
In den Carsharing-Markt kommt Bewegung. Der Autoverkäufer Amag lanciert ein neues Angebot. Seine Preise sind tiefer als beim dominierenden Anbieter Mobility. Dieser sucht angesichts zunehmender Konkurrenz nach neuen Einnahmequellen etwa mit einem Ridepooling-Angebot – und muss einen Rückschlag einstecken.
von Stefan Ehrbar
7. November 2023
In der Schweiz hat Carsharing eine Farbe: rot. So lackiert Mobility fast alle ihrer knapp 3000 Fahrzeuge. Der im Jahr 1997 durch eine Fusion entstandenen Genossenschaft ist hierzulande im Markt der geteilten Autos nie ernsthaft Konkurrenz erwachsen. Das ändert sich nun.
Der Autohändler Amag, das grösste Automobilunternehmen der Schweiz, lancierte vor einem Monat den Carsharing-Dienst Ubeeqo neu. Dabei handelt es sich um eine Marke des französischen Autovermieters Europcar. Amag ist hiesige Lizenznehmerin von Europcar und bringt nun auch Ubeeqo auf den Markt. Um eine Neulancierung handelt es sich, weil der Autohändler schon im Mai 2020 einen ersten Anlauf wagte.
Doch damals, mitten in der Coronapandemie, wollten die Leute von geteilten Autos nichts wissen und der Angriff auf Mobility versandete. Das soll dieses Mal anders sein. Statt in Genf, Lausanne, Basel, Bern und Zürich gleichzeitig zu starten wie vor dreieinhalb Jahren, fokussiert sich die Amag mit Ubeeqo nun vollumfänglich auf die Stadt Zürich, stellt dort aber bedeutend mehr Fahrzeuge bereit. Weitere Städte sollen erst später folgen, sagt Amag-Sprecherin Marie-Therese Zell.
Die Autos von Ubeeqo sollen in zentrale Wohngebiete platziert werden. «Ubeeqo verzichtet bewusst auf Sammel-Parkplätze und konzentriert sich auf Einzel-Aussenparkplätze in den dicht besiedelten Wohngegenden von Zürich», sagt Zell. Das Angebot sei voll digitalisiert und rund um die Uhr verfügbar. Fahrzeuge könnten auch stundenweise gebucht werden. Wie ein Blick auf die Website von Ubeeqo zeigt, werden derzeit 19 Standorte in Zürich angeboten, zwei weitere sollen demnächst folgen.
Allerdings hat auch Mobility in der Stadt Zürich ein dichtes Angebot in den Wohnquartieren. Weit über 200 Standorte mit verschiedenen Fahrzeugen zeigt die Karte von Mobility auf dem Stadtgebiet an. Auch das Angebot des Platzhirsches ist zudem rund um die Uhr verfügbar. Punkten kann Ubeeqo hingegen beim Preis. Dieser liegt in den meisten Fällen unter jenem von Mobility.
Wer kein Abo besitzt, bezahlt bei Ubeeqo für ein Fahrzeug der kleinsten Kategorie 2.90 Franken pro Stunde oder 58 Franken für 24 Stunden. Hinzu kommen 0.63 Rappen pro Kilometer für die ersten 100 Kilometer und danach 50 Rappen pro Kilometer. Mobility verlangt hingegen für ein Auto der kleinsten Kategorie und ohne Mitgliedschaft 3 Franken pro Stunde oder 95 Franken für 24 Stunden, wobei bei diesem Preis 100 Kilometer inklusive sind. Pro Kilometer werden 65 Rappen fällig, hinzu kommt eine Gebühr von 2.50 Franken pro Fahrtantritt.
Wer etwa ein Auto für drei Stunden mietet und 50 Kilometer zurücklegt, bezahlt bei Ubeeqo 40.20 Franken und bei Mobility 44 Franken. Nicht eingerechnet ist bei Mobility eine Aktivierungsgebühr in der Höhe von 39.90 Franken, die Kundinnen und Kunden ohne Abo einmalig bezahlen müssen.
