefern wir allen Eigentümern die Software/Hardware-Lösung, um ihr Portfolio besser zu verwalten. Der Prozess sieht heute so aus: Der Immobilienmakler inseriert einen Parkplatz z.B. auf Homegate.ch, und wenn es einen Kunden gibt, muss er physisch zu einem Kunden gehen, um den Vertrag zu unterzeichnen und den Schlüssel oder die Fernbedienung zu übergeben. Mit Share.P können sie dies alles digital erledigen.

Sie sind in der Schweiz und Polen tätig. Ist eine Expansion in weitere Länder geplant?
Wir starten jetzt auch in Österreich, Deutschland und im Vereinigten Königreich.

Mit der Parkplatz-App von Share.P lassen sich seit Ende Mai auch Zugtickets kaufen. Was versprechen Sie sich davon?
Wir haben mit der SBB eine Zusammenarbeit begonnen und befinden uns noch im Prozess der vollständigen Integration, und wir versuchen, den Prozess aus der Sicht der Benutzer so gut wie möglich zu gestalten. Die endgültige Version ist noch nicht für alle verfügbar. Die vollständige Überarbeitung ist für das 4. Quartal geplant.

Wie lange ging es von der Idee der Integration des Ticketkaufs bis zur Umsetzung?
Wir befinden uns noch in diesem Prozess, aber dank unserer internen Systemarchitektur verläuft die Integration völlig reibungslos.

Müssen sie der SBB Gebühren oder Kommissionen bezahlen?
Nein, wir zahlen keine Provisionen/Gebühren an die SBB, die einzigen, die wir zahlen, sind die Bankgebühren.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der SBB?
Wir sind der SBB dankbar für all die Hilfe und das Verständnis für unsere Idee.

Haben Nutzer Zugriff auf das gesamte Sortiment der SBB?
Ja, das haben sie, und das einzige fehlende Modul ist d as für P+R, das unserer Meinung nach Anfang 2023 verfügbar sein wird.

Wollen Sie Share.P generell weiter in Richtung Mobility as a Service ausbauen?
Unsere Idee ist es, Gemeinden, Gebäudeeigentümer und Mobilitätsanbieter bei der besseren Nutzung von Raum und Energie zu unterstützen.

Welche zusätzlichen Angebote könnten Sie sich gut vorstellen?
Bisher haben wir bereits die Integration von Fahrradverleih und – sharing realisiert und eine Kooperation mit drivemycar.ch gestartet, um Carsharing in Tiefgaragen zu ermöglichen. Wir sehen eine grosse Nachfrage nach unseren Diensten aus der Bürobranche und planen daher, weitere Dienste zu integrieren, mit denen Reisen von Kunden erhöht und die Kosten dafür gesenkt werden können. Eine App statt deren viele, dies ist unser Motto.

Viele Städte wollen generell weniger Autos (auch Elektroautos), weil der Platz knapp ist. Wird das zum Problem für ihre App?
Die Zahl der in den Städten zugelassenen Autos nimmt von Jahr zu Jahr ganz natürlich ab. Das Problem liegt bei den Pendlern und Touristen, die ein einheitliches System benötigen, um bequem Parkplätze zu buchen und ihre Reise zu planen, einschlieslich des Umsteigens auf öffentliche Verkehrsmittel. Die Einzigartigkeit besteht in unserer gesamten Systemlösung. Ich denke auch, dass wir, wenn wir über die Zukunft sprechen, über geteilte Mobilität und autonome Autos sprechen müssen. Wir als Share.P sind auf dem Weg in diese Richtung.

Wie wichtig sind Parkplätze in Agglomerationen und an Bahnhöfen für Share.P?
Die bestehende Infrastruktur kann zwar auf intelligente Weise bewirtschaftet werden, aber das reicht nicht aus. Wichtig ist, dass wir nicht noch mehr Parkraum bauen müssen, sondern alle bestehenden Parkmöglichkeiten auf eine neue intelligente Weise nutzen.

Wie viele Elektroladestationen sind derzeit im Einsatz?
Es sind etwa 48 Stück und 212 Bestellungen nur für dieses Jahr. Das ist nicht viel, aber der Aufbau der Technologie hat uns einige Zeit gekostet. Im Vergleich zum Parksystem gibt es auf dem Gebiet der EV eine Menge Tests, die durchgeführt werden müssen.

Was kommt als Nächstes?
Was jetzt auf uns zu kommt, ist unsere Zusammenarbeit mit Google in einigen europäischen Ländern. Deren Mitarbeiter haben Share.P als DIE Lösung für ihre Park- und EV-Probleme entdeckt. Ich weiss , dass es manchmal schwer zu verstehen ist, dass es eine ganz einfache Lösung für das „Parkproblem“ gibt, ein Problem, das jeder seit mindestens 60 Jahren kennt und das in letzter Zeit zur Normalität geworden ist, so dass die Gemeinden keine andere Möglichkeit sehen, als Autos in den Städten zu verbieten… Wir haben beschlossen, das zu ändern, und nach umfangreichen Untersuchungen in den Anfängen von Share.P haben wir erkannt, dass es dank neuer Technologien, die vor einigen Jahren noch nicht verfügbar waren, einen anderen Weg geben könnte. Wir beraten jetzt mit der Stadt Salzburg, die sich an uns gewandt hat, über eine komplexe Lösung für die gesamte Stadt, die es ermöglichen soll, ohne zusätzliche Kosten alle bestehenden Parkplätze abseits der Strasse zu aktivieren, anstatt neue Parkplätze zu bauen. Ich glaube fest an eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Bürgern und Gemeinden, denn es gibt für viele Probleme eine Lösung, wir müssen nur miteinander reden und einander zuhören.

Wie bewegen Sie sich selbst fort?
Ich benutze das Tram oder den Zug – und von Zeit zu Zeit das Auto.

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