Grosse Parkplätze müssen in Frankreich neu mit Solarpanelen ausgestattet werden. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Die Schwester der in Berlin getöteten Velofahrerin spricht über die Klimaproteste – und Carsharing senkt die Autobesitz-Quote kaum.
von Stefan Ehrbar
11. November 2022
Pflicht für Solaranlagen auf grossen Parkplätzen
Der französische Senat hat diese Woche ein Gesetz verabschiedet, das der Solarenergie einen grossen Schub verleihen dürfte. Darüber berichtet das Portal «electrek.co».
Das Gesetz sieht vor, dass alle Parkplätze mit mindestens 80 Stellplätzen mit Sonnenkollektoren ausgestattet werden müssen. Das gilt für neu zu bauende genauso wie für existierende Plätze. Die neue Bestimmung ist Teil einer Offensive des Präsidenten Emmanuel Macron, der massiv in erneuerbare Energien investieren will.
Insgesamt soll die in Frankreich erzeugte Solarenergie verzehnfacht werden und jene aus der Windenergie verdoppelt.
Betreiber von Parkplätzen mit 80 bis 400 Stellplätzen haben ab dem 1. Juli 2023 fünf Jahre Zeit, um die Aufrüstung mit Solarpanelen umzusetzen. Grössere Parkhäuser mit mehr als 400 Parkplätzen müssen schneller sein: Sie müssen innerhalb von drei Jahren mindestens die Hälfte der Fläche der Parkplätze mit Sonnenkollektoren überdecken.
Die so zu erstellenden Solarpanels könnten elektrische Energie im Umfang von 10 Kernreaktoren erzeugen und Millionen von Haushalten mit Strom versorgen. Es ist nicht die einzige Massnahme, die den Mobilitätsbereich tangiert. So sollen auch auf freien Flächen entlang von Autobahnen und Eisenbahnlinien grosse Solarparks gebaut werden.
Die französische Bahn SNCF will zudem bis im Jahr 2025 auf 156 Bahnhöfen rund 190’000 Quadratmeter Solarpanels installieren, bis im Jahr 2030 sollen es 1,1 Millionen Quadratmeter sein. Zudem will die Bahngesellschaft ihren eigenen Energieverbrauch um 25 Prozent senken.
Schwester der in Berlin getöteten Velofahrerin spricht
Am 31. Oktober verstarb eine Velofahrerin in Berlin, nachdem sie von einem Betonmischer überfahren worden war. Der Fall hatte international für Aufsehen gesorgt, weil ein für die Rettung benötigtes Fahrzeug der Feuerwehr im Stau stecken geblieben war, der von einer Strassenblockade von Klima-Aktivisten der «Letzten Generation» herrührte. In der Folge wurde der Bewegung vorgeworfen, Menschenleben zu gefährden.
Mittlerweile wurde bekannt, dass die zuständige Notärztin nicht davon ausgeht, dass die Verzögerung einen Einfluss auf die Überlebenschancen gehabt hatte. Trotzdem kritisiert Anja Umann, die Zwillingsschwester der Verstorbenen, in einem Interview mit dem «Spiegel» die Aktivisten – nicht wegen ihrer Aktion an und für sich, sondern wegen ihrer danach geäusserten Haltung.
Sie habe sich an das Medium gewandt, weil sie in der «in der Berichterstattung las, wie ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen, die sich unter Umständen selbst für Umweltschutz und andere Menschen einsetzen», so Umann. «In einem Interview wurde ein Aktivist gefragt, ob der Unfall und der eingetretene Hirntod etwas an ihrer Einstellung zur Wahl der Mittel, die sie einsetzen, ändert. Ob sie dies zum Überdenken ihrer Aktionen anrege. Er antwortete etwas schön umschrieben, dass es schlussendlich nichts, rein gar nichts verändert.»
Ihre Schwester und sie teilten die Ziele der Bewegung zu 100 Prozent und hätten vor Jahren gemeinsam ein veganes Modelabel gegründet. Der Schutz der Natur liege ihnen am Herzen. «Aber wie ignorant mit dem Schicksal meiner Schwester umgegangen wird, verletzt mich sehr.»
Wütend sei sie aber nicht, sagt Umann. Sie stehe auch weiterhin hinter den Aktivisten, stelle aber ihre Methodik manchmal infrage.
Wie aus dem Interview ebenfalls deutlich wird, sieht Umann auch in der fehlenden Veloinfrastruktur ein Problem. Ihre Zwillingsschwester war zum Zeitpunkt des Unfalls auf der Strasse unterwegs, obwohl auf diesem Abschnitt eine Benutzungspflicht für einen separaten Veloweg besteht. Doch dieser werde wegen einer Baustelle auf die Strasse umgeleitet, und danach sei es schwierig, wieder auf den Veloweg zu kommen, so Umann.
«Man muss solche schwierigen Verkehrsstellen generell im Sinne der Radfahrer überdenken, um Unfälle zu reduzieren», so die Zwillingsschwester der Verstorbenen. «Die meisten Radwege sind in Berlin so schlecht, dass ich dort mit dem Rennrad gar nicht fahren kann. Das heisst, mit dem Rad fühle ich mich gezwungen, auf der Strasse zu fahren.»
Carsharing wirkt kaum auf Autobesitz
Sinkt der Autobesitz, wenn es mehr Angebote für Carsharing gibt und diese oft genutzt werden? Die Antwort auf diese Frage ist ernüchternd, wie «Zukunft Mobilität» analysiert.
In einem Beitrag fasst das Portal die Erkenntnisse zweier neuer wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammen. Die Daten einer Studie, für die 81 europäische Städte vor und nach der Einführung von Carsharing-Angeboten untersucht wurden, zeigen demnach, dass Carsharing «einen deutlich geringeren Einfluss auf die Verringerung des Pkw-Besitzes hatte, als frühere umfragebasierte Studien erwartet hatten».
Die Carsharing-Angebote hätten einen «minimalen Effekt» auf den Autobesitz. Die Differenz zwischen der Motorisierungsquote in Regionen mit Carsharing und solchen ohne im selben Land und Zeitraum blieb vor und nach der Einführung von Carsharing gleich.
Eine andere Studie, für die knapp 44’000 Menschen in Deutschland befragt wurden, zeige zudem, dass eine alleinige Ausweitung des Carsharing-Angebots nicht reiche, um das Mobilitätsverhalten nachhaltiger zu gestalten. «Ein Zusammenhang zwischen Carsharing-Mitgliedschaft und einem nachhaltigen Mobilitätsverhalten war statistisch nicht signifikant», heisst es im Artikel.
Mitglied bei einem Carsharing-System zu sein, führe also nicht notwendigerweise zu einer häufigeren Nutzung des ÖV oder aktiver Verkehrsarten wie dem Gehen oder dem Velofahren. Die Zahl der Pkw in Privatbesitz sei ein besserer Indikator für nachhaltiges Verkehrsverhalten.
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