Bis zu 34 Grad Celsius in den neuen VBZ-Trams, die SOB kühlt ihre Züge am besten: So schneidet der ÖV im Mobimag-Hitzetest ab

Spitzenreiter schon kurz nach Mittag: Ein Flexity-Tram. Bild: Mobimag

Im öffentlichen Verkehr der Schweiz werden seit einigen Jahren nur noch Fahrzeuge mit Klimaanlagen beschafft. Doch bringen die auch etwas? Mobimag hat in den letzten Tagen den Test gemacht. Das Fazit ist zwiespältig: In den neuen Flexity-Trams der VBZ ist es drinnen wärmer als draussen. Besser sieht es bei SBB, AVA, SZU und SOB aus – und so erklären sich die VBZ.

von Stefan Ehrbar
22. August 2023

Temperaturen über 30 Grad sind besonders für ältere Menschen gefährlich, aber auch für Schwangere sehr belastend. Für normale Passagiere im ÖV sind sie hingegen vor allem lästig: Wer bereits im Sitzen und ohne Anstrengung schwitzt, muss eine deutliche Komforteinbusse im Vergleich zum Auto hinnehmen. Deshalb sind die meisten Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz mittlerweile klimatisiert.

Weil jedes zusätzliche Grad Abkühlung einen hohen Energieumsatz bedeutet, setzen viele Betriebe auf Faustregeln – etwa, dass die Temperatur im Innenraum maximal sechs Grad Celsius kühler sein sollte als draussen. Allzu grosse Temperaturunterschiede werden besonders auf kurzen Strecken nicht als angenehm empfunden. Hinzu kommt, dass die Temperatur nur eine Komponente ist: Klimaanlagen entfeuchten die Luft und führen Frischluft zu, was für ein deutlich angenehmeres Raumklima sorgt.

Doch der Test von Mobimag am Sonntag und Montag – beides Tage mit Temperaturen von deutlich über 30 Grad Celsius gegen Abend – zeigt: Selbst in nagelneuen Fahrzeuge wie den Flexity-Trams der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) ist ein angenehmes Raumklima eine Illusion.

Für den Test hat Mobimag die Temperatur in verschiedenen Fahrzeugen gemessen. Wo nicht anders angegeben, wurde der Wert jeweils nach frühestens fünf Minuten Fahrt abgelesen. Das Thermometer wurde an einem schattigen Ort im Fahrzeug platziert und ohne Kontakt zu warmen Oberflächen. Alle Messungen wurden fotografisch dokumentiert, zweimal fanden Vergleichsmessungen mit einem anderen Thermometer zur Validierung statt. Diese bestätigten die Richtigkeit der Messung, dennoch sind Abweichungen möglich. Die im Artikel geschilderten Eindrücke sind subjektive und entsprechen nicht einer medizinischen Einschätzung.

Begonnen hat die Messreihe am Sonntag kurz vor 12 Uhr in einem Flexity-Tram der VBZ, der neuesten Generation der Trams der Stadt Zürich. Die Temperatur in der Stadt betrug zu diesem Zeitpunkt gemäss der Wetterstation der Stadt Zürich am Mythenquai gut 27 Grad Celsius. Von einem Kühleffekt ist im Tram nichts zu spüren: Das Thermometer zeigt 30,8 Grad Celsius. Um 12.13 Uhr erfolgt die nächste Messung in einem Flexity-Tram. Die Temperatur beträgt nun draussen gut 28 Grad Celsius, in diesem Fahrzeug ist das Klima angenehmer. Das Thermometer zeigt 28,6 Grad Celsius an.

Am wärmsten ist es tagsüber jeweils kurz vor 18 Uhr. Es stehen also noch einige Stunden an, in denen die Temperaturen noch um vier Grad steigen sollen. Um kurz vor halb eins ist es draussen 28 Grad, zum ersten Mal ist es in einem Fahrzeug nun spürbar angenehmer als draussen. Im Cobra-Tram der VBZ zeigt das Thermometer 27,4 Grad an.

Weiter geht es in einem Doppelstockzug des Typs FV-Dosto der SBB. Diese Messung ist mit Vorsicht zu geniessen, weil sie nur während weniger Minuten stattgefunden hat und der effektive Wert vermutlich tiefer liegt. Gefühlt ist die Klimatisierung angenehm, das Thermometer zeigt einen Wert von gut 28 Grad Celsius bei Aussentemperaturen von nun 29 Grad Celsius an.

 Die nächste verlässliche Messung findet in einem Interregio der SBB statt. Im Einheitswagen IV zeigt das Thermometer um 13.30 Uhr 27,3 Grad Celsius an – etwa 2,5 Grad kühler, als es nun draussen ist. Gefühlt ist das Klima im Wagen sehr angenehm, schwitzen muss hier wohl kaum jemand.

Die nächste Messung findet in der Limmatalbahn statt in einem Fahrzeug des Typs Tramlink von Stadler der Betreiberin Aargau Verkehr AG. Zunächst liegt die Temperatur bei äusserst angenehmen 27,6 Grad. Im Lauf der Fahrt knackt die Aussentemperatur die 30-Grad-Marke. Ob es daran liegt, an der Querung der Spannungsgrenze an der Stadtgrenze Zürichs oder an anderen Gründen – auf jeden Fall nimmt nun die Temperatur im Innenraum plötzlich zu, die Klimaanlage bläst auf einen Schlag deutlich wärmere Luft. Innert drei Minuten steigt die Temperatur im Innern auf 28,5 Grad Celsius.

