Die «Planergruppe Hecht» will eine U-Bahn rund um den Zürichsee bauen und einen neuen Autobahntunnel unter dem Pfannenstiel. Die S-Bahn zerschneide die Dörfer, begründet Hannes Strebel, Präsident des Verein «Lake Area Metro» das 2,4 Milliarden Franken teure Projekt. Das Interview.
von Stefan Ehrbar
2. August 2022
Der Verein «Lake Area Metro» will den Verkehr rund um den Zürichsee organisieren – etwa mit einem U-Bahn-Ring unter dem Zürichsee, der in der Stadt Zürich auch das Hochschulgebiet und das Gesundheitscluster Lengg erschliessen würde. Vereinspräsident Hannes Strebel sagt im Interview, warum die heutige Infrastruktur nicht ausreicht.
Herr Strebel, ihr Verein spricht auf seiner Internetseite von heutigen «eindimensionalen Verbindungen» rund um den Zürichsee, während in Zukunft vernetzte Systeme gefordert seien. Welche Anforderungen kann die heutige S-Bahn nicht erfüllen, die eine unterirdische Bahn könnte?
Unter eindimensionalen Verbindungen verstehen wir beispielsweise Bahnen welche Städte und Dörfer untereinander verbinden. In Zukunft werden jedoch differenziertere Transportsysteme mit spezifischen Eigenschaften nebeneinander funktionieren. Diese dienen einerseits dem Gütertransport, andererseits dem Personenfern- und Nahtransport. Das können Bahnen im herkömmlichen Sinne, aber auch U-Bahnen, Busse, Fahrradrouten, Privatverkehr und dazugehörige Stationierungseinrichtungen sein. Diese sollten untereinander vernetzt sein und können in ihren Knotenpunkten auch kulturelle und Einrichtungen der Versorgung mit Gütern aufnehmen
Ihre Vision sieht einen U-Bahn-Ring um den See vor. Wieso sehen Sie genau diese Linienführung vor – und nicht etwa eine U-Bahn weiter ins Limmattal oder ins Furttal?
Die Dörfer rund um den See sind in den letzten Jahrzehnten zu einem dichten Agglomerationsteppich zusammengewachsen. Die S-Bahnen verkehren zudem in unmittelbarer Seenähe und verhindern mit ihrem Schienennetz den direkten Zugang zu Erholungsgebieten an den Ufern. Bahnen haben ihren grössten Nutzen im Fernverkehr in wenig besiedelten Gebieten. In dichtbesiedelten, quasi innerstädtischen Gebieten sind U-Bahnen weitaus geeigneter. Sie lassen weit höhere Taktfrequenzen zu, verkehren weitgehend störungsfrei und verursachen keine Immissionen. Bei der Lake Area Metro geht es also auch darum den Verkehr rund um den See neu zu denken, links- und rechtsufrige Gemeinden zusammen zu bringen und den See als Erholungsgebiet neu zu definieren.
Die Vision scheint vor allem Verbindungen im Blick zu haben, die mit der heute stark auf die Stadt Zürich ausgerichteten S-Bahn nicht ideal angeboten werden können. Gibt es eine Nachfrage für diese?
Die Lake Area Metro bringt also nicht neue, sondern ersetzt bestehende mit effizienteren ökologischeren Verbindungen. Sie erschliesst ohne Umsteigen die links- mit den rechtsufrigen Seegemeinden und den wichtigsten städtischen Zentren in Zürich. Gleichzeitig ermöglicht sie der Bevölkerung den Zugang zum See. Auf der alten S-Bahn-Trasse entsteht ein gesundheitsfördernder Bike-Trail.
Die Ausrichtung auf die Stadt Zürich als Zentrum scheint im Kanton fast überall Tatsache zu sein – wie liesse sich das wieder verändern? Was braucht es neben einer guten Verkehrsinfrastruktur, damit z.B. Arbeitsplätze vermehrt ausserhalb der Stadt entstehen?
Wie oben erwähnt, verbindet die Metro die Dörfer an beiden Seeufern direkt.
Was wäre der Gewinn davon? Ist es nicht sinnvoller, die meisten Infrastrukturen in der dichten Stadt anzubieten?
Die Zersiedlung muss gestoppt und die bestehenden Dorfzentren verdichtet werden. Das Ganze muss mit effizienten Verkehrssystemen verbunden werden.
Wäre eine S-Bahn rund um den See ein erster Schritt zu ihrer Vision, den sie begrüssen würden?
S-Bahnen sind in dichtbesiedelten Gebieten ungeeignet. Sie zerschneiden die Dörfer und verursachen Immissionen. Die geplante U-Bahn muss aber nicht von Anfang an komplett unterirdisch geführt werden. In schwach besiedelten Zonen kann sie durchaus über einen gewissen Zeitraum noch überirdisch geführt werden.