Beide Anbieter offerieren zudem eines respektive verschiedene Abomodelle. Auch bei diesen unterbietet Ubeeqo die Genossenschaft in den meisten Fällen preislich. Bis Mitte 2024 will Ubeeqo die Flotte verdreifachen. Neben einem Angebot für Privatkunden unterhält Ubeeqo auch eines für Firmenkunden, das in der ganzen Schweiz verfügbar ist.
Wie viel Umsatz Ubeeqo schreibt und wie viele Kundinnen und Kunden das Angebot nutzen, will Sprecherin Marie-Therese Zell nicht verraten. Die Autos in Zürich würden aber schon «mehrfach täglich» ausgeliehen, die Kundenzahl steige. Ubeeqo agiere als Start-Up innerhalb von Amag. Das Team bestehe zurzeit aus zehn Mitarbeitenden, operativ könne man auf über 400 Mitarbeitende von Amag Services zurückgreifen.
Dass die Amag in der Stadt Zürich ein neues Carsharing-Angebot lanciert, begründet sie auch damit, dass die Bevölkerung dort zwar stetig zunehme, Parkplätze aber abgebaut würden. Gleichzeitig wandle sich Mobilität: Ein Auto nur zu nutzen statt auch zu besitzen, sei immer akzeptierter. Gerade in Städten verzichteten immer mehr Menschen auf ein eigenes Fahrzeug. Carsharing konkurrenziert laut Zell nicht den ÖV, sondern bietet die Möglichkeit, auf das eigene Auto zu verzichten.
Tatsächlich haben in Zürich, aber auch in Bern und Basel seit einigen Jahren die meisten Haushalte kein eigenes Auto mehr. Für viele ist es bei gut ausgebautem ÖV und der Möglichkeit, in der nahen Umgebung Dinge mit dem Velo oder zu Fuss zu erledigen, ein unnötiger Kostenfaktor. Das Bedürfnis, gelegentlich ein Auto zu nutzen, ist aber dennoch vorhanden.
Gleichzeitig ist die Bevölkerungsdichte in Städten hoch und Carsharing-Anbieter können dort viele Ausleihen pro Tag und Standort realisieren. In Deutschland etwa fokussieren sich die meisten Anbieter deshalb auf die Grossstädte. Dass ein Anbieter wie Mobility relativ grossflächig und auch auf dem Land Fahrzeuge zur Verfügung stellt, ist eine Ausnahme.
Angesichts der Grössenverhältnisse dürfte Mobility schweizweit noch länger unangefochten an der Spitze stehen, auch wenn die Konkurrenz zuletzt gewachsen ist. So lancierte der Autovermieter Enterprise den Dienst Enterprise Go: An verschiedenen Standorten in der Schweiz können Mietautos online und stundenweise gebucht werden – zum Teil für gerade einmal gut 50 Franken pro Tag mit unbegrenzter Kilometerzahl.
Zudem ist seit knapp zwei Jahren auch die dänische Firma Gomore in der Schweiz aktiv. Sie ermöglicht es Privaten, ihr Auto über eine App zu vermieten – auf Wunsch mit einer digitalen Schlüsselbox, die die persönliche Schlüsselübergabe überflüssig macht. Im Frühjahr gab Gomore-Schweiz-Chefin Burcu Biçer im Mobimag-Interview bekannt, dass über 2000 Autos hierzulande verfügbar sind, bis Ende Jahr sollen es 3500 sein.
Mobility hingegen suchte sein Glück zuletzt in neuen Geschäftsfeldern. In Zürich lancierte die Genossenschaft im April den Mitfahrdienst i&any, eine Art geteiltes Taxi, das sich über eine App bestellen liess. Die Fahrzeuge waren zwischen Donnerstag und Sonntag jeweils von 18 Uhr bis 4 Uhr morgens unterwegs. Gegen die bestehenden Angebote und wohl vor allem den ÖV kam Mobility damit aber nicht an. Das Angebot wurde Ende Oktober bereits wieder eingestellt.
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