Mehr Passagiere am Abend als am Morgen und mittags ist der Samstag am stärksten: So sieht der Tagesgang einer Zürcher Tramlinie aus

Die Abendspitze ist mittlerweile deutlich höher als jene am Morgen. Bild: Mobimag

Seit der Coronakrise hat sich das Verhalten der Kundinnen und Kunden im öffentlichen Verkehr geändert. Am Montag sind die Züge und Busse beispielsweise noch voller, am Freitag hingegen deutlich schlechter besetzt. Mobimag hat die Besetzung einer Tramlinie in 30-Minuten-Schritten analysiert – mit erstaunlichen Resultaten. 

von Stefan Ehrbar
18. Dezember 2023

Die Coronakrise hatte langfristige Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten der Menschen – etwa, weil mehr Homeoffice gemacht wird und Pendelwege entfallen, dafür aber auch mehr Menschen in der Freizeit mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs sind.

Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) hat untersucht, wie sich der sogenannte Wochengang verändert hat, an welchen Werktagen also wie viele Menschen in den S-Bahnen, Bussen und Trams unterwegs sind. Am Montag, Dienstag und Donnerstag waren im letzten Jahr mehr Menschen mit dem ÖV unterwegs als im Jahr 2019 und damit vor Corona, am Mittwoch und Freitag hingegen deutlich weniger.

Das dürfte nicht zuletzt mit dem Homeoffice zu tun haben. Diese Möglichkeit wird an Freitagen häufiger genutzt als an anderen Wochentagen – und ist besonders in einem Kanton wie Zürich mit seinen vielen Dienstleistungsbetrieben relevant.

Die Zahlen des ZVV zeigen aber nur ein sehr grobes Bild für die einzelnen Wochentage. Mobimag hat deshalb ausgehend von öffentlich verfügbaren Daten der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) die Besetzung einer Tramlinie in der Stadt Zürich in 30-Minuten-Abschnitten vom 1. Januar bis 15. September 2023 analysiert.

Die Daten wurden jeweils separat ausgewertet für die Perioden Montag-Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag und in interaktiven Grafiken zusammengefasst. Analysiert wurde die Tramlinie 11, welche die nachfragestärkste der Stadt Zürich ist. Untersucht wurde der Abschnitt zwischen Stampfenbachplatz und Bahnhofquai/HB in beide Richtungen. Dies, weil es sich dabei um einen der meistgenutzten Abschnitte der Linie handelt und so angeschaut werden kann, wann die Menschen in Richtung Hauptbahnhof unterwegs sind und wann sie von dort wieder zurückkommen.

Das Tram kommt auf dieser Strecke von Oerlikon und dem Bucheggplatz respektive fährt dahin. Ein erwartbarer Tagesgang wäre also, dass Menschen morgens in Richtung HB respektive Innenstadt fahren und am Abend von dort wieder zurück, zumindest für die Arbeit. 

In die Richtung zum HB zeigt sich denn auch, dass wochentags zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine erste Spitze erreicht wird. Dann transportiert die Tramlinie 261 Personen zwischen Stampfenbachplatz und HB. Diese Spitze ist allerdings deutlich kleiner als jene am Abend: Zwischen 17 Uhr und 17.30 Uhr sind durchschnittlich 345 Menschen in den Trams dieser Linie unterwegs, am Freitag gar 362.

Ebenfalls auffällig: Zwischen 12.30 Uhr und 15 Uhr ist der Samstag der stärkste Tag. Am späten Abend zwischen 0 Uhr und 0.30 Uhr sind an Freitagen und Samstagen etwa sechsmal mehr Passagiere im Tram unterwegs als an Wochentagen und am Sonntag, was sich mit dem Ausgehverhalten erklären lässt.

In der Gegenrichtung zeigt sich ein ähnliches Bild. 

Die Morgenspitze ist mit 281 Passagieren zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr zwar etwas höher als in die Gegenrichtung - und Montag bis Donnerstag deutlich stärker ausgeprägt als am Freitag, was mit dem erwähnten Homeoffice zu tun haben dürfte. Auch in diese Richtung ist die Spitze am Abend allerdings deutlich höher: Zwischen 18 Uhr und 18.30 Uhr sind durchschnittlich 446 Personen im 11er-Tram zwischen diesen beiden Stationen unterwegs.

Auch in dieser Richtung ist der Samstag mittags zwischen 13 Uhr und 16.30 Uhr der stärkste Tag: Dann sind Menschen in ihrer Freizeit oder zum Shopping in der Innenstadt mit dem ÖV unterwegs. 

Ebenfalls zeigt sich hier der Ausgeh-Effekt am Wochenende: Zwischen 1 Uhr und 1.30 Uhr sind trotz Nachtnetz-Angebot am Samstag noch 83 Personen in den 11er-Trams auf diesem Abschnitt unterwegs, an einem durchschnittlichen Sonntag nur knapp 18. Allerdings verkehrt sonntags und zwischen Montag und Donnerstag in dieser Zeitspanne nur ein Kurs mit Abfahrt um 1.13 Uhr am HB auf diesem Abschnitt - freitags und samstags kommt ein weiterer Kurs um 1.04 Uhr hinzu.  

Ebenfalls aufschlussreich ist die Zahl der Passagiere pro Tag auf diesem Abschnitt der Tramlinie 11.

Von Montag bis Donnerstag sind es in Richtung Oerlikon 7910 pro Tag. Am Freitag sind es 8222 pro Tag. Am Freitag kommen der Pendlerverkehr tagsüber und der Ausgangs-Verkehr am Abend zusammen, was den hohen Wert erklärt. Am Samstag hingegen sind es 7081, also 10,5 Prozent weniger als an einem Werktag, und am Sonntag sind es mit 5720 Passagieren pro Tag 27,7 Prozent weniger als an einem Werktag.

In der Gegenrichtung ist das Ungleichgewicht ausgeprägter: Montag bis Donnerstag werden hier durchschnittlich 6453 Passagiere pro Tag gezählt, am Freitag 7075. Am Samstag sind es mit 5825 demnach 9,7 Prozent weniger, am Sonntag mit 3407 gar 47,2 Prozent weniger Passagiere als an einem Werktag. Dass es in dieser Richtung deutlich weniger Passagiere sind, dürfte daran liegen, dass das Tram 14 in dieser Richtung kurz vor dem 11er-Tram fährt und bis zum Schaffhauserplatz dieselben Haltestellen bedient und demnach auf diesem Abschnitt einen höheren Anteil hat. In der Gegenrichtung sind die Fahrten des 11er und des 14er-Trams regelmässiger verteilt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren