EU will mit Bahn Kurzstreckenflüge reduzieren// Autofahrer sind selten arm // Elektroautos auf dem Land

Geht es den Kurzstreckenflügen an den Kragen? Bild: Miguel Ángel Sanz / Unsplash

Mit neuen Gesetzen und einfacheren Regeln will die Europäische Union das Bahnfahren fördern und Kurzstreckenflüge obsolet machen. Ausserdem im Blick aufs Ausland: Wer ein Auto in der Stadt fährt, ist selten arm, zeigen neue Daten – und Elektroautos lohnen sich auch auf dem Land, weil viele Vorbehalte überholt sind.

von Stefan Ehrbar
17. Dezember 2021

Kommt das Ende der Kurzstreckenflüge?

Das von der EU ausgerufene Jahr der Schiene geht zu Ende, ohne dass die Bahn eine merkliche Renaissance erfahren hätte. Das Portal T-Online berichtet über neue Pläne, wie das Bahnfahren innerhalb Europas gefördert und damit Kurzstreckenflüge minimiert werden sollen.

Am Dienstag hat die Europäische Kommission im Rahmen des «Fit für 55»-Pakets, mit dem die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden sollen, Vorschläge vorgelegt. Im Fokus steht dabei die Stärkung des Schienenverkehrs.

Einer der Vorschläge ist es, die Mehrwertsteuer auf internationale Zugtickets abzuschaffen. In Ländern wie Deutschland wird diese für grenzüberschreitende Züge nach wie vor erhoben. Zudem könnten die Trassenpreise für Bahnbetriebe gesenkt werden, um den Wettbewerb anzukurbeln und Ticketpreise zu drücken. Gleichzeitig soll das Fliegen teurer werden: Kerosin soll auf innereuropäischen Flügen mit einem schrittweise steigenden Mindeststeuersatz besteuert werden.

Ab dem Jahr 2030 sollen zudem die Züge im europäischen Kernnetz im Durchschnitt 160 Kilometer pro Stunde fahren. Der Einsatz von Lokführerinnen und Lokführern innerhalb Europas soll vereinfacht werden und komplizierte Lizenzierungsverfahren sollen nicht mehr nötig sein. Künftig könnte zudem Englisch zur Standardsprache des Personals werden, die Kenntnis der Landessprache soll für das Lokpersonal keine Voraussetzung mehr sein.

Zudem will die EU-Kommission eine integrierte Mobilitätsplattform schaffen, auf der internationale Zugtickets gekauft werden können.

Flughäfen, die jedes Jahr mehr als 4 Millionen Passagiere abfertigen, sollen künftig zwingend über einen Bahnanschluss verfügen müssen.

Mit all diesen Massnahmen hofft die EU-Kommission, dass das Kurzstreckenfliegen deutlich weniger attraktiv wird und dass die Passagiere stattdessen auf die Bahn umsteigen.

Autofahrer sind selten arm

Im neuen Berliner Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und der Partei Die Linke gibt es kein quantitatives Ziel zur Reduktion des Autoverkehrs. Das wird laut der Plattform «changing-cities.org» damit begründet, dass weniger wohlhabende Menschen nicht übermässig belastet werden sollen.

Dabei gebe es diesen Zusammenhang gar nicht, heisst es in der Analyse der Lobby-Organisation. Ärmere Menschen besitzen demnach weit weniger Autos als Wohlhabende. Die Armen trügen am wenigsten zum motorisierten Individualverkehr bei, litten aber am meisten unter seinen Folgen.

Laut einer Studie aus Berlin besitzen 44 von 100 der wohlhabendsten Berlinerinnen und Berliner ein eigenes Auto. Bei Personen mit sehr niedrigem Einkommen sind es nur 22 Prozent, also halb so viele. Die Autobesitzquote ist in den reicheren Speckgürteln um die deutsche Hauptstadt am höchsten.

Haushalte mit einem Netto-Einkommen von weniger als 500 Euro verfügen durchschnittlich über 0,2 Autos, während Haushalte mit Netto-Einkommen von mehr als 5’600 Euro pro Monat mit 1,27 Autos mehr als sechsmal so viele besitzen. Menschen mit tiefem Einkommen sind zudem am häufigsten autolos.

«Eine Verkehrswende, also die Dekarbonisierung des Verkehrssektors, geschieht nicht zu Lasten der Ärmeren, sie ist nicht ungerecht und sie fördert keine soziale Schieflage. Im Gegenteil: Die Verkehrsstrukturen, die wir heute haben, sind ungerecht und davon profitieren in erster Linie die Wohlhabenden», wird Dirk von Schneidemesser, Vorstand bei Changing Cities, zitiert.

Elektroautos lohnen sich auch auf dem Land

Noch nie wurden in Deutschland so viele Elektroautos zugelassen wie 2021. Bis Ende 2030 sollen laut dem Willen der neuen Bundesregierung etwa 15 Millionen Elektroautos unterwegs sein, berichtet die deutsche «Tagesschau». Aktuell sind es gut eine Million elektrisch betriebene Fahrzeuge.

Vor allem auf dem Land sind laut dem Bericht noch viele Kundinnen und Kunden skeptisch, was die Reichweite, den Preis und die Verfügbarkeit von öffentlichen Ladesäulen angeht. Viele dieser Vorbehalte seien allerdings mittlerweile überholt.

So legen die meisten Menschen im ländlichen Raum im Durchschnitt nur 37 Kilometer pro Tag mit dem Auto zurück – eine Strecke, bei der Reichweiten-Sorgen keine Rolle spielen, denn moderne Kleinwagen schaffen heute schon 300 bis 500 Kilometer.

Auch die Abdeckung mit Ladepunkten habe sich stark verbessert, mittlerweile sei sie auch abseits der grossen Zentren gut – und bis 2023 sollen mit staatlicher Förderung landesweit 1000 zusätzliche Ladesäulen gebaut werden. Auch das Preisargument zieht laut dem Bericht immer weniger, werden Elektroautos doch immer günstiger. Allerdings sind die Wartezeiten teilweise sehr lang: Neun Monate und mehr sind keine Seltenheit.

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