
Lange galten Elektroautos als günstiger im Betrieb als Verbrenner. Mit steigenden Strompreisen könnte sich das ändern. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Wissenschaftler untersuchen die Folgen von Tempo 30 und Shell schliesst Wasserstoff-Tankstellen.
von Stefan Ehrbar
21. Oktober 2022
Lohnen sich Elektroautos nicht mehr?
Bisher galten Elektroautos zwar als teurer in der Anschaffung, aber dank tiefen Strompreisen günstiger im Betrieb als konventionelle Verbrenner. Nun sind die Strompreise gestiegen. Lohnen sich Elektroautos deshalb aus einer ökonomischen Perspektive gar nicht mehr? Dieser Frage ist der Bayrische Rundfunk (BR) nachgegangen.
In einer Studie des Center Automotive Research (CAR) wurden demnach drei verschiedene Mittelklasse-Benziner mit dem Tesla Model 3 verglichen. Unterstellt wurde eine jährliche Fahrleistung von 15’00 Kilometern und ein Benzinpreis von 1,87 Euro pro Liter (1,84 Franken), wobei die Benzinpreise in der Schweiz derzeit etwa 10 Rappen höher liegen. Beim Strompreis wurden 32 Cent pro Kilowattstunde (32 Rappen) angenommen.
Bei diesen Bedingungen funktioniere Elektromobilität «gerade noch», wird Ferdinand Dudenhöffer vom CAR zitiert. Bei Strompreisen von 50 Cent pro Kilowattstunde, wie sie etwa das Prognos-Institut für 2023 voraussagt, liegen die Gesamtbetriebskoten für ein Elektroauto hingegen höher als bei einem vergleichbaren Verbrenner-Fahrzeug.
Allerdings sind Benzin- und Strompreise nur ein Faktor, der berücksichtigt werden muss – und andere Studien kommen zu anderen Schlüssen. Der deutsche Automobilclub ADAC etwa kam zu keiner eindeutigen Antwort auf die Frage, ob Elektroautos oder Verbrenner günstiger im Betrieb sind. Er berücksichtigte auch Versicherungen, Steuern, Wartungs- und Reparaturkosten und staatliche Förderungen. Laut ADAC ist es sehr stark vom Modell abhängig, wie günstig es betrieben werden kann.
Der BR empfiehlt Elektroauto-Lenkern, die Preise der Ladesäulen zu vergleichen. Zuhause zu laden, sei zudem günstiger als das Schnelladen an der Autobahn, und einige Supermarkt-Ketten und Arbeitgeber bieten gar kostenloses Laden an.
Weil sich die Preise von Akkus und Rohstoffen genauso verändern können wie Benzin- und Strompreise, sei zudem der Strompreis kein gutes Kriterium für die Entscheidung, ein Elektroauto zu kaufen. Andere Aspekte beeinflussten die Kosten weitaus stärker.
Das brachte Tempo 30 in Edinburgh
In der schottischen Hauptstadt Edinburgh wurden zwischen 2016 und 2018 grosse Teile des Strassennetzes mit einem Tempolimit von 20 Meilen pro Stunde (ca. 32 Kilometer pro Stunde) versehen. Wissenschaftler der Universitäten Edinburgh, Cambridge, East Anglia, St Andrews, Bristol und der Queen’s University in Belfast haben nun untersucht, welche Effekte diese Reduktion hatte.
Die Zahl der Verkehrstoten wurde demnach um 23 Prozent und die Zahl der Schwerverletzten um 33 Prozent gesenkt. Obwohl die Durchschnittsgeschwindigkeit ein Jahr nach der Einführung nur um etwa 2 Kilometer pro Stunde sank, wurden deutlich weniger Tempoüberschreitungen registriert. Ein Jahr vor der Einführung des Tempolimits waren in Edinburgh 45 von 100 Autos schneller als mit 40 Kilometern pro Stunde unterwegs. Danach sank diese Zahl auf 31 von 100 Fahrzeuge.
Die Zahl der Zusammenstösse sank um 40 Prozent, die Zahl aller Verletzten um 39 Prozent. Die Forscher untersuchten auch, welchen Einfluss die Einführung des Tempolimits auf die Umweltqualität hatte. Dafür wurde auf Daten aus Belfast zurückgegriffen. Sie verbesserte sich demnach messbar.
Wie es in der Studie weiter heisst, stieg auch die Lebensqualität, die anhand der Faktoren Sicherheit, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Bildung, Verkehr, Annehmlichkeiten und Lebensstandard gemessen wurde. Zudem stieg nach der Einführung des neuen Tempolimits die Unterstützung in der Bevölkerung für die Massnahme.
Nicht speziell analysiert haben die Forscher, welche Einflüsse das neue Verkehrsregime auf Velofahrende und Fussgänger hatte. Zudem stellen sie anhand des Vergleichs von Edinburgh und Belfast fest, dass die positiven Effekte deutlich grösser sind, wenn das neue Tempolimit in einem grösseren Gebiet umgesetzt wird.
In Belfast, wo die Temporeduktion im Gegensatz zu Edinburgh nur für einen kleinen Teil des Stadtzentrums umgesetzt wurde, sank die Zahl der Unfallopfer und Kollisionen denn auch nur um zwei Prozent.
Das Ende der Wasserstoff-Tankstellen?
Welche Rolle kann Wasserstoff in Sachen alternative Antriebe in Zukunft spielen? Während der Technologie bei Lastwagen eine gewisse Relevanz zugeschrieben wird, setzen mit wenigen Ausnahmen wie BMW fast alle grossen Hersteller bei normalen Personenwagen ausschliesslich auf Elektrofahrzeuge als Technologie der Zukunft.
Dass die Wasserstoff-Technologie an Boden verliert, zeigt auch ein Bericht des Magazins Hydrogen Insight. Demnach hat der Ölkonzern Shell seine drei Wasserstofftankstellen in Grossbritannien, die er zwischen 2017 und 2019 «mit grossem Aufsehen eröffnet hatte», dieses Jahr wieder geschlossen.
In ganz Grossbritannien gibt es laut dem Bericht nur noch 11 öffentliche H2-Tankstellen – verglichen mit mehr als 57’000 öffentlichen Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Shell teilt auf Anfrage des Portals mit, dass es sich bei den Anlagen um eine erste Generation von Prototyp-Anlagen gehandelt habe, die das Ende der Lebensdauer erreicht hätten. Die Standorte hätten keine zufriedenstellende Leistung erreicht. Die verfügbare Fläche sei zu klein gewesen, um eine Aufrüstung für grössere Fahrzeuge wie Lastwagen und künftige Technologien zu ermöglichen. Die Investitionen sind laut Shell nicht mehr tragbar gewesen.
Man wolle sich jetzt auf grosse Fahrzeuge konzentrieren. Tatsächlich wurden in Grossbritannien bisher mit dem Toyota Mirai und dem Hyundai Nexo nur zwei wasserstoffbetriebene Pkw verkauft. Von beiden zusammen wurden nicht einmal 500 Stück abgesetzt.
Ob die Wasserstoff-Technologie sich wenigstens bei Lastwagen durchsetzen kann, wurde zuletzt ebenfalls kontrovers diskutiert. So wird im Bericht der unabhängige Analyst Michael Liebreich zitiert, der sagt, dass der Trend selbst bei Lastwagen in Richtung Elektrifizierung gehe. Denn batterieelektrische Fahrzeuge seien günstiger im Bau, in der Wartung und im Betrieb.
Brennstoffzellen-Fahrzeuge seien weniger effizient, kompliziert und teuer. Die Firma Hyzon Motors, die Wasserstoff-Lkw herstellt, ist hingegen der Meinung, dass die Wasserstoff-Technologie die einzige praktikable Option für emissionsfreie Langstrecken-Lkw ist. Die Stromnetze seien gar nicht in der Lage, mehrere Batterie-Lastwagen gleichzeitig schnell aufzuladen.
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