«ÖV-Nachfrage erholt sich weniger schnell als erwartet»: Das steckt hinter der pessimistischen ZVV-Prognose

Droht im ZVV eine Preiserhöhung? Bild: Claudio Schwarz / Unsplash

«Die Nachfrage im öffentlichen Verkehr erholt sich weniger schnell als erwartet», schreibt der Kanton Zürich in einem aktuellen Dokument – und warnt vor Mehrkosten. Das könnte Einfluss auf die Ticketkosten haben: Dieses Thema werde «wieder präsenter», sagt ein Sprecher des ZVV.

von Stefan Ehrbar
20. September 2022

Es ist ein erstaunlicher Satz, den der Zürcher Regierungsrat in seinem Beschluss zur Festsetzung des Budgets des nächsten Jahres formuliert hat. Trotz steigender Passagierzahlen und gefühlter Normalität heisst es im Bericht, der am 9. September publiziert wurde: «Die Nachfrage im öffentlichen Verkehr erholt sich weniger schnell als erwartet».

Zudem warnt der Kanton respektive der für den ÖV zuständige Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) vor höheren Ausgaben. «Verschiedene, mehrheitlich exogene Faktoren führen zu Mehrkosten beim ZVV», heisst es. «Dazu gehören insbesondere eine höhere Teuerung, ein massiver Anstieg bei den Treibstoffpreisen sowie zusätzliche Aufwendungen für die Elektrifizierung der Fahrzeugflotten zur Sicherstellung der Dekarbonisierungsstrategie.»

Was steckt hinter der pessimistischen Prognose – und was bedeuten die Mehrausgaben für die Ticketpreise? ZVV-Sprecher Thomas Kellenberger nimmt auf Anfrage von Mobimag Stellung.

Vorab sei festzuhalten, dass die finanziellen Planungen für den Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan (KEF) beziehungsweise das Budget aufgrund der Pandemie und ihren unmittelbar durchschlagenden Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr «sehr anspruchsvoll und fast unberechenbar geworden sind». Zudem wiesen diese Planungen sehr lange Vorlauffristen auf, so dass teilweise auf Grundlagen und Annahmen abgestellt werde, «die im Kontext der dynamischen Entwicklung der Pandemie sehr schnell wieder überholt sein können beziehungsweise es auch tatsächlich waren».

So sei in der vorhergehenden KEF-Planung die letzte Pandemiewelle im Herbst/Winter 2021/2022 noch nicht vorhergesehen oder einkalkuliert gewesen. «Diese hatte nochmals einen massiven Einfluss auf die Nachfrage im öffentlichen Verkehr und auch die Verkehrserträge. Umgekehrt nahm die Erholung im Anschluss daran einen steileren Verlauf als noch im Rahmen unserer Strategie 2024-2027 angenommen.» 

Mittlerweile halte sich der ZVV deshalb eher zurück. «Aufgrund all dieser Unsicherheiten nehmen wir inzwischen Abstand von solchen unsicheren und unverbindlichen Prognosen und Aussagen», sagt Kellenberger. «Wir gehen weiterhin davon aus, dass der absolute Höchststand vor der Pandemie Ende 2019 aufgrund des qualitativ hochstehenden Verkehrsangebots, in welches weiter investiert wird, sowie des Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Mobilitätswachstums wieder erreicht und in der Folge auch übertroffen wird.» Wann das genau der Fall sein werde, hänge aber von «sehr vielen dynamischen, nicht beeinflussbaren Faktoren ab».

Was die Preisentwicklung betreffe, bestünden nun auch noch auf der Kostenseite Unsicherheiten. Insbesondere der Kosteneffekt aufgrund der Teuerung sei schwierig vorherzusehen. Aber auch die Entwicklung der Treibstoff- und Energiepreise beobachte der ZVV mit Sorge. Zwar seien die Treibstoffkosten zuletzt wieder etwas gesunken, aber Prognosen seien unmöglich. In der vorliegenden Planung seien deshalb für das Budgetjahr 2023 insgesamt rund 25 Mio. Franken als Mehrkosten eingerechnet.

Dass die Nutzer einen Beitrag dazu leisten müssen, will Kellenberger nicht ausschliessen. Per Ende 2022 wird es zwar keine Preiserhöhung geben. Aber: «In der jetzigen Situation mit einer hohen Teuerung wird nach sieben Jahren ohne Tariferhöhungen auch dieses Thema wieder präsenter.» Auf jeden Fall werde es eine Vernehmlassung bei allen Zürcher Gemeinden geben, welche die Hälfte des Defizits des ZVV tragen. Der Start dieser Vernehmlassung werde öffentlich kommuniziert.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren