Darum ist der Veloverleih in Stockholm fast gratis // Audi-Chef will autofreie Tage // Brügge verbietet Velo-Überholen

In Stockholm sind viele mit dem Velo unterwegs. Bild: donieve / Pixabay

Die Benützung des Veloverleihs kostet in Stockholm jährlich nur 14 Franken. Wie funktioniert das? Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Der Audi-Chef ist offen für ein Tempolimit auf Autobahnen – und Brügge priorisiert das Velo im Stadtzentrum.

von Stefan Ehrbar
28. Oktober 2022

So funktioniert der Veloverleih in Stockholm

Seit Juni hat die schwedische Hauptstadt Stockholm ein neues Veloverleihsystem namens eBikes. Betrieben wird es von der Firma Inurba Mobility, die einen Vertrag mit der Stadt über sieben Jahre unterzeichnet hat. Das System ist im internationalen Vergleich unschlagbar günstig.

Laut den Informationen auf der Internetseite kostet die Nutzung eines E-Bikes – es gibt nur elektrisch betriebene Velos – während 24 Stunden 11 Kronen (umgerechnet 1 Franken). Ein 7-Tage-Plan kostet 26 Kronen (2.40 Franken), ein 30-Tage-Tarif 35 Kronen (3.20 Franken) und ein ganzes Jahr 157 Kronen (14.20 Franken). Darin inbegriffen ist eine unbegrenzte Anzahl von maximal 90-minütigen Fahrten. Wer länger am Stück fahren will, bezahlt etwa einen Franken pro Stunde drauf.

Wie das Geschäftsmodell funktioniert, zeigt das Magazin «Vice» auf. Demnach begann der Dienst im Sommer mit etwas mehr als 1000 Velos zwar klein, bis im nächsten Sommer sollen es aber schon über 5000 E-Bikes sein.

Subventionen erhält die Firma für den Betrieb des Verleihsystems nicht. Das Stockholmer System sei «vielleicht einer der letzten Versuche, ein rentables, nachhaltiges Bikesharing-System zu schaffen, das nicht mit Steuergeldern finanziert werden muss», heisst es im Artikel. Dabei kann Inurba nicht einfach schalten und walten, wie es der Firma gefällt, sondern muss einige Ziele der Stadt erfüllen. So müssen etwa immer mindestens 90 Prozent der E-Bikes zur Verfügung stehen, sonst werden Strafzahlungen fällig. Auch gibt es Vorgaben dazu, wie schnell Batterien und beschädigte Velos ausgetauscht werden müssen. Zudem muss es mindestens 300 Stationen geben – und zwar nicht nur im dicht besiedelten Stadtzentrum.

Laut Inurba-Regionalmanager Daniel Mohlin funktioniert das günstige System in Stockholm vor allem aus zwei Gründen. Einerseits verkauft Inurba relativ viel Werbung auf den Velos und auf 350 Werbeflächen in der Nähe der abgestellten Velos. Andererseits sei das grundlegende Design des System anders als bei vielen Konkurrenten.

«Ein Bikesharing-System kann sehr teuer werden, wenn man es falsch konzipiert», wird Mohlin zitiert. Wenn die Velos etwa ungleich verteilt seien und ständig Stationen aufgefüllt werden müssten, sei das sehr kostenintensiv. Zudem verzichtet Inurba zwar nicht auf fixe Standorte, aber auf fixe Installationen, die viel Platz rauben, teuer sind und die Zahl der an einem Standort abzustellenden E-Bikes stark begrenzen. Stattdessen setzt die Firma auf «virtuelle Stationen», die durch Schilder und aufgemalte Linien gekennzeichnet sind. Dort müssen die Velos abgestellt werden.

Audi-Chef will autofreie Tage

Aus diesem Ecken hätten wohl die wenigsten eine solche Forderung erwartet: Im Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» hat Audi-Vorstandschef Markus Duesmann diese Woche für autofreie Tage in Deutschland plädiert.

Man sehe, dass aufgrund steigender Energiekosten und der hohen Inflation das Geld bei vielen Menschen knapp werde, wird er zitiert. Das zeige sich etwa auf der Autobahn, wo nun viele rechts mit 100 Kilometern pro Stunde führen. Geld alleine reiche als Regler in dieser Situation aber nicht. «Wir müssen umdenken, uns klar werden, dass sich unser Leben verändert», sagt Duesmann.

Ein Tempolimit könnte laut dem Auto-Manager dabei ein hilfreiches Symbol sein. Noch wirksamer wären aber autofreie Tage wie in den 70er-Jahren. «Um uns in Deutschland besser einzustimmen auf die Lage und die Notwendigkeit des Sparens, könnte es wieder autofreie Tage geben», so der Audi-Chef. «Wenn es ein Sonntag ist, werde ich mit meinem Rennrad über die gesperrte Autobahn fahren.»

Audi will ab 2026 keine neuen Benziner- und Dieselfahrzeuge mehr auf den Markt bringen. Bis 2033 soll der Umstieg auf Elektroautos vollzogen sein. Die aktuell hohen Energiepreise änderten daran nichts, sagt Duesmann im Interview. Der Strompreis möge zwar gestiegen sein, aber Audi werde deshalb seine Strategie nicht anpassen.

Audi sehe erste Zeichen, dass der Bestelleingang in Europa zurückgehe. Im Moment komme man zwar mit der Produktion kaum hinterher, weil der Bestelleingang der letzten Jahre abgearbeitet werden muss. In einem Jahr könne das aber anders aussehen. Ein langer Krieg beunruhige die Menschen, so Duesmann. Ein Ende des Krieges Russlands gegen die Ukraine aus wirtschaftlicher Schwäche des Westens sei aber keine Option, einen Diktatfrieden halte er für falsch. Weiche der Westen zurück, gehe es vielleicht kurzfristig mit der Wirtschaft aufwärts, aber bald wäre unsere Gesellschaftsordnung in Gefahr.

Brügge verbietet das Velo-Überholen

In der belgischen Stadt Brügge wurden letzte Woche 90 Strassen in eine umfassende Velozone umgewandelt. Das berichtet das Portal themayor.eu. Sie erstrecken sich über das Stadtzentrum hinaus und bilden ein zusammenhängendes Netz, in dem Velos Vorrang vor den Autos haben.

Zu diesem Zweck haben die Behörden auch die Verkehrsregeln geändert. In der Velozone haben Velofahrer das Recht, in der Mitte der Strasse statt am Rand zu fahren. Autofahrer dürfen Velofahrer nicht überholen. Wie das Portal schreibt, ist diese Art, velofreundliche Strassen zu schaffen, in Europa seit einiger Zeit auf dem Vormarsch. Sie sei eine einfache und schnelle Alternative zur Errichtung abgetrennter Velowege.

In der Velozone von Brügge gilt ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde. Sie erstreckt sich über eine Länge von 13 Kilometern.

Daneben fördert die Stadt, die ihren eigens gesetzten Klimazielen hinterherhinkt, die Velonutzung auch mit Geld. Wer sich entscheidet, sein Auto stehen zu lassen, kann einen Zuschuss von 500 Euro (umgerechnet 496 Franken) für den Kauf eines Velos oder eines ÖV-Abos erhalten.

Zudem fördert die Stadt die gemeinsame Nutzung von Autos durch verschiedene Haushalte. Bereits werden 60 Fahrzeuge auf diese Art genutzt, bis 2030 soll diese Zahl auf 250 steigen.

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