Das steckt hinter der Ausnahme des Verbrenner-Verbot // Ungleichheit bei Emissionen nimmt zu // Wien als Vorbild beim Umstieg auf ÖV

Die EU hat sich doch aufs Verbrennerverbot geeinigt. Bild: Gunnar Ridderström/Unsplash

Nach wochenlangem Streit einigt sich die EU doch auf das Aus des Verbrenners. Doch ein Schlupfloch wird offengelassen. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Die reichsten Deutschen emittieren tausendmal so viel Treibhausgase wie der Durchschnitt – und so weit ist Wien beim Umstieg auf CO2-freie Mobilität.

von Stefan Ehrbar
31. März 2023

Die Details des Verbrenner-Aus in der EU

In der Europäischen Union (EU) dürfen ab dem Jahr 2035 keine Autos mehr zugelassen werden, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden. Das haben die Mitgliedsstaaten diese Woche entschieden, nachdem sich die Unterhändler im Grundsatz schon im Oktober 2022 darauf geeinigt hatten.

Danach hatte sich allerdings ein wochenlanger Streit an der Frage entzündet, ob es eine Ausnahme für Autos geben soll, die mit synthetischen Treibstoffen betrieben werden, sogenannten E-Fuels. Besonders die deutsche Regierung mit Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte darauf gedrängt.

Sie konnte sich schlussendlich auch durchsetzen: Auch nach 2035 können noch Verbrennerautos zugelassen werden, die ausschliesslich mit synthetischen Treibstoffen betrieben werden, berichtet tagesschau.de.

E-Fuels können aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden, das aus der Luft gewonnen wird. Wenn für diesen Prozess Strom aus erneuerbaren Energien genutzt wird, sind sie theoretisch emissionsfrei. Allerdings entzündet sich an E-Fuels Kritik: Sie gelten als ineffizient und teuer.

Laut Ulf Neuling, Projektleiter für Kraftstoffe beim Thinktank Agora Verkehrswende, benötigen sie etwa vier- bis fünfmal so viel Strom wie ein Elektrofahrzeug. Zudem stünden sie auch künftig nur in geringen Mengen zur Verfügung, die besser in der Luft- und Schifffahrt eingesetzt würden, wo es weniger Alternativen gebe.

Es gebe auch nur wenig Möglichkeiten, die Effizienz von E-Fuels zu steigern, sagte Neuling kürzlich zu n-tv.de. «Verfahren zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen gibt es schon seit mehr als 100 Jahren», so Neuling (Mobimag berichtete).

Dass sich Deutschland so stark für die E-Fuels eingesetzt hat, dürfte denn auch weniger aus klimapolitischen Gründen, sondern aus Sorge um die heimische Autoindustrie geschehen sein. Diese ist nach wie vor einer der grössten Arbeitgeber Deutschlands und politisch bestens vernetzt.

Die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke (FDP) liess sich diese Woche damit zitieren, dass es gut sei, «dass mit der EU-Kommission am Ende eine Lösung gefunden wurde, die den Weg für die neuen Flottengrenzwerte freimacht und gleichzeitig den Bedenken der FDP Rechnung trägt».

Etwas kritischer kommentierte die österreichische Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Einigung. Es sei zwar gut, dass die Blockade gelöst worden sei. Aber: «Dass es jetzt ein Schlupfloch gebraucht hat, um noch Zauderer mit auf den Weg zu nehmen, das finde ich schade».

Ob ab 2035 aus der Industrie überhaupt noch der Wunsch nach einer Zulassung von Verbrenner-Fahrzeugen mit E-Fuels besteht, ist offen. Die Industrie müsste solche Autos zunächst noch bauen, sagt etwa Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, was er auch angesichts der hohen Kosten für die Herstellung der E-Fuels bezweifle. In der Schweiz hat die zuständige Nationalratskommission vor wenigen Wochen gegen ein Aus von Verbrennerfahrzeugen per 2035 gestimmt. Dass extra für die Schweiz noch Verbrenner-Autos importiert werden, dürfte aber kaum der Fall sein.

Reiche mit viel mehr Emissionen

Emissionen sind in Deutschland nicht gleich verteilt. Auf diesen Fakt machte vor kurzem die «taz» mit Verweis auf Daten des World Inequality Lab des Ökonomen Thomas Piketty aufmerksam.

Die Zeitung hat den Datensatz für Deutschland analysiert, der die Zeitperiode von 1990 bis 2020 umfasst. Um Corona-Effekte herauszurechnen, wurde nur der Zeitraum bis 2019 betrachtet. Die Ungleichheit ist gewaltig. «Während die Ärmsten in Deutschland 2019 etwas über 3 Tonnen CO2 pro Jahr emittierten, waren es beim reichsten 1 Prozent etwa 105 Tonnen – also fast das 35-fache», heisst es im Artikel.

Noch deutlicher werde die Ungleichheit, wenn nur die Emissionen der 800 reichsten Menschen Deutschlands betrachtet werden. Deren Emissionen werden auf 11’700 Tonnen CO2 pro Jahr geschätzt – das Tausendfache des Durchschnitts in Deutschland.

Auch bei den Einsparbemühungen schneiden die Wohlhabenden schlecht ab. Zwischen 1991 und 2019 sanken die CO2-Emissionen in Deutschland gemäss dem Artikel um 35 Prozent. Das liege aber vor allem an den ärmeren zwei Drittel der Bevölkerung, die eine höhere Reduktion erzielten.

Das reichere Drittel habe dagegen unterdurchschnittlich CO2-Emissionen eingespart. Die 800 reichsten Menschen des nördlichen Nachbarlands erzielten gar keinen Spareffekt, sondern sind heute für 10 Prozent mehr Emissionen pro Kopf verantwortlich als noch 2019.

Damit sei die sogenannte Emissionsungleichheit gestiegen, schreibt die Zeitung: «Inzwischen emittieren die reichsten 10 Prozent in Deutschland mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung». Gründe für den grossen Unterschied gibt es einige. So investieren finanziell wohlhabende Menschen mehr, und diese Investitionen sorgen für Emissionen. Auch beim Konsum gibt es Unterschiede: So haben wohlhabendere Menschen grössere Häuser, konsumieren mehr, fahren häufiger Auto und fliegen häufiger – oft auch in besonders ineffizienten Privatjets.

Wien als Vorbild beim ÖV-Umstieg

Die österreichische Zeitung «Kurier» ging diese Woche der Frage nach, wie weit die verschiedenen Regionen bereits beim Umstieg auf eine CO2-freie Mobilität sind.

Besonders vorbildlich sind dabei laut Zahlen des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) die Einwohnerinnen und Einwohner der Hauptstadt Wien.

Demgemäss nutzen laut einer landesweiten Erhebung sieben von zehn Wienern mehrmals in der Woche oder täglich Tram, Bus und U-Bahn. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind in diesen Zahlen nicht mit einberechnet.

Nur sieben Prozent der Wiener Bevölkerung sind laut den Zahlen nie mit dem ÖV unterwegs, während 41 Prozent nie selbst hinter dem Steuer eines Autos sitzen. Auf Alltagswegen sind zudem 44 Prozent aller Wienerinnen und Wiener mit dem Velo oder zu Fuss unterwegs. Regelmässig im Auto sitzen dafür hingegen nur 26 Prozent der Menschen.

In ganz Österreich sieht es etwas weniger rosig aus: Im ganzen Land nutzen nur drei von zehn Personen häufig den ÖV.

Um den positiven Entwicklungen in Wien Rechnung zu tragen, startet der VCÖ in Kooperation mit der Stadt Wien nun einen Mobilitätspreis unter dem Motto „Zukunft jetzt gestalten“, heisst es im Artikel.

Der demografische Wandel, die zunehmende Hitze und die Energiewende verändern laut dem Artikel die Rahmenbedingungen. Es brauche nun mehr Massnahmen für ein seniorengerechtes Verkehrssystem. Dazu zählten etwa Barrierefreiheit und geringes Tempo im Ortsgebiet.

Weil auch die Zahl der Hitzetage bereits zugenommen habe und weiter steige, brauche es zudem mehr schattenspendende Bäume und mehr Grün im Strassenraum. Deshalb müsse die Mobilität platzsparender werden, was gegen das Privatauto spricht.

Ein Vergleich der Zahlen zeigt: In Schweizer Städten braucht sich der ÖV auch im Vergleich zu Wien nicht zu verstecken. Im Jahr 2019 wurden etwa 41 Prozent der Wege auf dem Gebiet der Stadt Zürich mit dem ÖV zurückgelegt, 26 Prozent zu Fuss und 8 Prozent mit dem Velo. Nur 25 Prozent gingen auf das Konto des Autos.

Auch in Bern und Basel war der ÖV mit 38 respektive 32 Prozent das meistgenutzte Verkehrsmittel, während nur je 30 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt wurden (Mobimag berichtete).

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