VW trotz Elektrooffensive klimaschädlich, Nachtzug-Offensive und Milliarden für Velowege 🆓

Berlin will mehr Nachtzüge und zum europäischen Drehkreuz werden. Bild: Simon Tartarotti / Unsplash

Der wöchentliche Blick ins Ausland: VW will mit einer grossen Elektrooffensive Tesla Konkurrenz machen, muss aber erstmals eine Busse bezahlen, weil die Flotte noch zu klimaschädlich ist. Berlin will wie Wien und Zürich zum neuen Nachtzug-Hub werden und europäische Metropolen wie Barcelona, Mailand oder Paris investieren Hunderte Millionen Franken in Velowege.

20. März 2021

VW kündigt Elektroooffensive an

Der grösste Autobauer der Welt will grüner werden. Diese Woche hat der VW-Konzern angekündigt, Milliardenbeträge in den Ausbau der Batterieproduktion, die Entwicklung neuer Zellformate und den Aufbau der Ladeinfrastruktur zu bauen. Bis 2030 soll es in Europa 18’000 Ladestationen aus dem Hause VW geben, in diesem Zeitraum plant der Konzern zudem die Errichtung von sechs Fabriken für die Herstellung von Zellen, die für Elektroautos benötigt werden. Der Konzern, zu dem Marken wie VW, Audi, Seat oder Skoda gehören, will künftig in vier von fünf Fahrzeugen den gleichen Zellentyp verbauen und das Recycling verbessern. So sollen die Kosten um 50 Prozent gesenkt werden. Heute sind die vergleichsweise teuren Batterien noch immer der Hauptgrund, weshalb Elektrofahrzeuge deutlich teurer sind als solche mit konventionellem Antrieb.

VW-Chef Herbert Diess geizte bei der Vorstellung der Pläne am Dienstag nicht mit Superlativen. «Unser Wandel wird schnell und beispiellos sein», sagte er laut dem «Tagesspiegel». Zunächst wird VW die Zellproduktion in zwei bestehenden Fabriken erweitern in Schweden und Deutschland und arbeitet dafür mit dem Produzenten Northvolt zusammen. Für den Aufbau der Ladeinfrastruktur wiederum will VW mit BP und Aral zusammenarbeiten, weitere Partnerschaften geht das Unternehmen mit den Energieunternehmen BP, Enel und Iberdrola ein. Diess kündigte an, VW werde «sich an die Poleposition der Elektromobilität und Batterietechnologie setzen» – eine Kampfansage an den Elektro-Pionier Tesla. Wie der «Tagesspiegel» berechnet, fliessen alleine in die Fabriken um die 20 Milliarden Euro.

Anders als Autobauer wie Volvo, General Motors oder Jaguar, die nur noch elektrische Fahrzeuge bauen wollen, hält VW fürs Erste allerdings auch am Verbrenner fest und hat für das Jahr 2026 eine neue Generation von Verbrenner-Autos angekündigt. Ein Datum für den Abschied aus den konventionellen Antrieben gibt es nicht. Nicht überall auf der Welt würden sich Elektrofahrzeuge schnell durchsetzen, argumentierte Diess bei der Präsentation. Für Kritiker bleibe damit ein «schaler Beigeschmack», schreiben die Tamedia-Zeitungen: «Warum bekennt sich der Konzern, verantwortlich für ein Prozent der globalen CO2-Emissionen, nicht endlich zu einem konkreten Ziel für das Ende des Verbrenners?»

Noch ist VW weit entfernt vom Vorzeigekonzern. Im vergangenen Jahr verfehlte der Konzern die CO2-Ziele der EU erneut und muss deshalb eine hohe Strafe bezahlen, wie die «taz» berichtet. Wie hoch diese genau sein wird, ist noch nicht klar. In der EU galt letztes Jahr das Ziel des Flottendurchschnitts von 95 Gramm CO2-Ausstoss pro gefahrenen Kilometer. VW verfehlte dieses Ziel um 0,8 Gramm. In der Schweiz gilt derselbe Grenzwert erst für 2025, und selbst diese Ziel dürften die Importeure kaum erreichen. 2019 lag der CO2-Ausstoss der Schweizer Neuwagenflotte bei durchschnittlich 138 Gramm CO2 pro Kilometer – so hoch wie nirgends in Europa.

Wird Berlin zum Nachtzug-Drehkreuz?

Die ÖBB hat Wien zur grössten Nachtzug-Drehscheibe Europas gemacht. Zürich dürfte auf Platz zwei folgen. Nun will auch Berlin im Wettbewerb mitmischen. Der Berliner Senat hat beim Beratungsunternehmen Ramboll eine Studie in Auftrag gegeben, die aufzeigen soll, wie Berlin zum Drehkreuz des europäischen Nachtzugverkehrs werden könnte.

Die Autoren untersuchen laut der «Berliner Zeitung» nun, welche Destinationen möglich wären, welche wirtschaftlichen Bedingungen und Chancen dieses Ziel beinhaltet und welche Trassen benötigt würden. Auch ein «Zielfahrplan mit groben Abfahrts- und Ankunftszeiten in Berlin» sollen sie entwickeln, schreibt die Zeitung.


