
Die Preise für Bahn, Bus und Tram steigen per Ende Jahr überall. Doch die regionalen Unterschiede sind gross. Besonders hart trifft es Pendlerinnen und Pendler im Aargau, während Zürich glimpflich davonkommt. Obwohl die Einnahmen in vielen Gebieten wieder höher sind als 2019, drohen bereits weitere Tariferhöhungen.
von Stefan Ehrbar
5. Juni 2023
Wer gerne mit dem Zug, dem Bus oder dem Tram unterwegs ist, soll sein Abo am besten vor dem 10. Dezember verlängern. Denn dann werden gleichzeitig mit dem Fahrplanwechsel die Preise erhöht. Um 4,3 Prozent steigen sie im Durchschnitt im «direkten Verkehr» – also bei Billetten für Fahrten, die über einen Tarifverbund herausgehen, oder für Abos wie das GA, das in der zweiten Klasse erstmals über 4000 Franken kosten wird. Das gab die Branchenorganisation Alliance Swisspass im April bekannt.
Die meisten Wege unternehmen Menschen allerdings in der näheren Umgebung. Im Jahr 2021 legte eine durchschnittliche Person in der Schweiz laut Zahlen des Bundes nur gerade 30 Kilometer täglich zurück. Werden solche Fahrten mit dem ÖV unternommen, verlassen Reisende oft den eigenen Tarifverbund nicht. Wer von St. Gallen nach Herisau fährt, bezahlt den Tarif des Ostwind-Verbunds, für eine Fahrt von Winterthur nach Schlieren gilt jener des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV), für eine von Sissach nach Basel der des Tarifverbund Nordwestschweiz (TNW).
Rund 20 regionale Tarif- und Verkehrsverbünde gibt es in der Schweiz. Sie geben nicht nur Einzeltickets heraus, sondern auch Abos. Für viele Passagiere sind ihre Preise relevanter als die des direkten Verkehrs. Eine Analyse von Mobimag zeigt nun: Die Verbünde erhöhen ihre Preise per Ende Jahr ebenfalls – aber in höchst unterschiedlichem Ausmass.
Am geringsten fällt die Preiserhöhung beim ZVV aus. Um durchschnittlich 3,4 Prozent wird dessen Sortiment verteuert. Auch die Verbunde Passepartout (Zentralschweiz), Ostwind (Ostschweiz), Frimobil (Freiburg); Zug und Onde Verte (Region Neuenburg) erhöhen die Preise weniger stark als die Alliance Swisspass.
Der Nordwestschweizer TNW und der Berner Libero-Verbund liegen hingegen darüber. Am stärksten steigen die Preise mit durchschnittlich 4,5 Prozent im Aargauer Verbund A-Welle. Noch nicht definitiv über Preiserhöhungen entschieden haben diverse Verbünde im Kanton Graubünden und in der Westschweiz.
Die Verbünde betonen in ihrer Kommunikation, dass es seit sechs Jahren keine Tariferhöhung mehr gegeben habe. Was sie nicht erwähnen: Viele von ihnen erzielen auch bereits wieder höhere Einnahmen als im Jahr 2019 und damit vor der Coronakrise. Das liegt hauptsächlich daran, dass viele Menschen kein Abo mehr besitzen, sondern stattdessen Einzeltickets lösen, die pro Fahrt deutlich mehr Erlöse abwerfen.
Verbund | Preissteigerung |
---|---|
ZVV | 3,4% |
Passepartout | 3,7% |
Ostwind | 3,9% |
Frimobil | 3,9% |
Tarifverbund Zug | 4,0% |
Onde Verte | 4,2% |
Direkter Verkehr / Alliance Swisspass | 4,3% |
TNW | 4,4% |
Libero | 4,4% |
A-Welle | 4,5% |
Beim ZVV heisst es etwa, per Ende des ersten Quartals seien die Einnahmen der letzten 12 Monate wieder auf dem Niveau von 2019 gelegen. Da das Jahr 2022 noch von starken Einnahmeausfällen geprägt war, heisst dies, dass die Erlöse zuletzt zugenommen haben.
Die Aargauer A-Welle legt gegenüber CH Media gar ihre Zahlen offen. Im ersten Quartal dieses Jahres nahm der Verbund mit Einzelfahrausweisen und Abos 22,1 Millionen Franken ein. Das sind 19,8 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, in dem die Mobilität im Zug der Coronakrise aber noch eingeschränkt war. Doch auch gegenüber 2019 resultierte ein Plus von 3,7 Prozent.
Während die Umsätze mit Abos im ersten Quartal dieses Jahres deutlich tiefer waren als 2019 – statt 9,1 Millionen Franken wurden mit ihnen noch 8,3 Millionen Franken erzielt – stieg der Umsatz der Einzelfahrausweise von 12,2 auf 13,8 Millionen Franken. Das entspricht einer Zunahme von 13,5 Prozent.
Weshalb braucht es angesichts sprudelnder Kassen überhaupt eine Preiserhöhung? Monika Moritz, die stellvertretende Geschäftsführerin der A-Welle, verweist gegenüber der Zeitung auf eine Mitteilung, in welcher diese mit der Inflation, höheren Energiekosten, einem Ausbau des Angebots und Sparvorgaben des Bundes begründet wird. Dieser will seine Ausgaben für den Regionalverkehr per 2024 kürzen. Zudem wird der Mehrwertsteuersatz per 2024 um 0,4 Prozent erhöht.
Und wieso erhöht die A-Welle ihre Tarife stärker als andere? «Die Verbünde haben jeweils eigene Herausforderungen zu bewältigen», sagt Moritz. Der Vergleich von durchschnittlichen Steigerungen sei schwierig, wenn die Verbünde bei ihrer Preispolitik das Sortiment differenziert betrachtet und die Tarife im Sortiment unterschiedlich erhöht oder teils gleich belassen hätten. «Die A-Welle hat etwa bei Pauschalfahrausweisen bewusst auf die Preiserhöhung im Jugendsortiment verzichtet», so Moritz.
Bitter ist die Preiserhöhung für die Aargauer Pendlerinnen und Pendler dennoch, denn ihr Verbund gehört schon heute zu den teureren. Eine Berechnung des Bundes hat gezeigt, dass die A-Welle und Frimobil jene Verbünde sind, deren Nutzer einen überdurchschnittlichen Beitrag an die Kosten bezahlen. Auch der ZVV gehört zu den Verbünden mit einer hohen Kostendeckung
Dort steigen die Preise per Ende Jahr am wenigsten stark an. Doch ZVV-Sprecher Filip Stankovic warnt bereits: Das war noch nicht alles. «In Anbetracht der gestiegenen Teuerung, des höheren Zinsniveaus sowie der höheren Treibstoff- und Energiepreise werden wohl auch in den Folgejahren weitere Tariferhöhungen notwendig werden», sagt er. Diese würden auch dazu beitragen, Kosten etwa für die Elektrifizierung von Bussen oder Erweiterungen von Depots und Garagen zu tragen.
In diesem Jahr rechnet der ZVV mit einer Kostenunterdeckung von 423,7 Millionen Franken. Diese muss gemäss dem Willen des Zürcher Kantonsrats in den nächsten Jahren gesenkt werden. Eine «angemessene Mitfinanzierung durch Fahrgäste» sei nötig, so Stankovic. Hoffen muss die Branche aber nicht nur in Zürich, dass das auch die Kundschaft so sieht – und nicht aufs eigene Auto wechselt.
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