Sie sprechen von einer Vision 2050. Ist das realistisch?
Der U-Bahn-Ring kann in Etappen realisiert werden. Als erste Etappe könnten die innerstädtischen Zürcher Stationen realisiert und mit Stäfa bzw. Wädenswil verbunden werden.
Der Regierungsrat hat sich zuletzt nicht sehr visionär gezeigt und sich gegen Projekte wie eine SZU-Verlängerung oder die Forchbahn-Verlängerung gestellt. Fehlt es dem Kanton Zürich an Visionen und am Willen, diese umzusetzen?
Mit der Entwicklung des Spital-Clusters Leng und der Erweiterung der Hochschulen und Spitäler im Hochschulquartier wird deren effiziente Erschliessung mit den bisherigen Verkehrsmitteln nicht mehr möglich sein. Die Regierung ist daher gut beraten, sich rechtzeitig mit neuen Ideen auseinander zu setzen.
Wie liesse sich das ändern?
Wir setzen auf öffentlichen Druck. Die Lake Area Metro wird einen wirtschaftlichen Entwicklungsschub auslösen.
Wie hoch schätzen Sie die Erfolgschancen ihrer Vision ein?
Wir sind von unserer Idee absolut überzeugt.
Was sind die nächsten Schritte?
Den betroffenen Gemeinden und Standorten von Metro-Stationen offerieren wir Projekt-Studien für die Gestaltung und Ausrüstung ihrer U-Bahnhöfe.
Auf ihrer Internetseite heisst es: «In erster Linie müssen wir darauf achten, dass die Schönheit der historischen Dörfer auch in Zukunft lesbar und nicht nur dem Namen nach erhalten bleiben.» Ist es dafür rund um den Zürichsee nicht schon zu spät?
Vieles ist schon verschwunden. Aber wie das Beispiel Chemische Fabrik Uetikon zeigt, wurde diese dank Bürgerinitiative gerettet und in den historischen Mauern entsteht ein neues Zentrum mit Gymnasium.
Ebenfalls schreiben sie: «Zwischen Zürich und Rapperswil entsteht ein neues urbanes Zentrum – die Seestadt». Meilen, Uetikon und Männedorf würden fusionieren. Denken Sie, dass die Bereitschaft zu einer Fusion in diesen Gemeinden gegeben ist?
Diese Idee wurde leider bis heute von den Gemeinden nicht traktandiert.
In vielen solcher Gemeinden gibt es nach wie vor eine eher dörflich geprägte Identität bei vielen Einwohnerinnen und Einwohnern. Müssen sich diese Orte vermehrt als Stadt begreifen – oder lässt sich diese Identität bewahren?
Jeder Fall und jede Gemeinde müssen individuell geprüft werden. Wünsche und Prägung der Bevölkerung müssen in die Planung mit einbezogen werden.
Studenten der ETH haben Vorschläge gemacht für Haltestellen unter dem Hochschulgebiet und dem Spitalgebiet Lengg (zum Artikel im Tages-Anzeiger). Wie gefallen Ihnen diese?
Die Studenten sind unbefangen an die Aufgabe heran gegangen. Es sind dabei interessante Ansätze zum Vorschein gekommen.
Wie hoch schätzen Sie die Realisierungschancen ein?
Die Realisierungschancen werden stark vom Leidensdruck ausgehen welcher durch die Verkehrsbelastung entstehen wird.
Wie teuer würde die Realisierung der Lake Area Metro zu stehen kommen?
Unsere ersten Berechnungen gingen von einer U-Bahnstrecke von 55 Kilometern und 26 Stationen aus. Dafür wurden 2,4 Milliarden Franken veranschlagt.
Welches Finanzierungsmodell schwebt Ihnen vor?
Das Verschwinden der Bahnstrecke in den Untergrund brächte für die umliegenden Grundstücke einen beträchtlichen Mehrwert. Dieser Aufwertungsgewinn müsste in irgendeiner Form abgeschöpft werden und an die Finanzierung beitragen.
Zum Auto: Ihre Vision sieht einen Pfannenstieltunnel für das Auto vor. Machen Sie damit nicht das Autofahren noch attraktiver als es schon ist – und senden damit die falschen Signale aus?
Ziel ist es, die Verkehrsschneisen von Bahn und Strasse rund um den See zum Verschwinden zu bringen. Unser Ziel ist nicht, Verkehrsmittel unattraktiv zu machen, sondern die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
Der Regierungsrat will schon den kleineren Zürcher Stadttunnel nicht mehr realisieren. Gibt es eine politische Mehrheit für ein solches Projekt?
Über die Absichten des Regierungsraten möchten wir uns nicht äussern.
Spannende Idee. Im Stadttunnel hätte es vermutlich noch Platz für eine U-Bahn-Station. Ich hoffe, das wird tatsächlich umgesetzt.