Braucht Europa Hyperloops? // Warum Lastwagen beliebt sind

Lastwagen transportieren einen Grossteil der Güter. Bild: Nigel Tadyanehondo / Unsplash

Erste europäische Firmen testen Hyperloops, etwa in Spanien. Für sie spricht die Energieeffizienz – aber reicht das im Kampf gegen Bahn und Flugzeug? Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland: Beim Gütertransport führt kein Weg an Lastwagen vorbei und Deutschland nimmt mehr Geld für die Bahn in die Hand.

von Stefan Ehrbar
6. August 2021

Was bringen Hyperloops in Europa?

Vor sieben Jahren präsentierte Tesla-Chef Elon Musk seinen Hyperloop: eine Vakuumröhre, die mit 1000 Kilometern pro Stunde Passagiere in Kapseln transportieren soll. Mittlerweile ist die Idee auch in Europa angekommen. Mehrere Start-Ups tüfteln an Hyperloop-Systemen. Doch was sind die Risiken und Chancen?

Dieser Frage ist die «Süddeutsche Zeitung» nachgegangen. Sie spricht unter anderem mit Juan Vicén von der spanischen Hyperloop-Firma Zeleros. Er sagt, Hyperloops seien vor allem auf Distanzen von 400 bis 1500 Kilometern anderen Verkehrsmitteln überlegen – etwa, um europäische Hauptstädte wie Paris und Madrid zu verbinden. Auf Distanzen, die mit dem Zug länger als drei Stunden Fahrt benötigen, würden die Leute das Flugzeug nehmen, sagt er. Diesen Markt könnten Hyerloops übernehmen. Zeleros will in Spanien nun eine drei Kilometer lange Teststrecke bauen.

Ihr grosser Vorteil ist die Energieeffizienz. Die Systeme sehen vor, die Luft aus den Röhren zu pumpen, um ein Zentel des Umgebundsdrucks zu erreichen oder sogar ein Vakuum. Das senkt den Luftwiderstand. Zudem sollen die Kapseln reibungslos auf Elektromagneten durch die Röhren schweben.

Die Zeitung berichtet mit Verweis auf Forscher der ETH Lausanne, dass ein Hyperloop zwischen 10 und 50 Wattstunden Energie pro Kilometer und Passagier benötige. Beim Elektroauto sind es 100, ein Flugzeug kommt auf mehr als 500. Auf ihrem Campus hat die Hochschule bereits eine 120 Meter lange Teststrecke aufgebaut.

Schon schwieriger wird es für Hyperloops unter ökonomischen Gesichtspunkten. Bei 28 Sitzplätzen pro Kapsel, wie es Elon Musk vorschwebt, und zwölf Starts pro Stunde, könnten 336 Passagiere pro Stunde transportiert werden. Auf einer Bahnlinie sind es hingegen laut der Zeitung zwischen 5’000 und 10’000. Damit könnten Hyperloops laut einer Berechnung des Verkehrsforschers Ingo Hansen nicht mehr als fünf Prozent des Aufkommens im Luftverkehr und in Hochgeschwindigkeitszügen in Europa abdecken.

Warum sind Lastwagen so beliebt?

In Deutschland haben Lastwagen einen Anteil von 72,4 Prozent am Güterverkehr, die Eisenbahn hingegen nur einen von 18 Prozent. In der Schweiz liegt dieser Anteil laut dem Bundesamt für Statistik bei 37 Prozent, in Nordamerika bei etwa 36 Prozent. Warum ist er in Deutschland so tief? Das beantwortet die «Welt» in einem Artikel.

In den letzten Jahrzehnten habe sich dieser Anteil kaum verändert, schreibt die Zeitung. «Zu wenige und zu langsame Verbindungen, kaum Elektrifizierung oder Digitalisierung werden als Gründe dafür angeführt.»

Tatsächlich aber seien die Kosten ein Hauptargument. Die Löhne von Lastwagenfahrern seien tief und der steuerlich begünstigte Dieselkraftstoff koste 18 Cent weniger pro Liter als Benzin. Darum steige die Zahl der derzeit 3,3 Millionen Lastwagen in Deutschland weiter.

Das Bundesverkehrsministerium will nun allerdings den Anteil der Bahn am Gütertransport bis 2030 auf 25 Prozent steigern. Allerdings fehle es dafür an notwendiger Technik, schreibt die Zeitung – etwa an digitalen und automatischen Kupplungen, die noch bei 450’000 Wagen in Europa fehlten.

Im Jahr 2020 haben alle Verkehrsträger in Deutschland eine Transportleistung von fast 672 Milliarden Tonnenkilometern erbracht. Der Anteil von Deutschland am europäischen Logistikmarkt beträgt laut der Zeitung 24 Prozent. Das liege auch an der geografischen Lage in der Mitte des Kontinents.

Neben Grosskonzernen wie DB Schenker oder Dachser werde die Branche von gut 80’000 mittelständischen Betrieben geprägt. Die Logistikbranche beschäftigt in Deutschland etwa 3,2 Millionen Menschen.

Deutschland nimmt mehr Geld in die Hand für die Bahn

Im vergangenen Jahr hat Deutschland seine Investitionen in die Schieneninfrastruktur um fast 16 Prozent auf fast 88 Euro pro Einwohner (umgerechnet 94 Franken) erhöht. Das berichtet die «Allianz pro Schiene». Zum Vergleich: In der Schweiz sind es etwa 470 Franken.

Die Bilanz der Allianz fällt denn auch gemischt aus, obwohl der Wert in Deutschland so hoch ist wie noch nie. «Die Bundesregierung hat mit einer deutlichen Aufstockung der Etats für einen deutschen Höchststand gesorgt. International stellt Deutschland aber nicht einmal Mittelmass dar», lässt sich ihr Geschäftsführer Dirk Flege zitieren. «Die aktuelle Bundesregierung hinterlässt ihren Nachfolgern in der Verkehrspolitik riesige, unbewältigte Aufgaben. Wer immer die Wahl im September gewinnt, muss vor allem den Neu- und Ausbau der Schieneninfrastruktur beschleunigen.» Ausgerechnet dort habe die Bundesregierung die Mittel aber sogar gekürzt.

So viel investieren die einzelnen Länder. Bild: Allianz pro Schiene

Während in Deutschland 48 Prozent der staatlichen Infrastruktur-Investitionen in den Erhalt, Neu- und Ausbau der Schiene fliessen und 52 Prozent in Strassen, beträgt der Anteil der Schiene in der Schweiz 63 Prozent, in Österreich 67 Prozent und in Luxemburg sogar 69 Prozent. Luxemburg ist denn auch das Land mit den höchsten Pro-Kopf-Investitionen in Europa.

Selbst Italien investiere deutlich mehr als Deutschland, schreibt die «Allianz pro Schiene». Zudem fehle der Regierung der Mut, der Schiene Vorrang in der Verkehrspolitik einzuräumen. Deutschland setze «völlig falsche Prioritäten», indem es die Strasse nach wie vor übergewichte.

Zum Thema geäussert hat sich auch Peter Füglistaler, der Direktor des Schweizer Bundesamt für Verkehr. «Die Investitionen in den Schienenverkehr steigen in Deutschland um erfreuliche 16 Prozent, allerdings auf tiefen Niveau», schreibt er auf dem Portal LinkedIn. «Ein Anfang ist gemacht und der Trend geht in die richtige Richtung. Das nächste Ziel für Deutschland wäre, mit Italien gleich zu ziehen. Wir Schweizer freuen uns auf mehr Schienenverkehr!»

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