Die Stadt Zürich liess analysieren, welche Rolle Parkplätze, die Verkehrsberuhigung und umgestaltete Strassenräume in Innenstädten auf den Umsatz von Läden, die Gastronomie und die Aufenthaltsqualität haben. Die Resultate zeigen: Autofreie Strassen lohnen sich fast immer.
von Stefan Ehrbar
9. Mai 2022
«Welche Auswirkungen haben Verkehrsberuhigung und umgestaltete Strassenräume in Innenstädten? Welche Rolle spielen dabei die Parkplätze?» Diese Frage hat sich das Tiefbaumt der Stadt Zürich (TAZ) gestellt. Zur Beantwortung hat Autor Erich Willi Studienresultate aus verschiedenen Städten analysiert.
Mobimag zeigt die wichtigsten Erkenntnisse aus der Arbeit auf, geordnet nach verschiedenen Themenfeldern.
Zunächst hat das TAZ untersucht, wie die Zahl und Verfügbarkeit der Parkplätze mit dem Umsatz zusammenhängt, den die Läden in den Innenstädten machen. Im Jahr 2012 wurden dazu Studienresultate aus den Niederlanden veröffentlicht. Sie belegen:
- In kleineren Einkaufsgebieten steigt der Umsatz mit dem Parkplatzangebot.
- In grösseren Städten – beispielsweise Amsterdam, Rotterdam und Den Haag, hat das Parkplatzangebot hingegen keinen Einfluss auf den Umsatz.
Verglichen wurde der Umsatz pro Quadratmeter und Jahr mit dem Parkplatzangebot in einem Umfeld mit einem Radius von 300 Metern. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Zürich sei «gut denkbar», heisst es in der Analyse – zumal der Anteil des Autoverkehrs in den niederländischen Städten mit 40 bis 50 Prozent deutlich höher sei als in Zürich mit 25 Prozent.
Es gibt aber auch aktuellere Daten. Im Juli 2016 hat die Stadt München in der Sendlingerstrasse eine Fussgängerzone eingerichtet und viele Parkplätze aufgehoben. Die Strasse wurde zudem umgestaltet. Eine Umfrage unter den Gewerbetreibenden im Nachhinein zeigt:
- 34 Prozent der Gewerbetreibenden bewerten die Effekte des Versuchs als sehr positiv.
- Weitere 29 Prozent bewerten die Ergebnisse der Umgestaltung der Strasse als positiv.
- Nur 8 Prozent sehen den Versuch als sehr negativ an und 14 Prozent als negativ.
Der Rücklauf bei der Anwohnerschaft habe 60 Prozent betragen, jener bei den Gewerbetreibenden 37 Prozent.
Im Jahr 2011 hat das Büro Metron Verkehrsplanung zudem in Zürich die wirtschaftliche Bedeutung von Parkplätzen untersucht. Ein Parkplatz ist demnach mit durchschnittlich 330’000 Franken Umsatz pro Jahr verknüpft, wobei die Spannweite von 95’000 bis 680’000 Franken reicht – je nach Standort.
In der Zürcher Innenstadt sind gemäss dieser Studie rund drei Viertel der Umsätze auf Kundinnen und Kunden zurückzuführen, die mit dem ÖV, zu Fuss oder mit dem Velo in die Stadt kommen. Besucher, die mit dem Auto in die Stadt kommen, machen demnach zahlenmässig 20 Prozent und umsatzmässig ein Viertel aus.
Eine Studie von Infras aus dem gleichen Jahr zeigt zudem laut dem TAZ, dass sich zwischen der Anzahl Parkplätze und der Wertschöpfung an einer Strasse kein statistisch signifikanter Zusammenhang feststellen liess. Seit diesen Studien sind allerdings über 10 Jahre vergangen – 10 Jahre, in denen der Autoverkehr in der Stadt Zürich weiterhin Anteile verloren hat.
In einem weiteren Schritt hat der TAZ-Autor den Zusammenhang zwischen verkehrsberuhigenden Massnahmen und der Wertschöpfung analysiert. «Der von den Gewerbevertretern betonte positive Einfluss der Auto-Erschliessung und der Anzahl Parkplätze auf die Wertschöpfung in publikumsorientierten Branchen liess sich bei den quantitativen Analysen nicht nachweisen», schreibt er – im Gegenteil. Die erwähnte Litra-Studie belegte schon 2011:
- Die Wertschöpfung des Detailhandels und der Gastronomie an einer verkehrsberuhigten Strasse in der Innenstadt von Zürich ist 107 Prozent höher als bei der selben Strasse, die nicht verkehrsberuhigt ist (80 Franken pro Quadratmeter vs 175 Franken pro Quadratmeter und Jahr).
- An einer Hauptachse, die mit dem Tram erschlossen ist, werden durchschnittlich 100 Prozent mehr Umsatz erzielt als an einer Hauptachse ohne Tram (9 Franken pro Quadratmeter und Jahr versus 19 Franken).
Dasselbe Ergebnis habe sich auch in Madrid gezeigt, wo im November 2018 auf 472 Hektar in der Innenstadt eine Umweltzone eingerichtet wurde, die nur von Elektroautos und Hybridfahrzeugen befahren werden darf. Die Stadt wertete zusammen mit der Bank BBVA den Einfluss dieser Massnahme auf das Weihnachtsgeschäft aus. Die Ergebnisse:
- Der Autoverkehr in der Umweltzone nahm um 37 Prozent ab.
- Die Umsätze im Zentrum der Umweltzone stiegen gegenüber dem Vorjahr um rund 10 Prozent und in der ganzen Umweltzone um 9 Prozent. Zum Vergleich: In der ganzen Stadt stiegen sie nur um 3 Prozent.
Die neuseeländische Stadt Auckland konnte zudem die Passantenfrequenz um 54 Prozent und die Umsätze der Geschäfte um 47 Prozent steigern, nachdem in der zentralen Fort Street und in Nebenstrassen Parkplätze aufgehoben und ein durchgehender ebener Belag eingebaut wurde – ähnlich einer Begegnungszone in der Schweiz. Die Gastronomie verzeichnet laut dem TAZ seit dann sogar vierfach höhere Umsätze. 90 Prozent von Befragten einer Umfrage bezeichnen die Gegend nun als positiv. Vor der Umgestaltung waren es 15 Prozent gewesen.
Auf der Studienseite des TAZ im Internet finden sich noch mehr Beispiele und eine ausführliche Interpretation. Insgesamt passen die Ergebnisse zu früheren Resultaten ähnlicher Untersuchungen: Verkehrsberuhigung und autofreie Innenstädte sorgen zumindest in grösseren Städten für mehr Umsätze im Handel und in der Gastronomie und erhöhen die Aufenthaltsqualität merklich.
Dass viele Ladenbetreiberinnen und -betreiber sich trotzdem regelmässig gegen die Aufhebung von Parkplätzen wehren, hat auch damit zu tun, dass sie den Anteil der Kundschaft überschätzen, die von weit her mit dem Auto in ihren Laden kommt. So hat eine Studie in Berlin gezeigt, dass Ladenbesitzer glauben, dass nur etwa 12 Prozent der Kundinnen und Kunden im Umkreis von einem Kilometer wohnen. In Tat und Wahrheit sind es 51 Prozent. «Lokale Geschäfte ziehen lokale Kunden an», heisst es in einer Studie (Mobimag berichtete). Sie konnte auch zeigen, dass Menschen, die zu Fuss, mit dem Velo oder dem ÖV unterwegs sind, in Läden mehr Geld ausgeben und diese auch häufiger aufsuchen als autofahrende Kunden. Im Fall von Berlin waren die Nicht-Autofahrer in den untersuchten Läden für 90 Prozent der Ausgaben verantwortlich.
Ähnliche Resultate förderte auch eine Studie in Bristol zutage (Link zur Studie als PDF-Dokument). Insgesamt bleibt das Fazit: Autofreie Innenstädte machen diese nicht nur schöner – sie rentieren sich auch ökonomisch.
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