Wer einen Bahnhof betritt, will in den meisten Fällen auf den Zug. Doch dank dem stetig ausgebauten Angebot an Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten sind die Bahnhöfe zusehends auch Destinationen fürs Shopping. Neue Zahlen zeigen, wo das einen besonders grossen Unterschied ausmacht und wo viel umgestiegen wird.
von Stefan Ehrbar
11. Dezember 2023
Im Jahr 2022 stiegen 360’900 Menschen pro Werktag in einen Zug im Zürcher Hauptbahnhof ein oder aus. Das zeigen neue Zahlen der SBB. An zweiter Stelle folgte der Bahnhof Bern mit 164’800 Ein- und Aussteigern, an dritter Stelle der Bahnhof Lausanne mit 93’700.
In dieser Kategorie wird jede Person einmal gezählt, die einen Zug betritt oder aussteigt. Wer also in einem Bahnhof umsteigt, der fliesst zweimal in diese Kategorie ein. Interessant ist deshalb der Vergleich mit einer zweiten Kategorie: jener der Bahnhofsnutzer.
Auch diese Zahlen liegen mittlerweile für das Jahr 2022 vor. Und die Diskrepanz ist zum Teil gross. Im Hauptbahnhof Zürich werden beispielsweise 367’000 Bahnhofsnutzerinnen und -nutzer pro Werktag gezählt. Diese Zahl liegt zwei Prozent über jener der Ein- und Aussteiger.
Der Bahnhof Bern hingegen kommt auf 267’000 Nutzerinnen und Nutzer pro Werktag, ein um 67 Prozent höherer Wert als jener der Ein- und Aussteiger. Um immerhin 25 Prozent liegt der Wert der Bahnhofsnutzer in Lausanne über jenem der Ein- und Aussteiger.
Mobimag hat die Zahlen für die nach Anzahl Ein- und Aussteigende grössten Flughäfen im Jahr 2022 analysiert. An den Bahnhöfen Zürich Flughafen, Lenzburg und Wetzikon ZH hat die SBB kein Frequenz-Messsystem installiert, weshalb dort keine Zahlen für die Bahnhofsbenutzer vorliegen.
Auffällig sind besonders die Bahnhöfe Genf, wo die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer doppelt so hoch ist wie jene der Ein- und Aussteiger (111 Prozent), Aarau (73 Prozent mehr Nutzer als Ein- und Aussteiger) sowie Baden, wo die Zahl der Nutzer 73 Prozent über jener der Ein- und Aussteiger liegt. Auch in Bern und St. Gallen ist die Diskrepanz hoch.
Das kann verschiedene Gründe haben. Einerseits kann es darin liegen, dass diese Bahnhöfe von besonders vielen Personen nur zum Einkaufen oder für die Gastronomie aufgesucht werden. Die Bahnhöfe profitieren von langen Öffnungszeiten und der Sonntagsöffnung und sind deshalb oft beliebte Shopping-Destinationen.
Doch es gibt auch noch andere Erklärungen. SBB-Sprecher Moritz Weisskopf erklärt, dass die Differenz zwischen «Bahnhofbenutzern» und «Ein-/Aussteigenden» dadurch entstehe, dass «Bahnhofbenutzer» nicht nur Personen seien, die den Zug nutzen, sondern auch solche, die den Bahnhof für andere Transportmöglichkeiten wie etwa den Bus nutzen oder auch nur als Einkaufsmöglichkeit oder Abkürzung. In Baden beispielsweise zerschneidet der Bahnhof zwei wichtige Stadtteile und wird deshalb von vielen unterquert, ohne dass sie den ÖV nutzen möchten.
Zu beachten ist laut Weisskopf auch, dass Covid im Jahr 2022 einen spürbaren Einfluss auf die Zahl der Bahnhofbenutzer hatte: «Die Bahnhöfe verzeichneten weniger einkaufende Kundschaft sowie weniger Passanten. Die Diskrepanz zwischen Ein- und Aussteigenden sowie Bahnhofbenutzern wurde dadurch ausgeprägter.»
Und es gibt noch einen letzten Grund, der die teilweise hohe Diskrepanz erklärt – und die Tatsache, dass Bahnhöfe wie Olten sogar weniger Nutzer zählen als Ein- und Aussteiger. «Ein Umsteiger ist in Bezug auf die Züge sowohl ein Aus- als auch ein Einsteiger - er zählt also doppelt», erklärt SBB-Sprecher Weisskopf. «Als Bahnhofbenutzer zählt er jedoch nur einmal. Deswegen kann es vorkommen – insbesondere bei Umsteigebahnhöfen wie Olten -, dass es mehr Ein-/Aussteiger als Bahnhofbenutzer gibt.»
Nach der Coronakrise hat sich zudem auch die Reihenfolge der grössten Bahnhöfe geändert. Insbesondere Bahnhöfe, in denen der Freizeitverkehr eine wichtige Rolle spielt wie Chur oder Lugano konnten sich um teils mehrere Plätze in der Rangliste verbessern. Mehr Informationen dazu finden Sie im separaten Mobimag-Artikel.
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