Die Elektrifizierung des Strassenverkehrs verliert in der Schweiz an Schwung – warum?

Die Elektrifizierung schreitet langsam voran. Bild: vale / Unsplash

Im ersten Halbjahr konnten alternative Antriebe ihren Anteil an den Neuzulassungen zwar weiter steigern. Das zeigen Zahlen der Autoimporteure. Doch die Zuwächse bei den Elektroautos sind bescheiden, die Wachstumsraten tief. Dass Verbrenner weiterhin beliebt sind, zeigt auch die Liste der 20 meistverkauften Modelle, die Mobimag ausgewertet hat.

von Stefan Ehrbar
17. Juli 2023

Die Zahlen tönen zunächst eindrücklich: In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden mit 123’700 neuen Autos 12,9 Prozent mehr verkauft als in der Vorjahresperiode. Im Juni betrug das Plus gar 18,5 Prozent, wie die Importeurvereinigung Auto-Schweiz letzte Woche bekannt gab.

Doch gegenüber der Vor-Corona-Zeit sind diese Zahlen immer noch tief. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 resultierte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres etwa ein Minus von 21,2 Prozent. Das sind 33’000 neu zugelassene Fahrzeuge weniger als noch 2019. Das liegt allerdings nicht daran, dass das Auto plötzlich an Beliebtheit eingebüsst hat.

Viel eher begründet das Auto-Schweiz-Sprecher Christoph Wolnik mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Euro-Zone mit der Rezession im ersten Quartal. Auch in der Schweiz würden viele Kundinnen und Kunden mit dem Kauf eines neuen Autos zuwarten, höre man im Markt. Immerhin seien die Lieferschwierigkeiten des letzten Jahres weitgehend überwunden. 

Auto-Schweiz betont in einer Mitteilung auch, dass die alternativen Antriebe ihre Mehrheit an den Neuzulassungen weiter hätten ausbauen können. Dazu zählen rein elektrisch betriebene Fahrzeuge, sogenannte Voll- und Mildhybride, aber auch die in Sachen Umweltbilanz umstrittenen Plug-In-Hybride. Ebenfalls dazu gezählt werden mit Erdgas betriebene Fahrzeuge, die allerdings volumenmässig keine Rolle mehr im Schweizer Automarkt spielen.

Werden allerdings nur die rein elektrisch betriebenen Fahrzeuge analysiert, zeigt sich ein durchzogenes Bild. Zwar machten diese im ersten Halbjahr 18,7 Prozent der Neuzulassungen aus. Das sind noch einmal 0,9 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2022. Allerdings zeigt sich in diesen Zahlen auch, dass sich das Wachstum verlangsamt hat.

Zum Vergleich: Zwischen 2019 und 2020 nahm der Anteil der Elektroautos an den Neuzulassungen um 4,0 Prozentpunkte zu, zwischen 2020 und 2021 um 5,1 Prozentpunkte und zwischen 2021 und 2022 um 4,5 Prozentpunkte. Geht das Wachstum dieses Jahr weiter wie bis anhin, dürfte ein Zuwachs von etwa 2 Prozentpunkten möglich sein. Allenfalls könnte die Grenze von 20 Prozent Anteil an den Neuzulassungen geknackt werden. Doch das Wachstum ist offensichtlich schon abgeflacht, bevor die Elektroautos einen nennenswerten Anteil von mehr als jedem fünften Neuwagen erreicht haben.

Möglich ist, dass dies ein vorübergehender Rückschlag ist, der vor allem mit dem schwachen ersten Quartal zu tun hat, in dem der Anteil der Elektroautos an den Neuzulassungen nur gerade 17,4 Prozent betrug. Das hat auch mit Auslieferungs-Strategien der Hersteller und angebotenen Modellen zu tun. Doch an den wesentlichen Rahmenbedingungen hat sich nichts geändert. Weder konnte sich das Parlament dazu durchringen, ein «Recht auf Laden» auch für Mieterinnen und Mieter festzuschreiben, noch hat sich an der Subventionierung etwas geändert.

Dass die Kurve abflacht, dürfte viel damit zu tun haben. In einer ersten Phase kauften viele eher vermögende Menschen, die häufiger ein Eigenheim besitzen und dort Ladeinfrastruktur installieren können, ein Elektroauto. Allen voran der Autobauer Tesla profitierte davon. Nun, da es um die Akzeptanz im Massenmarkt geht, spielen Preise und die Lademöglichkeiten eine grössere Rolle. Während langsam auch günstige Modelle auf den Markt kommen, hinkt die Schweiz bei der Ladeinfrastruktur weiter hinterher.

Das zeigt sich auch in der Rangliste der meistverkauften Modelle im ersten Halbjahr. Zwar belegte Tesla mit dem Model Y wieder den ersten Rang und konnte damit den jahrelangen Champion Škoda Octavia erneut verdrängen, der bis und mit 2020 den Platz 1 gehalten hatte.

Dahinter folgen allerdings viele Verbrenner-Modelle mit einer ausgesprochen dürftigen CO2-Bilanz. Die Emissionen pro Modell sind in der letzten Spalte aufgeführt und beziehen sich auf eine durchschnittliche Nutzung gemäss den Musterauto-Vorgaben des TCS (günstigstes Modell der Reihe, Fahrleistung von 200'000 Kilometer, Tonnen CO2-Äquivalente inklusive Stromherstellung, Produktion, Entsorgung etc.). 

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