Im Sommer soll das Papier fertig sein. Danach will der Berliner Senat eine internationale Konferenz durchführen, zu der Nachtzugbetreiber und andere Interessierte eingeladen werden. So soll ein Konzept entstehen, was Berlin genau tun müsste, um das Ziel des Nachtzug-Hubs zu erreichen.

Wie die Zeitung schreibt, fuhren früher Nachtzüge von Berlin etwa an die Côte d’Azur, nach Neapel, Stockholm, Rom oder Sankt Petersburg. Nach dem Rückzug der Deutschen Bahn aus dem Geschäft allerdings verkümmerte das Angebot. Derzeit gibt es etwa Nachtzüge nach Berlin und Wien, aber auch einen der russischen Bahn RZD nach Paris und Moskau.

Zudem hat die schwedische Bahn Snälltåget angekündigt, ab Juni 2021 einen Nachtzug von Stockholm über Malmö und Kopenhagen nach Berlin zu führen. Die ÖBB plant zudem ab 2024 Nightjet-Verbindungen von Berlin nach Wien, Paris und Brüssel.

Hinweis: Nächste Woche lesen Sie auf Mobimag, warum die Nachtzüge aus der Schweiz immer in Zürich starten und enden – und ob auch andere Städte künftig auf mehr Nachtzugverbindungen hoffen dürfen.

Veloboom in den Metropolen

Umgerechnet 1,1 Milliarden Franken haben europäische Metropolen im vergangenen Jahr in den Ausbau der Veloinfrastruktur gesteckt. Das zeigt eine Berechnung der «European Cyclists’ Federation», über welche der «Guardian» berichtet. Demnach wurden auf mindestens 1000 Kilometern neue Velowege, autofreie Strassen und verkehrsberuhigende Massnahmen umgesetzt.


Das Velofahren erleichtert in der Coronakrise das Abstandhalten und senkt die Luftverschmutzung. Nun würden europäische Städte auch für den Aufschwung nach der Krise auf das Velo setzen, schreibt die Zeitung. Dieses Mal seien es nicht mehr die «üblichen Verdächtigen», also Länder wie die Niederlande oder Dänemark, die schon eine sehr gute Veloinfrastruktur vorweisen können. Vielmehr hätten nun auch Städte mit grossem Nachholbedarf begonnen, kräftig zu investieren.

Lissabon baut seine Velowege deutlich aus. Bild: Helio Dilowa / Unsplash

In Barcelona etwa seien im Sommer 21 Kilometer Pop-Up-Velowege gebaut worden, weitere 6,5 Kilometer kämen derzeit dazu. Die Nutzung des Velos in Barcelona habe um 10 Prozent gegenüber dem Vorkrisenniveau zugenommen. Das ist erst der Anfang: Insgesamt plane die Regierung, auf 160 Kilometern neue Velowege zu bauen oder bestehende zu verbessern. Damit wird das bestehende Netz mehr als verdoppelt. Das passt auch zum Ziel der Stadt, bis 2024 den Autoverkehr um einen Viertel zu reduzieren.

Als weitere Beispiele nennt der «Guardian» Mailand, das im April letzten Jahres mit dem Ausbau von Velorouten begonnen habe. Bis in diesem Sommer sollen insgesamt 100 Kilometer neue Velowege entstehen. Auf der mittlerweile meistbefahrenen Veloroute der Stadt, dem Corso Buenos Aires, würden jeden Tag 10’000 Velofahrer gezählt, was einer Steigerung von 122 Prozent im Vergleich zu vor der Krise entspreche.

In Paris wiederum habe die Zahl der Velofahrer seit dem Frühling 2020 um 70 Prozent zugenommen, 50 Kilometer neue Velowege seien entstanden. Schon 160 Kilometer eines neuen Velonetzes von insgesamt 320 Kilometern Länge seien erstellt worden. Die Stadt habe das Programm noch einmal beschleunigt. Ähnlich sieht es in Lissabon aus: Die portugiesische Grossstadt verdoppelt ihr Velonetz gerade von 105 auf 200 Kilometer.

Dieser Ausbau entspreche auch dem Willen der Einwohner, schreibt die Zeitung. Eine Umfrage in 21 europäischen Städten habe nämlich gezeigt, dass 64 Prozent der Befragten nicht zu der Luftqualität von vor der Krise zurück wollten. Drei Viertel der Befragten seien bereit, Platz, der heute von Autos genutzt wird, künftig dem Velo oder dem Zu-Fuss-Gehen zur Verfügung zu stellen. 21 Prozent der Befragten wiederum gaben an, nach dem Lockdown häufiger Velofahren zu wollen, ein Drittel will künftig mehr zu Fuss unterwegs sein.



Ihnen gefällt Mobimag?

Für nur 1.50 Franken erhalten Sie sofort werbefreien Zugriff auf das gesamte Angebot. Sie bleiben auf dieser Seite.



Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren