So schneiden Schweizer Städte und Agglos im europaweiten Vergleich bei den Elektroautos ab: Sie sind alles andere als Vorbilder

Elektroautos sind in Schweizer Städten seltener als anderswo. Bild: Severin Demchuk / Unsplash

Wie hoch ist der Anteil von Elektroautos in Schweizer Städten und Agglomerationen im Vergleich zu Europa – und wie sieht es mit der Infrastruktur aus? Neue Daten zeigen: Die hiesigen Städte schneiden schlecht ab. Nicht nur die nordischen Ländern, sondern auch viele deutsche, englische oder niederländische Städte sind voraus.

von Stefan Ehrbar
20. Juni 2023

Rein elektrisch betriebene Fahrzeuge machen einen immer grösseren Anteil der Neuzulassungen aus. Im Jahr 2022 waren es in der Schweiz 17,8 Prozent, ein Jahr zuvor war dieser Wert bei 13,3 Prozent gelegen. In der Schweiz hat sich das Wachstum bei den Neuzulassungen zuletzt allerdings verlangsamt (Mobimag berichtete).

Die Adaption von neuen Technologien geht häufig von den grossen Städten aus. Wie stehen also die Schweizer Städte und Agglomerationen im Bereich Elektroautos im Vergleich zu anderen europäischen Städten da?

Das International Council on Clean Transportation (ICCT) ist dieser Frage nachgegangen und hat dafür knapp 50 Regionen in Europa auf den Anteil der Elektroautos an Neuzulassungen und den Stand der Ladeinfrastruktur untersucht. 

Aus der Schweiz wurden die Städte Zürich, St. Gallen und Lausanne mit ihren Agglomerationen für die Analyse berücksichtigt. Das ICCT greift auf Zahlen des Jahres 2021 zurück.

Mobimag hat den ICCT-Report analysiert. Er stellt den Schweizer Städten kein gutes Zeugnis aus – besonders, wenn die hohe Kaufkraft hierzulande berücksichtigt wird.

Diese würde es eigentlich mehr Menschen ermöglichen, Elektroautos zu kaufen, die in den letzten Jahren noch teurer waren als klassische Verbrenner-Autos. Doch davon ist wenig zu spüren in den Zahlen.

So lag der Anteil von elektrisch betriebenen Autos (BEV) und Plug-In-Hybriden (PHEV) zusammengerechnet in Zürich und Umgebung Ende 2021 bei etwa 28 Prozent –und damit nicht nur hinter Oslo, Stockholm und Göteborg, sondern auch hinter Paderborn, Stuttgart, Bristol, Kopenhagen und Amsterdam. St. Gallen kam auf etwa 25 Prozent und wurde damit auch von Manchester und Salzburg überflügelt. Lausanne mit seinen etwa 23 Prozent wiederum lag auch hinter Marseille und Coimbra.

Es ist nicht so, dass hierzulande dafür besonders viele Autos rein elektrisch betrieben wären. Auch in einer Betrachtung ohne Plug-In-Hybride würden die untersuchten Städte nur Plätze im Mittelfeld belegen.

So schneiden europäische Agglomerationen im Elektroauto-Vergleich ab. Bild: ICCT

Immerhin: Alle drei Schweizer Städte liegen deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Wird die Europa-Karte der Neuzulassungen von Elektroautos betrachtet, zeigt sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle (und eine deutlich tiefere Adoption im Osten Europas).

«Während sich die Einführung von Elektroautos in den nördlichen Metropolregionen beschleunigte, lag der Anteil der BEV und PHEV in den meisten süd- und mitteleuropäischen Regionen unter 10%», heisst es im Bericht. «Die EV-Hauptstädte Europas – Oslo, London, Stockholm und Amsterdam – hatten einen höheren Anteil an E-Fahrzeugen als ihre jeweiligen Länder. In grossen Metropolregionen in Deutschland verdoppelte sich der kumulierte Absatz von E-Fahrzeugen, obwohl die meisten neuen E-Fahrzeuge in den westlichen Regionen des Landes konzentriert waren.»

Anteil der Elektroauto-Neuzulassungen. Bild: ICCT

Dass die Schweiz vergleichsweise schlecht abschneidet, dürfte einerseits damit zu tun haben, dass es in den erwähnten Agglomerationen keine direkte finanzielle Förderung von Elektroautos gab, wie sie etwa in Deutschland bis Ende 2022 Tatsache war. Ein anderer Grund dürfte aber auch die vergleichsweise schlechte Ladeinfrastruktur sein. Insbesondere in Mietüberbauungen – und hierzulande wohnt ein sehr hoher Teil der Menschen zur Miete – ist dies ein Problem. Eine Motion, welche ein «Recht auf Laden» forderte, wurde im Nationalrat gerade erst im Frühling ergebnislos abgeschrieben.

Das Problem der Lademöglichkeiten zeigt sich auch in der Zahl der öffentlich zugänglichen Ladestationen. Gemäss ICCT-Bericht waren es per Ende 2021 in den Niederlanden 90’000 Stück, in Deutschland über 60’000, in Frankreich knapp 50’000 und in Grossbritannien knapp 40’000. Zum Vergleich: in der Schweiz waren es gemäss Daten von Statista im Jahr 2021 gut 8000 öffentlich zugängliche Ladestationen. Das einwohnermässig ähnlich grosse Österreich kam auf fast 20’000, das einwohnermässig viel kleinere Norwegen auf über 20’000. 

Wenn die Schweiz in Sachen Elektroautos künftig vorne mitspielen will, dann führt kein Weg am raschen und intensiven Ausbau dieser Infrastruktur vorbei.

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