Ausgerechnet in der «Velo-Hauptstadt» Kopenhagen nimmt die Velo-Nutzung ab und das Auto ist immer noch sehr beliebt. Jetzt handelt die Stadt. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Das steckt hinter der neuen Paketsteuer in Barcelona – und darum sind E-Fuels teuer und ineffizient.
von Stefan Ehrbar
10. März 2023
In Kopenhagen steigt die Autonutzung
In der europäischen Velo-Metropole Kopenhagen stieg zuletzt die Nutzung des Autos als Verkehrsmittel. Warum das so ist und wie die Stadt darauf reagiert, hat die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» in einem Interview mit der Umweltbürgermeisterin Line Bafod ergründet.
Seit einiger Zeit stagniere der Anteil der Velofahrten am gesamten Verkehrsaufkommen, zuletzt sei er sogar ein wenig zurückgegangen, sagt sie. «Ein Teil der Erklärung ist nach meiner Überzeugung, dass es häufig an den passenden Abstellplätzen fehlt. Gerade die teuren E-Bikes und Lastenräder will niemand ohne eine vernünftige Sicherung an den Strassenrand stellen.» Barfod sagt, die Stadt wisse, «dass es vielen Leuten vor allem auf vergleichsweise kurzen Wegen für Besorgungen innerhalb der Stadt schwerfällt, auf ihr Auto zu verzichten. Und da spielt das Chaos, das zu manchen Zeiten rund um die Fahrradstellplätze herrscht, ganz bestimmt eine Rolle.»
Daneben habe Kopenhagen aber auch das U-Bahn-Netz stark ausgebaut. Es gebe Leute, die nun die U-Bahn für viele Strecken nutzten, die sie früher mit dem Velo zurücklegten.
Laut Barfod sollen die Leute aber nicht vom Velo auf die U-Bahn, sondern vom Auto auf die U-Bahn wechseln. Nun errichtet die Stadt an den Endstationen der U-Bahn Bike-Sharing-Stationen.
Zudem werden im Zentrum von Kopenhagen viele Autoparkplätze abgebaut. Ein Drittel der bisherigen Parkplätze soll künftig für Carsharing-Autos, für Handwerker und Lieferanten reserviert werden. Das zweite Drittel soll unverändert bestehen bleiben, das dritte Drittel wird gestrichen.
Die freiwerdenden Flächen sollen genutzt werden, um Bäume zu pflanzen und Platz für Busse zu schaffen. Zudem sollen neue Abstellplätze für Velos gebaut werden.
Wer unbedingt mit dem Auto in die Altstadt fahren wolle, finde dort in Parkhäusern über 4000 Parkplätze, so Barfod, die der sozialistischen «Einheitsliste» angehört, der grössten Fraktion im Parlament der Stadt.
Dass der Parkplatzabbau negative Folgen für das Gewerbe hat, glaubt sie nicht. Es gebe zwar Veränderungen im Einzelhandel, wenn der Autoverkehr abnehme. Insgesamt aber werde es für Händler eher besser als schlechter. Dem jetzigen Vorhaben sei ein testweiser Abbau von Parkplätzen und eine Befragung von Händlern vorangegangen. Diese hätten dem Abbau danach zugestimmt, sofern die Warenanlieferung möglich bleibe.
Während Kopenhagen in Sachen Veloverkehr als Vorbild gilt, ist die Autonutzung höher als in Schweizer Städten und die ÖV-Nutzung tiefer. In Kopenhagen werden derzeit 31 Prozent aller Wege mit dem Auto zurückgelegt. Bis ins Jahr 2025 soll der Anteil des ÖV zudem auf 25 Prozent steigen.
Zum Vergleich: Bei der letzten Erhebung vor einigen Jahren betrug der ÖV-Anteil in Zürich 41 Prozent der zurückgelegten Wege und jener des Autos 25 Prozent. In Basel betrug der ÖV-Anteil 32% und der Auto-Anteil 30%, in Bern betrug der ÖV-Anteil 38% und der Auto-Anteil 30% (siehe Mobimag-Bericht zum Thema).
Das steckt hinter der Paketsteuer in Barcelona
Die spanische Metropole Barcelona führt eine sogenannte Zustellabgabe für den Onlinehandel ein. Post- und Paketdienstleister und Onlinehändler, die selbst ausliefern, müssen künftig 1,25 Prozent der Bruttoerlöse von Lieferungen von Waren und Paketen in die Stadt abgeben.
Nicht davon betroffen sind Lieferungen an Geschäftskunden und an Packstationen. Es gibt einige Ausnahmen der neuen Steuer: So soll sie nur für Postdienstleister mit einem Bruttojahreseinkommen von mehr als 1 Million Euro gelten. Laut dem Portal t3n.de befürchten Handelsexperten zudem, dass die Regelung Spielraum biete, um umgangen zu werden.
Die Stadt rechnet mit Mehreinnahmen von 2,6 Millionen Euro pro Jahr. Diese sollen in den Strassenbau investiert werden. Die Idee der neuen Abgabe ist es, den Verkehr zu reduzieren und die Luftqualität zu erhöhen. Zudem soll sie helfen, die geltenden Luftverschmutzungs-Grenzwerte einzuhalten.
Laut dem Artikel von t3n.de passt die Abgabe gut zur Stadtplanung in Barcelona. Die dortigen Superblocks seien «ein vernünftiger stadtplanerischer Ansatz, um weniger Individualverkehr in den Stadtteilen zu haben».
Unter einem Superblock werden in Barcelona Gebiete verstanden, die bis zu neun Häuserblocks umfassen und innerhalb derer Fussgänger und Velofahrer Vorrang haben. Das im Jahr 2016 von der Stadtverwaltung entworfene Konzept gilt mittlerweile als Vorbild. Auch Verkehrspolitiker aus der Schweiz berufen sich oft auf das Superblock-Konzept.
«Anders als von vielen Kritiker:innen befürchtet, hat das Konzept nicht zu einem Geschäftssterben geführt – die Anzahl der lokalen Läden stieg sogar um 30 Prozent», heisst es im Artikel. Dass die Abgabe demnächst auch hierzulande oder in Deutschland eingeführt wird, gilt aber als unwahrscheinlich. Offen ist auch die Frage, ob diese kleine und mittelgrosse Händler bestraft, die sich im Internet ein Geschäft aufgebaut haben, wie der deutsche Bundesverband E-Commerce und Versandhandel befürchtet.
Darum sind E-Fuels ineffizient
Kommt das Verbrenner-Verbot ab 2035 in der Europäischen Union (EU) wirklich? Die Massnahme steht auf der Kippe, denn der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will das Gesetz nicht ohne Ausnahme für E-Fuels unterschreiben. Verbrennungsmotoren sollen auch nach 2035 zugelassen werden, wenn diese ausschliesslich mit diesen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden können, fordert er.
Doch sind die E-Fuels auch tatsächlich eine gute Alternative? Ulf Neuling, Projektleiter für Kraftstoffe beim Thinktank Agora Verkehrswende ist skeptisch, wie er im Interview mit n-tv.de darlegt.
Synthetische Kraftstoffe seien energieintensiv und teuer in der Herstellung. «Den Wasserstoff, der dafür benötigt wird, brauchen andere Sektoren dringender», sagt Neuling. Elektrofahrzeuge seien die effizienteste Option.
Beim EU-Gesetzesentwurf gehe es nur um die Inkraftsetzung neuer Autos ab 2035, nicht um Bestandesfahrzeuge. Für diese müsse natürlich eine Lösung gefunden werden, und für diese seien E-Fuels auch eine gute Möglichkeit, so Neuling. Für neu zugelassene Autos ab 2035 sei dies nicht der Fall.
«Synthetische Kraftstoffe werden uns auf Dauer nur in geringen Mengen zur Verfügung stehen. Diese können sinnvoller in der Luft- und Schifffahrt eingesetzt werden, wo es wenig Alternativen gibt. Flugzeuge, insbesondere für Langstreckenflüge, werden in Zukunft nicht mit Batterien betrieben werden können», so Neuling.
Zudem seien E-Fuels für Autos sehr ineffizient. «Sie benötigen etwa vier- bis fünfmal so viel Strom wie ein Elektrofahrzeug. Warum sollten wir also hier E-Fuels einsetzen, wenn wir sie anderswo besser nutzen können?»
Auch gebe es nur wenige Anlagen, die E-Fuels herstellen. Diese produzierten ein paar 100 Liter pro Tag, also weniger als 0,1 Prozent des Verbrauchs in Deutschland.
Um die Produktion hochzufahren, müssten laut dem Verkehrsexperten erst einmal neue Anlagen gebaut werden. Danach brauchten diese viel erneuerbaren Strom und Wasserstoff – und damit würden E-Fuels auf lange Sicht knapp und teuer bleiben.
Es gebe auch nur wenig Möglichkeiten, die Effizienz von E-Fuels zu steigern. «Verfahren zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen gibt es schon seit mehr als 100 Jahren», so Neuling. «Ursprünglich wurden sie erfunden, um während des Zweiten Weltkriegs synthetische Kraftstoffe aus Kohle herzustellen. Es handelt sich also um eine bekannte, ausgereifte Technologie. Es wird vielleicht einige Prozent Effizienzsteigerung geben, aber das ist nicht viel.»
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