Parkplätze vor der Türe schaden Läden // Deutschlandticket: Was es bringt // Nachteile des norwegischen Elektroauto-Booms

Norwegen ist Elektroauto-Hochburg. Zu welchem Preis? Bild: Emil Dosen/Unsplash

Eine neue Studie aus Aachen zeigt: Parkplätze unmittelbar vor einem Geschäft schaden dem Umsatz. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit Links zu spannenden Geschichten: Das Deutschlandticket kurbelt die ÖV-Nutzung an – und der Elektroauto-Boom in Norwegen hat Schattenseiten. Die Regierung reagiert nun.

von Stefan Ehrbar
3. November 2023

Parkplätze vor Läden schaden dem Geschäft

Viele Händler fürchten Umsatzeinbussen, wenn Parkplätze in der Umgebung ihrer Läden aufgehoben werden. Doch verschiedene Untersuchungen unter anderem der Stadt Zürich haben gezeigt, dass dies nicht stimmt (Mobimag berichtete).

In den meisten Fallbeispielen nahmen die Umsätze der Geschäfte sogar zu, als es zu einer Verkehrsberuhigung kam. Die gegenteilige Wahrnehmung vieler Geschäftsinhaber liegt auch daran, dass sie oft überschätzen, von wie weit her Kundinnen und Kunden anreisen und unterschätzen, wie hoch der Anteil jener ist, die mit dem ÖV oder dem Velo anreisen. Lokale Geschäfte ziehen in den meisten Fällen lokale Kundschaft an.

Eine neue Studie aus Aachen bestätigt nun diese Erkenntnisse. Darüber berichtet diese Woche das Portal spiegel.de.

Berichtet wird über die Arbeit namens «Impacts of parking and accessibility on retail-oriented city centres», die im «Journal of Transport Geography» veröffentlicht wurde. Verfasst wurde sie von Forschenden der RWTH Aachen. Sie haben einerseits Daten zu Ladenmieten in Aachen zwischen 2015 und 2022 analysiert. Je höher der Mietpreis, als desto attraktiver wurde eine Geschäftsfläche beurteilt. Der Effekt der Coronapandemie wurde herausgerechnet.

Mit einem räumlichen Modell haben die Forscher andererseits untersucht, inwiefern die Mietpreise mit anderen Faktoren zusammenhängen – etwa der Nähe zu einer Fussgängerzone, der Siedlungsdichte oder dem Abstand zur nächsten Haltestelle des öffentlichen Verkehrs.

«Am relevantesten aber ist wohl das Ergebnis zu Parkplätzen, denn um die geht es in den Debatten vor Ort meist», heisst es im Artikel. Auf den ersten Blick erscheine das Resultat der Studie widersprüchlich: Wenn es viele Parkplätze im Umkreis von 100 Metern um ein Geschäft gebe, beeinflusse das den Mietwert negativ. Mehr Parkplätze in einem grösseren Umkreis von 100 bis 500 Metern hingegen haben einen positiven Effekt.

Allerdings sei das gut erklärbar, so die Forscher. «Einzelhandelsflächen sind dann wertvoller, wenn die Strasse vor dem Laden nicht völlig mit Autos zugestellt ist – wenn es aber in bequemer Laufdistanz immer noch genug Parkmöglichkeiten gibt.»

Die Resultate zeigten, dass Parkplätze in Innenstädten deutlich reduziert werden könnten, wenn gleichzeitig die vorhandene Kapazität in Parkhäusern besser genutzt werde. Es ist laut den Forschern die erste Studie, die zeigt, dass Parkplätze in nächster Nähe zu einem Laden den Immobilienwert negativ beeinflussen.

Das bringt das Deutschlandticket

Das Deutschlandticket ermöglicht die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in ganz Deutschland für 49 Euro pro Monat. Es existiert seit einem halben Jahr und ist der Nachfolger des 9-Euro-Tickets, mit dem der öffentliche Verkehr im letzten Jahr angekurbelt wurde.

Derzeit toben heftige Diskussionen um die Finanzierung des Deutschlandtickets nach dem Jahr 2024 und welche Anteile der Bund und die Länder übernehmen sollen. Auch Preiserhöhungen sind denkbar, wie vor kurzem die deutsche «Tagesschau» berichtete. Doch allen Negativ-Schlagzeilen zum Trotz: Das Angebot hat bereits nach kurzer Zeit für positive Effekte gesorgt. Viele Nutzerinnen und Nutzer haben ihr Mobilitätsverhalten geändert. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa.

Über die Umfrage berichtet diese Woche die «Zeit». Demnach lassen 31 Prozent der Befragten öfter das Auto stehen, seit sie ein Deutschlandticket besitzen. Fast jeder zehnte Nutzer geht allerdings auch seltener zu Fuss und fährt weniger mit dem Velo.

Weitere 37 Prozent gaben an, ihr Mobilitätsverhalten nicht umgestellt zu haben. Mehrfachnennungen waren möglich, wie es im Artikel heisst. Zudem habe die Deutsche Bahn seit dem Start des Angebots eine deutliche Zunahme der Fahrgäste vermeldet. Nach Einführung des Deutschlandtickets sei die Zahl der Fahrgäste im Nahverkehr um rund ein Viertel gestiegen.

Das Deutschlandticket stösst auf eine breite Akzeptanz. Rund ein Viertel der Befragten gab in der Umfrage an, in den vergangenen sechs Monaten mindestens für einen Monat das Abo gebucht zu haben. Fast jeder fünfte hat zwar noch kein Deutschlandticket gekauft, könnte sich das aber vorstellen.

Mit 53 Prozent hat eine knappe Mehrheit der Befragten in Deutschland kein Deutschlandticket und will sich auch kein solches kaufen. In dieser Gruppe gaben 57 Prozent an, überwiegend Auto zu fahren. Ein Drittel in dieser Gruppe vermisst ein gutes ÖV-Angebot in der eigenen Region, für 15 Prozent in dieser Gruppe ist das Deutschlandticket zudem zu teuer.

Die Schattenseiten des norwegischen Elektroauto-Booms

Norwegen ist weltweit Vorreiter bei der Akzeptanz von Elektroautos. Im letzten Jahr waren fast 80 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge in Norwegen rein elektrisch betrieben und weitere etwa 10 Prozent Plug-In-Hybride. Im nächsten Jahr wird gar das letzte fossil betriebene VW-Modell verkauft (Mobimag berichtete).

In der Schweiz haben Elektroautos hingegen derzeit einen Anteil von knapp 20 Prozent bei den Neuzulassungen. In Schweden kamen sie in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres auf knapp 30 Prozent, in den Niederlanden auf 21 Prozent, in Deutschland auf 15 Prozent. In den USA beträgt der Anteil der Elektroautos an Neuzulassungen derzeit nur 7 Prozent, in der ganzen EU 13 Prozent. Doch die norwegische Elektro-Erfolgsstory hat auch ihre Schattenseiten. Über diese berichtet diese Woche das Portal vox.com.

Im Artikel beleuchtet Autor David Zipper vom «Harvard Kennedy School’s Taubman Center for State and Local Government» die negativen Aspekte der Elektroauto-Förderung, dank der in Norwegen ein so hoher Anteil erzielt wurde.

«Ich entdeckte eine norwegische Elektroauto-Bonanza, die tatsächlich die Emissionen reduziert hat – allerdings auf Kosten wichtiger gesellschaftlicher Ziele», schreibt er. «Die auffälligen Subventionen für Elektroautos sind grösstenteils an Wohlhabende geflossen und haben die Kluft zwischen Arm und Reich in einem Land, das stolz auf seine egalitäre Sozialpolitik ist, noch vergrössert.»

Der Boom der Elektroautos habe zudem die Bemühungen der norwegischen Städte behindert, sich vom Auto zu lösen und den Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit zu geben, stattdessen den öffentlichen Verkehr oder das Velo zu nutzen.

Dies allerdings hätte die Emissionen noch stärker verringert, die Sicherheit vergrössert und das städtische Leben stärker belebt als der Tausch eines Verbrennerautos gegen ein Elektroauto.

Die norwegische Regierung habe denn auch begonnen, einige Subventionen für Elektroautos zurückzufahren, um diese Nachteile abzumildern, heisst es weiter.

Bjørne Grimsrud, der Direktor des Verkehrsforschungszentrums TØI in Oslo sagt, Länder sollten die Subventionierung von Elektroautos so einführen, dass die Ungleichheit nicht grösser werde und der Autoverkehr nicht auf Kosten anderer Verkehrsmittel gefördert werde. Genau das könnte nun aber auch in anderen Ländern passieren, die die Elektrifizierung mit Rabatten ankurbeln wollen – etwa in den USA.

Ein Problem der Subventionen war in Norwegen beispielsweise, dass viele ein Elektroauto kauften, um zu pendeln. Die staatlichen Anreize vergünstigten den Kauf, und der Strom ist in Norwegen sowieso günstig. Elektroauto-Besitzer konnten zunächst sogar auf Busspuren fahren. Hunderttausende Norwegerinnen und Norweger kauften daraufhin ein Elektroauto statt etwa eines ÖV-Abos. Die Zahl der Fahrzeuge stieg zwischen 2010 und Ende 2019 um 10 Prozent, was zum grossen Teil auf die Anreize zurückzuführen ist.

Der Autor weist darauf hin, dass eine vollständige Umstellung auf Elektroautos auf der ganzen Welt noch immer nicht reichen würde, um einen Anstieg der globalen Temperaturen um 2 Grad Celsius zu verhindern. Wichtiger wäre, die Autonutzung zu reduzieren.

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