Schweiz verliert Plätze im Elektroauto-Vergleich, CO2-Schleuder erobert Platz 2

Die Schweiz verliert in Sachen Elektroautos den Anschluss. Bild: Kasper Gant / Unsplash

Im Jahr 2022 verkaufte sich in der Schweiz erneut ein Tesla-Modell am besten. Doch schon auf Platz 2 folgte ein SUV, der in Sachen Emissionen schlecht abschneidet. Sowieso verliert die Schweiz in Sachen Elektroautos den Anschluss an Europa. Das liegt auch daran, dass hierzulande viele Menschen ihre Wohnungen mieten statt besitzen.

von Stefan Ehrbar
9. Januar 2023

Das dritte Jahr in Folge mussten Autoverkäufer in der Schweiz im Jahr 2022 unten durch. Mit 225’934 neu verkauften Autos sei das Jahr deutlich unter der üblichen Vorkrisenmarke von rund 300’000 Neuimmatrikulationen gelegen, heisst es in einer Mitteilung des Verbands Auto Schweiz. Der Auto-Markt habe das Jahr mit einem Minus von 5,3 Prozent zum «bereits unterdurchschnittlichen Vorjahr» abgeschlossen.

Der Verband begründet das mit dem Ukraine-Krieg, der Chipkrise und dem Teilemangel. Die Produktion und Auslieferung neuer Fahrzeuge sei während des gesamten Jahres massiv beeinträchtigt worden, wird Auto-Schweiz-Sprecher Christoph Wolnik zitiert. «Von Mikrochips über Rohstoffe bis hin zu Kabelbäumen, deren Herstellung in der Ukraine durch den Angriff Russlands zeitweise zum Erliegen kam, waren zahlreiche Zulieferprodukte nicht zuverlässig verfügbar.»

Immerhin habe sich die Situation gegen Ende des Jahres gebessert. So wurden im Dezember leicht mehr Autos verkauft als im Vorjahresmonat. Die Aussichten für das Jahr 2023 sind laut Wolnik positiv. Man gehe davon aus, den nach wie vor hohen Auftragsbestand nach und nach abarbeiten zu können.

Zudem sei das Jahr 2022 ein erneutes Rekordjahr für alternative Antriebe gewesen. Erstmals kamen Steckerfahrzeuge – also rein elektrisch betriebene Autos und Plug-In-Hybride – auf mehr als ein Viertel der Neuimmatrikulationen. Allerdings hat sich das Wachstum abgeschwächt – und die Schweiz hat im europaweiten Vergleich Plätze verloren.

In untenstehender Tabelle sind die Verkaufszahlen der einzelnen Modelle des Jahres 2022, die Platzierungen im Jahr 2021 sowie die CO2-Emissionen der Top 20 aufgelistet./p>

An der Spitze hat das Tesla-Modell Y den bisherigen Spitzenreiter, das kleinere Model 3, abgelöst. Škoda verliert mit seinem Kombi Octavia, der zuvor jahrelang den Platz 1 auf sicher hatte und letztes Jahr erstmals auf Platz 2 lag, erneut einen Rang und liegt nun auf Platz 3. Den zweiten Platz schnappte sich der VW Tiguan – ein in Sachen CO2-Emissionen nicht eben vorbildlicher SUV, der in seiner günstigsten Version über eine durchschnittliche Lebensdauer auf 58 Tonnen CO2 kommt und damit auf mehr als doppelt so viel wie das Tesla Model 3.

Einen grossen Sprung nach vorne machte Škoda mit seinem Elektroauto Enyaq: Um 21 Plätze ging es nach vorne. Ganze 13 Plätze gewann auch Audi mit dem A3. Sieben Plätze nach hinten gerutscht ist hingegen der Klassiker von Fiat, das Modell 500. Das Tesla Model 3 konnten seinen ersten Platz vom letzten Jahr nicht halten und verlor gleich 4 Plätze.

Der Anteil rein elektrisch betriebener Autos an den Neuzulassungen stieg von 13,3 auf 17,8 Prozent. Das Wachstumstempo des Vorjahres konnte damit nicht gehalten werden: Damals hatten Elektroautos um 5,1 Prozentpunkte zugelegt. Der Anteil der Plug-In-Hybride sank im Jahr 2022 gar von 9,1 auf 8,1 Prozent. Weiter zulegen konnten Mild-Hybride ohne Stecker: Sie machten 24,6 Prozent der Neuzulassungen aus (Vorjahr: 21,9 Prozent).

Auto Schweiz begründet die vergleichsweise langsame Entwicklung bei den alternativen Antrieben mit der Versorgung mit knappen Bauteilen sowie der Fokussierung vieler Hersteller auf rein elektrisch betriebene Fahrzeuge, was die Zahl der Plug-In-Hybride beeinflusse.

Kritischere Worte findet der Verband Emobility. «Im europäischen Vergleich wurde die Schweiz in der zweiten Jahreshälfte von Deutschland überholt und fällt weiter zurück (neu Platz 8)», schreibt er in einer Mitteilung. Werden rein elektrisch betriebene Autos und Plug-In-Hybride zusammengezählt, liegen mittlerweile Norwegen, Island, Schweden, Finnland, Dänemark, die Niederlande und Deutschland vor der Schweiz.

Das liege am hohen Anteil von Mieterinnen und Mietern hierzulande. «Der Markteintritt der Elektroautos über die hochpreisigen Fahrzeugklassen (vor allem Tesla Model S) wurden oftmals von einer Kundschaft mit Eigenheim und eigener Heimladestation gekauft. Die Diversifizierung in untere Preiskategorien spricht nun auch vermehrt Mieter:innen an, die allerdings mit schlechten Voraussetzungen für die Installation von Heimladestationen zu kämpfen haben», schreibt der Verband. «Als Land mit dem höchsten Mieteranteil war damit das Zurückfallen im europäischen Vergleich absehbar. Dort gelten Ladestationen vermehrt als notwendige bauliche Massnahme, was den Einbau erheblich vereinfacht.»

Tatsächlich sind hierzulande die meisten Mieterinnen und Mieter vom Goodwill ihrer Vermieter abhängig, wenn sie eine Ladestation für ihr elektrisch betriebenes Auto möchten. Sagen diese nein, macht eine Anschaffung oft keinen Sinn. Zudem ist die Baugesetzgebung kantonal geregelt, was die Möglichkeiten der nationalen Politik stark beschränkt.

Im Folgenden werden die Zahlen der alternativen Antriebe in Europa per Ende des dritten Quartals aufgelistet. Die Daten stammen vom International Council on Clean Transportation (ICCT). Der Verband Emobility beruft sich in seiner Mitteilung hingegen auf Zahlen der European Automobile Manufacturers' Association (ACEA). Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen, weil noch nicht alle Länder definitive Zahlen für das Jahr 2022 veröffentlicht haben und zum Teil noch Korrekturen nötig sind. Mobimag wird definitive und vergleichbare Zahlen nachliefern, sobald sie verfügbar sind.

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