Wie ernst ist es mit autofreien Städten? // Genossenschaft betreibt Züge in Frankreich // Die Verkehrswende stockt

Wird London autofrei? Bild: Arthur Osipyan / Unsplash

London, Hamburg oder Wien wollen autofrei werden. Zumindest haben sie das angekündigt. Doch was ist davon zu halten? Möglicherweise nicht so viel, heisst es in einer Analyse. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland: Eine Genossenschaft bringt in Frankreich Züge in die Fläche und auf dem Land stockt die Verkehrswende.

von Stefan Ehrbar
15. Oktober 2021


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Wie ernst ist es mit den autofreien Städten?


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London, Wien, Hamburg, Paris, Barcelona oder Oslo sollen autofrei machen. Das veranlasst die NZZ dazu, sich zu fragen, was die Absichtserklärungen wert sind. «Beim genaueren Hinschauen klingt alles nicht mehr so drastisch wie angekündigt», heisst es in der Analyse. «Weltweit werden Strassen für einzelne Tage (am liebsten der Sonntag) oder auf kleinen Abschnitten gesperrt. Die Ideen, wenn sie dann nicht an der Umsetzung scheitern, sind schon in ihren Anfängen bescheiden.»

Es sei erwiesen, dass der Autolärm Gesundheit und Wohlbefinden beeinträchtige und dass der Reifenabtrieb genauso wie die Abgase von Verbrennungsmotoren die Umwelt schädigten.


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Dabei gebe es auch Lärmklagen, wenn die Autos erst einmal verschwinden. Das habe sich etwa in London gezeigt, als nach dem Lockdown Partys in Pärken und Kellern stattgefunden hätten. In Zürich sei die städtische Ombudsstelle mit Lärmklagen «überrannt» worden, nachdem die ehemalige Westtangente verkehrsberuhigt wurde und viele Cafés und Bars eröffneten. «Die Bewohner wünschten sich bald das lauschige Rauschen des Verkehrs und die stillen, schattenhaften Gestalten mit Bierdosen zurück.»


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Auch die dieses Jahr durchgeführte siebenwöchige Sperrung von verschiedenen Quartierstrassen in Zürich habe zu viele Klagen geführt. Zudem zeige Kopenhagen, das als Stadt mit dem fortschrittlichsten Umgang mit Verkehrslärm gelte, dass Autos nicht weggesperrt werden müssten, sondern dass der Lärm erträglicher gemacht werden könne – etwa mit Brunnen, Bäumen oder grünen Fassaden.

Genossenschaft lässt in Frankreich Züge fahren

In Frankreich wurde mit Railcoop eine Genossenschaft gegründet, die künftig Strecken befahren will, die von der staatlichen Bahngesellschaft SNCF vernachlässigt werden. «Unsere Genossinnen und Genossen entscheiden, welche Orte wieder angesteuert werden», sagt Olivia Wolanin, Sprecherin von Railcoop, der Wochenzeitung «Die Zeit».

Die Wahl für die erste Verbindung sei auf die Strecke von Bordeaux nach Lyon gefallen, die 2014 von der SNCF gestrichen wurde. Ab April 2022 soll auf dieser Strecke wieder eine Regionalbahn fahren. Die Genossenschaft kauft ausrangierte Wagen der SNCF auf und befährt Strecken, die früher mal vom Konzern befahren wurden.

Der Ausbau der TGV-Strecken in Frankreich sei in den letzten Jahren auf Kosten der regionalen Züge gegangen, schreibt die Zeitung. Mehr als ein Drittel der französischen Bahnhöfe seien in den vergangenen Jahren geschlossen worden, auch die Zahl der Züge insgesamt sinke.


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Präsident Emmanuel Macron gelte nicht als Zug-Fan. Mittlerweile setze aber auch die SNCF wieder auf günstige Regionalstrecken. Ab dem Frühling sollen Züge zwischen Paris und Lyon sowie Paris und Nantes fahren, die zwar doppelt so lange unterwegs sind wie die TGV auf derselben Strecke, aber dafür deutlich günstiger.

Railcoop wiederum will in den nächsten Jahren zehn neue Strecken eröffnen. Die Tickets sollen nicht teurer sein als eine Mitfahrgelegenheit, um auch das Auto konkurrenzieren zu können.

Die Verkehrswende auf dem Land stockt

Auf dem Land in Deutschland stockt die Verkehrswende. Zu diesem Schluss kommt der «Deutschlandfunk» in einer aktuellen Reportage.


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«Heute werden in den ländlichen Räumen etwa neun Prozent aller Kilometer, die wir so zurücklegen, nur mit Bus und Bahn zurückgelegt. Das Auto bestimmt das Mobilitätsverhalten dort», wird Philipp Kosok von der Denkfabrik Agora Verkehrswende zitiert. Der Grund sei, dass der öffentliche Verkehr dort wegen der geringen Einwohnerdichte schwieriger zu organisieren sei als in Städten.

Der ÖV sei auf dem land aber auch jahrzehntelang kaum gefördert worden. Es sei eine «ganz starke Politik» und Strassenausbau praktiziert worden, die letzten Endes zu dem wachsenden Autoverkehr und zu einem sehr schwachen ÖV geführt hätten. Darum fühlten sich heute viele Menschen abgehängt.

Auch im aktuellen Verkehrswegeplan der Bundesregierung liegt der Fokus demnach weiterhin auf dem Strassenverkehr. Auch der Fachkräftemangel mache die Verkehrswende schwierig, denn für Betrieb, Pflege und Wartung von Zügen und Bussen werde qualifiziertes Personal gebraucht, heisst es in der ausführlichen Reportage.


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