Das ETH-Spinoff Synhelion hat eine Technologie entwickelt, mit der aus Sonnenlicht und Luft flüssige Treibstoffe hergestellt werden können. Sie lassen sich für herkömmliche Autos und Flugzeuge nutzen. Die Firma will schon bald die Hälfte des hiesigen Kerosinbedarfs decken. Ihr Chef Philipp Furler erklärt das Unterfangen im Interview.
von Stefan Ehrbar
14. Februar 2022
Herr Furler, Synhelion will fossile Treibstoffe durch Solartreibstoff ersetzen. Was ist der Vorteil gegenüber anderen Synfuels?
Einfach gesagt stellen wir aus Sonnenlicht künstliche Treibstoffe wie Kerosin oder Benzin her. Unsere Technologie basiert auf Solarwärme, mit der wir chemische Prozesse für die Herstellung von synthetischen Treibstoffen antreiben. Da wir das Sonnenlicht direkt nutzen und nicht dem Umweg über Strom machen, sind unsere Verfahren einerseits effizienter und andererseits unabhängig skalierbar. Zudem kann Solarwärme kostengünstig und umweltfreundlich gespeichert werden, damit wir rund um die Uhr produzieren können. Das ist sehr wichtig für die Wirtschaftlichkeit unserer Treibstoffe.
In der NZZ lassen Sie sich damit zitieren, dass Synhelion bis 2030 875 Millionen Liter Treibstoff herstellen möchte. Was müssen Sie bis dahin noch erreichen?
Viel! Aber wir sehen einen klaren Weg vor uns, wie wir dieses Ziel erreichen können. Wir verbinden zum Beispiel innovative mit etablierter Technologie, um Risiko rauszunehmen, und für die Steigerung der Produktionsmengen setzen wir auf die Multiplikation von Modulen, um weniger Skalierungsschritte machen zu müssen. Innerhalb von zehn Jahren die Hälfte des Schweizer Kerosinbedarfs abzudecken ist ein ambitioniertes Ziel, aber wir sind überzeugt, dass es technisch machbar ist.
Gemäss NZZ wollen sie dieses Jahr die weltweit erste industrielle Anlage zur Herstellung von Solartreibstoff bauen. Welche Volumen können Sie damit erreichen?
Mit dieser Anlage wollen wir zum ersten Mal die ganze Technologiekette vom konzentrierten Sonnenlicht bis zum flüssigen Treibstoff in industrieller Grösse demonstrieren. Hier geht es also nicht darum, sehr grosse Mengen zu produzieren, sondern die Robustheit der Technologie im grossen Massstab zu zeigen. Die Anlage steht nicht an einem besonders sonnigen Standort und wir werden sie auch nicht rund um die Uhr betreiben. Wir möchten damit ein paar Tausend Liter pro Jahr produzieren, um die Anwendung von Solartreibstoffen zum Beispiel in der Luftfahrt aufzuzeigen.
Zudem heisst es, parallel dazu würden sie die erste kommerzielle Anlage in Spanien planen. Welche Produktionsziele haben sie für diese – und was ist genau der Unterschied zur industriellen Anlage?
In Spanien bauen wir zum ersten Mal eine kommerzielle solare Treibstoffanlage in einer ideal besonnten Region. Diese Anlage möchten wir dann das ganze Jahr über rund um die Uhr betreiben und auch relevante Produktionsvolumen von mehreren Hunderttausend Litern produzieren.
Welche Länder kommen für die kommerzielle Herstellung in Frage?
Wir sind momentan voll auf den Bau und die Entwicklung unserer Solartreibstoffanlagen in Deutschland und Spanien fokussiert. Wo wir die nächsten Anlagen planen, verraten wir jetzt noch nicht. Grundsätzlich kommen die vorher genannten Orte in Frage.
Bis 2030 wollen Sie die Produktionskosten auf einen Franken pro Liter drücken. Wie hoch ist er momentan?
Das können wir nicht sagen, weil wir momentan noch keinen Treibstoff produzieren. Klar ist aber, dass Kleinanlagen nicht wirtschaftlich produzieren können. Skaleneffekte spielen eine zentrale Rolle bei der Herstellung von synthetischen Treibstoffen.
Wie hoch wird der Preis an der Tankstelle sein, wenn sie ihn auf 1 Franken pro Liter bringen können?
Es ist noch zu früh, um über konkrete Verkaufspreise zu sprechen. Es ist aber unser erklärtes Ziel, möglichst nahe an den Preis von fossilen Treibstoffen heranzukommen oder ihn sogar zu unterbieten, damit unsere Treibstoffe künftig im grossen Stil eingesetzt werden. Wir wollen kein Nischenprodukt sein, sondern die Ära der fossilen Treibstoffe beenden.
Wollen Sie die Solartreibstoffe primär für die Aviatik, Autos oder Lastwagen herstellen?
Unser Fokus liegt ganz klar auf den Anwendungen, die nicht oder nur umständlich elektrifiziert werden können. Das sind typischerweise die Langstrecke und schwere Gefährte. Die Luftfahrt ist das beste Beispiel dafür, weshalb wir auch primär Solarkerosin produzieren werden. Synthetische Treibstoffe können aber auch bei der Dekarbonisierung von Bestandsfahrzeugen eine Rolle spielen.