Im als nächsten getesteten Doppelgelenk-Trolleybus der VBZ fühlt sich die Temperatur zunächst zwar als relativ angenehm an, doch wegen einer Baustelle wird der Stromabnehmer gesenkt und die Klimaanlage ausgeschaltet. Nun steigt die Temperatur auf 30,7 Grad Celsius an, was in etwa der Aussentemperatur entspricht.

Das als nächstes getestete Fahrzeug knackt den Tagesrekord. Es ist erneut ein Flexity-Tram der VBZ. Die Temperatur draussen beträgt gemäss der Messstation der Stadt nun 30,5 Grad, was das fabrikneue Fahrzeug locker toppt: Auf 31,8 Grad Celsius steigt das Thermometer an, jetzt dürften die meisten Passagiere selbst im Sitzen schwitzen, die Luft wirkt stickig. «Das ist jetzt eines der neuen Trams», sagt ein Passagier zu seiner Kollegin, «die sind nicht mehr gekühlt». Das stimmt zwar so nicht, aber von Komfort kann keine Rede sein.

Das als nächstes getestete Fahrzeug ist ein Be 552 von Hersteller Stadler, der für die Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn (SZU) unterwegs ist. Das Raumklima ist überaus angenehm, bei nun 31 Grad Celsius Aussentemperatur zeigt das Thermometer 28,1 Grad an, doch gefühlt ist es deutlich kühler als draussen.

Bei den selben Temperaturen wird nun noch einmal ein Flexity-Tram (30,8 Grad getestet) und ein Cobra-Tram. Dort funktioniert die Klimaanlage spürbar besser, das Thermometer fällt innert kürzester Zeit auf 28,6 Grad und wäre wohl deutlich tiefer gefallen. Allerdings stand für die Messung nur eine kurze Zeit zur Verfügung.

Ein weiteres am Sonntag getestetes Fahrzeug war ein Doppelstock-Pendelzug der SBB, wie sie für die Zürcher S-Bahn unterwegs sind. Bei über 31 Grad Temperatur draussen zeigt das Thermometer 27,5 Grad im Innern an, am Raumklima ist überhaupt nichts auszusetzen.

In der Zwischenzeit ist es draussen über 32 Grad Celsius warm geworden – und trotzdem ist das nächste getestete Fahrzeug das kühlste. Es ist ein Flirt von Hersteller Stadler, der für die Südostbahn (SOB) fährt. Obwohl der Zug bis an den Rand gefüllt ist mit Ausflüglern, von denen viele stehen müssen, verrichtet die Klimaanlage ihren Dienst tadellos: Eine Temperatur von 26,5 Grad zeigt das Thermometer an, das Klima ist sehr angenehm.

Als Negativbeispiel fällt im Test von Mobimag das neue Flexity-Tram der VBZ auf, in dem das Raumklima mit Abstand am unangenehmsten ist. Um Messfehler zu vermeiden, wurden die Tests in Flexity-Trams am Montag wiederholt. Das Resultat war noch vernichtender: Um 14.15 Uhr – die Aussentemperatur betrug da gemäss der Messstation der Stadt 31,5 Grad – ist es im Tram 31,7 Grad Celsius warm. Zwei Stunden später bei einer Aussentemperatur von gut 32 Grad stellt ein Flexity einen Rekord auf: 34,1 Grad Celsius werden im Innenraum gemessen. Auffällig auch: Keine Fahrt im neuen Tram verging, ohne dass sich Passagiere über die Hitze beklagt hätten.

Die bescheidene Kühlleistung ist auch Social-Media-Nutzern nicht entgangen. Auf X beschweren sich mehrere Passagiere über die Klimaanlagen der Flexity-Trams. Die Assistentin der Zürcher Stadtpräsidentin, die es auf Instagram auf 25’000 Follower bringt, postet ein Foto von zwei Männern, die oben ohne in einem Flexity-Tram fahren. «Tram fahren in Zürich, wenn’s draussen 34 und drinnen gefühlt 100 Grad warm ist», schreibt sie dazu. Draussen sei es «vergleichsweise kühl» gewesen.

In der Antwort auf eine Beschwerde an die VBZ, die Mobimag vorliegt, antwortet der Kundendienst des ZVV, dass die Flexity mit mit HLK-Anlagen (Heizungs-/Lüftungs-/Klimaanlagen) ausgestattet seien. Die Regelung erfolge auf Basis einer vorgegebenen Sollwertkurve. Werde es draussen wärmer als 24 Grad Celsius, liege der Sollwert für die Innentemperatur jeweils drei Grad Celsius unter der Aussentemperatur. Man muss feststellen: Selbst diese minime Kühlvorgabe vermögen die Fahrzeuge nicht zu erfüllen.

Das könnte allerdings auch an technischen Problemen liegen. Gegenüber Mobimag nimmt VBZ-Sprecher Oliver Obergfell Stellung. «Den VBZ ist bekannt, dass sich die Steuereinheiten (Regler) der Flexity-Klimaanlagen aktuell sporadisch blockieren», schreibt er. «In diesen Fällen stellt die Klimaanlage den Betrieb ein, bis das Fahrzeug neu gestartet wird». Er macht Hoffnung: «Wir sind daran, dies zu verbessern.» Ob es sich bei den gemessen Werten allerdings allesamt um Fahrzeuge mit diesem Problem gehandelt hat, ist noch offen.

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