Mehr Effizienz durch smarte Mobilität: Die Verkehrswende erfordert Vernetzung – auch bei der Finanzierung (Gastbeitrag) 🆓

Ist die aktuelle ÖV-Finanzierung noch zeitgemäss? Bild: teapowered/Unsplash

Die Schweiz, ein Land, das für seine Effizienz, seine Innovationskraft und seinen weltmeisterlichen öffentlichen Verkehr bekannt ist, steht im Bereich der Mobilität an einem Scheideweg. Der traditionelle Ausbau der Infrastruktur mit Beton droht aus der Zeit zu fallen. Ein Umdenken braucht es auch bei der Finanzierung, schreiben Tobias Bowald und Philipp Elbert.

von Tobias Bowald und Philipp Elbert*
12. Dezember 2023

In einer Welt, in der die Schlagworte Nachhaltigkeit, CO2-Neutralität bis 2050 und Verkehrswende zunehmend an Brisanz gewinnen, stellt sich die Frage, ob der traditionelle Ansatz des Strassen- und Schienenausbaus – also Teer, Beton und Stahl – als gebetsmühlenartige Antwort auf alle Verkehrsprobleme noch zukunftstauglich ist. Die Schweizerische Südostbahn (SOB) und Q_PERIOR haben daher gemeinsam einen Denkanstoss erarbeitet: Die Zukunft erfordert eine ganzheitliche Betrachtung, insbesondere in Bezug auf die Finanzierung der physischen und digitalen Verkehrsinfrastruktur – unabhängig davon, ob der Verkehr auf der Strasse oder auf der Schiene stattfindet.


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Der Verkehrssektor in der Schweiz steht vor grossen Herausforderungen. Rund 40 Prozent der inländischen CO2-Emissionen und der Siedlungsfläche gehen auf das Konto des Verkehrs – eine Trendwende ist nicht in Sicht. Und dies, obwohl die Möglichkeiten für vernetzte und intelligente Mobilität in den letzten Jahren gefühlt exponentiell gewachsen sind. Von intelligenter Routenplanung über intelligente Verkehrssteuerung bis hin zu kombinierten und geteilten Mobilitätslösungen gibt es zahlreiche innovative Ansätze für einen effizienteren Verkehr. Wie kann die Schweiz diese Herausforderungen erfolgreich meistern und eine nachhaltige sowie effiziente Mobilität gestalten?

Smart Mobility: Eine Lösung mit Potenzial

Smart Mobility zielt darauf ab, durch die integrale Vernetzung von öffentlichem und individuellem Verkehr sowie durch ergänzende Sharing- und On-Demand-Angebote ein effizienteres Verkehrssystem zu schaffen und die bestehende Verkehrsinfrastruktur optimal zu nutzen. Ermöglicht wird dieses Zielbild durch eine ausgeklügelte digitale Infrastruktur. Smart Mobility hat damit das Potenzial, Verkehrsströme zu optimieren, Stosszeiten zu entschärfen und die Auslastung von Verkehrsmitteln zu verbessern. Insgesamt kann Smart Mobility mittels vernetzter Betrachtung der verschiedenen Transportmodi sowie der Nutzung digitaler Hilfsmittel ein besseres und kundenorientierteres Mobilitätsangebot basierend auf der bestehenden Verkehrsinfrastruktur bereitstellen – sowohl finanziell als auch in Bezug auf Umweltauswirkungen und Flächenbedarf.


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Doch warum werden auf allen staatlichen Ebenen lieber wertvolle Landflächen geopfert und Milliarden für neue Strassen ausgegeben, wie zum Beispiel für den geplanten Ausbau der A1 auf sechs Spuren, anstatt die bestehende Verkehrsinfrastruktur effizienter zu nutzen? Und warum betont Bundesrat Albert Rösti als Vorsteher des UVEK, an der dritten Nationalen Mobilitätskonferenz vor der versammelten Schweizer Mobilitätsbranche, dass es beim Ausbau der Verkehrsträger «kein Entweder-oder, sondern nur ein Sowohl-als-auch» gebe, lässt aber die damit einhergehenden Auswirkungen auf das Klima unerwähnt und schenkt auch den Chancen der Digitalisierung kaum Beachtung?

Ein wesentlicher Grund für das Fehlen einer durchgängigen Gesamtsystembetrachtung und die nur sehr zögerliche Entwicklung smarter Mobilitätslösungen liegt in den bestehenden staatlichen Finanzierungsmodellen, die den Verkehr in «Silos» aufteilen und zudem den Bau und Unterhalt der Verkehrsträger in den Vordergrund stellen. Strassen- und öV-Infrastruktur werden getrennt betrachtet und finanziert. Diese Trennung schafft wenig Anreize für eine effiziente und vernetzte Nutzung der vorhandenen Infrastruktur und fördert einen übermässigen Ausbau. Effizientere Smart-Mobility-Lösungen (sowohl infrastruktur- als auch angebotsseitig) sind in diesem Rahmen nur schwer oder unter sehr spezifischen Bedingungen (z. B. als zeitlich begrenzte Pilotprojekte) finanzierbar.

Aktuelle Struktur der staatlichen Finanzierung des Verkehrssystems (Quelle: Q_Perior)

Die Ineffizienz des Silo-Denkens

Die Trennung der Finanzierungstöpfe für die einzelnen Verkehrsträger führt dazu, dass Lösungen weiterhin separiert und unabhängig voneinander entwickelt werden. Dies führt zu einer unzureichenden Auslastung der Verkehrsträger und zu einem übermässigen Ausbau der einzelnen Verkehrsinfrastrukturen – also zu einem ineffizienten Gesamtsystem, da Vernetzungspotenziale ungenügend genutzt werden. Um diese Potenziale zu heben, müssen tradierte Denkmuster und Mechanismen – sowohl in Politik und Verwaltung als auch in der Bevölkerung – aufgebrochen werden.

Zukunftstaugliche Mobilität durch vernetzte Finanzierung

Die Lösung liegt nicht in der Schaffung weiterer Finanzierungssilos für neuartige Mobilitätsangebote oder für Mobilitätsdateninfrastrukturen. Vielmehr gilt es, den Verkehr als vernetztes Gesamtsystem zu betrachten und die vorhandenen Mittel sowohl auf der Angebots- als auch auf der Infrastrukturseite integriert und optimal zu nutzen. Sinnvoller wäre es, die fragmentierte Finanzierungsstruktur zu überwinden und flexiblere Finanzierungsmöglichkeiten für Mobilitätslösungen und Verkehrsinfrastrukturen zu schaffen, denn die Zweckbindung von Finanzierungsmöglichkeiten verhindert den optimalen Einsatz von Steuergeldern.

Alle bestehenden Fördertöpfe durch einen einzigen, übergreifenden nationalen Mobilitätsfonds zu ersetzen und so ein intelligentes und vernetztes Mobilitätsökosystem zu finanzieren, könnte den Weg zu einem hocheffizienten Verkehr ebnen. Dieser Fonds würde bewährte und innovative öffentliche sowie private Mobilitätsangebote fördern, die Entwicklung und den Betrieb physischer und digitaler Infrastrukturen sicherstellen und so Steuergelder optimal einsetzen. Im Einklang mit dem Programmteil des Sachplans Verkehr «Mobilität und Raum 2050» würde dieses strategische Instrument des Bundes für die koordinierte Entwicklung des Gesamtverkehrssystems Schweiz (Strasse, Schiene, Luft- und Schifffahrt) um die fehlende Komponente der Gesamtfinanzierung ergänzt.

Zukunftsvision zur Finanzierung eines smarten und vernetzten Mobilitätsökosystem mit physischer und digitaler Infrastruktur (Quelle: Q_PERIOR)

Eine nachhaltige Reduktion der monetären und klimarelevanten Belastungen des Verkehrssektors erfordert grundlegende strukturelle Veränderungen der Finanzierungsmechanismen. Nur so ist die ganzheitliche Planung und effiziente Entwicklung des gesamten Mobilitätssystems möglich. Wenn wir die Mobilität in der Schweiz neu denken und intelligent vernetzen, können wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Mobilität machen. Es ist an der Zeit, die Chancen von Smart Mobility voll auszuschöpfen, damit die Schweiz auch in Zukunft weltweit für ihr zukunftsweisendes Mobilitätssystem bewundert wird.

* Tobias Bowald ist Mobilitätsexperte bei Q_PERIOR und seit über zehn Jahren im Entwicklungs- und Innovationsumfeld in der Mobilitätsbranche tätig. Als langjähriger Projektleiter bei der SBB entwickelte er operative Bereiche der Bahn weiter und prägte Vorhaben rund um die Mobilität der Zukunft. Heute berät er Unternehmen, Behörden und öffentliche Organisationen zu Digitalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit im Kontext von Mobilität sowie zu Mobilitätsdaten und -plattformen. Bei Schrittmacher.in engagiert er sich für eine nachhaltige Mobilität der Zukunft.

Dr. Philipp Elbert ist Experte für Digitalisierung bei Q_PERIOR und unterstützt Mobilitätsanbieter sowie Verkehrsbetriebe bei der Digitalisierung und Einführung neuer, nachhaltiger Technologien. Er kombiniert als promovierter Ingenieur Fachwissen aus dem Maschinenbau und Informatik mit seiner langjährigen Erfahrung in der Mobilitätsbranche. Er doziert zu Antriebssystemen an der ETH Zürich.



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