In welchem Bereich orten Sie das grösste Potenzial?
In der Luftfahrt gibt es keine Alternative zu flüssigen Kohlenwasserstoffen. Elektroflugzeuge sind höchstens für kurze Strecken realistisch und bis es Wasserstoffflugzeuge geben wird, dauert es noch viele Jahre. Wie wir alle wissen, müssen wir aber schnell handeln, um den Klimawandel zu stoppen. Synthetische Treibstoffe bieten den grössten Hebel bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs.
Die Solartreibstoffe müssen noch weiterverarbeitet werden, bevor mit ihnen Autos oder Flugzeuge betankt werden können. Mit wem arbeiten Sie diesbezüglich zusammen?
Ja das ist richtig. Wir stellen ein synthetisches Rohöl her, das dann noch in einer Raffinerie zum Endprodukt Kerosin, Benzin oder Diesel weiterverarbeitet wird. Wir starten 2023 mit der Treibstoffproduktion, und dann werden wir auch öffentlich bekanntgeben, mit welcher Raffinerie wir zusammenarbeiten.
Wie kann auch dieser Schritt CO2-neutral vonstatten gehen?
Energetisch und emissionstechnisch ist der Raffinierungsschritt nicht zentral, aber muss natürlich langfristig auch CO2-neutral gestaltet werden, indem zum Beispiel grüner Wasserstoff und grüner Strom verwendet werden. Diese Bestrebungen sind bereits im Gange.
Stehen Sie bereits in Kontakt mit Tankstellenbetreibern oder Airlines?
Ja, wir haben diverse Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette von Solartreibstoffen. Bereits verraten haben wir, dass wir für die Einführung und Kommerzialisierung von Solartreibstoffen mit der Lufthansa Gruppe und ihren Airlines Swiss und Edelweiss zusammenarbeiten.
Welchen Einfluss hatte die Ablehnung des CO2-Gesetzes im letzten Sommer?
Die Ablehnung des CO2-Gesetzes hatte keinen direkten Einfluss auf uns. Synhelion wurde 2016 mit dem Ziel gegründet, Solartreibstoffe zu kommerzialisieren und so einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu leisten. Unser Businessmodell war nie an das CO2-Gesetz geknüpft.
Wie viele Mitarbeitende beschäftigt Synhelion derzeit?
Mit unseren beiden Standorten in der Schweiz und in Deutschland haben wir aktuell rund 20 Vollzeitstellen.
Wie viele werden es bis 2030 sein?
Das weiss ich noch nicht. Ganz wichtig ist mir aber, dass wir unseren hervorragenden Teamspirit aufrechterhalten. Wir glauben an eine globalisierte Welt, die durch nachhaltige Mobilität verbunden ist. Und wir arbeiten hart für unseren Traum vom CO2-neutralen Reisen. Das schweisst zusammen.
Letztes Jahr ist die Amag bei Ihnen eingestiegen. Wie viele Anteile hält Amag an Synhelion?
Die Amag hat einen namhaften Betrag in Synhelion investiert. Mehr verraten wir nicht.
Was erhofft sich Amag von diesem Investment und was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit mit Amag?
Die Amag-Gruppe hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt und glaubt, dass Unternehmertum, neue Technologien und neue Mobilitätskonzepte die Basis für die klimaneutrale Mobilität der Zukunft sind. Mit einem eigenen Klimafonds unterstützt sie Initiativen und Startups, die zur Dekarbonisierung beitragen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Dass eine traditionsreiche Marke wie die Amag von unserer Technologie überzeugt ist und an den Erfolg unserer Solartreibstoffen glaubt, ist für uns natürlich eine grosse Ehre.
Auch das deutsche Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat bei Ihnen investiert. Gibt es im Gegenzug z.B. Vorkaufsrechte o.ä.?
Das Deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert uns durch die Co-Finanzierung unserer ersten industriellen Anlage, ist aber nicht direkt bei uns investiert.
War auch eine Beteiligung oder Förderung durch die Schweiz respektive den Bund ein Thema?
Ja, wir wurden und werden durchaus auch vom Schweizer Bund gefördert. So laufen aktuell mehrere Forschungsprojekte die durch Innosuisse , das Bundesamt für Energie oder das Bundesamt für Zivilluftfahrt gefördert werden.
Wie eng sind die Verbindungen von Synhelion mit der ETH noch? Wie können Sie von der Hochschule profitieren und wie profitiert die ETH von ihnen?
Wir sind ein unabhängiges Unternehmen, aber wir pflegen nach wie vor einen sehr engen Kontakt mit der ETH Zürich, insbesondere mit der Professur für erneuerbare Energieträger. Prof. Aldo Steinfeld ist unser wissenschaftlicher Berater und wir haben einen Doktoranden in seiner Gruppe. Ebenfalls haben wir regelmässig Studenten, die bei uns zum Beispiel ihre Masterarbeit durchführen und dann teilweise auch bei uns ihre Berufung finden. Zusätzlich haben wir einen Lizenzvertrag mit der ETH Zürich, der uns die Exklusivrechte an den ETH-Patenten gibt, die wir während unserer ETH-Zeit eingereicht haben.
Ist die ETH finanziell an Synhelion beteiligt?
Ja, die ETH ist finanziell über die Lizenzvereinbarung am Erfolg beteiligt.
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