Mehr Velo- als Autofahrer in London // Streit um Milliarden-Mehrkosten bei Stuttgart 21 // Falschmeldungen zu Elektroautos

In der Londoner City wird viel Velo gefahren. Bild: Kai Pilger/Unsplash

Im historischen Zentrum von London sind erstmals mehr Velo- als Autofahrer unterwegs. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Stuttgart 21 wird deutlich teurer als geplant. Wer das bezahlen muss, ist noch offen – und wegen eines brennenden Frachters werden viele Falschmeldungen zu Elektroautos verbreitet.

von Stefan Ehrbar
3. August 2023

Mehr Velo- als Autofahrer in der Londoner City

Wie viele andere Städte hat sich auch London in den letzten Jahren die Förderung des Veloverkehrs auf die Fahne geschrieben und sich zum Ziel gesetzt, den Autoverkehr zu reduzieren. In der «Ultra Low Emission Zone» sind beispielsweise nur Autos zugelassen, die Umweltvorgaben erfüllen. Alle anderen müssen eine tägliche Gebühr bezahlen. Bereits seit 2006 kennt London auch eine Innenstadtmaut, die sogenannte London Congestion Charge.

Diese Massnahmen zeigen ihre Wirkung, wie das Magazin «Forbes» berichtet. In der City of London gebe es laut einem Bericht des Transportkomitees der City of London Corporation mittlerweile mehr Velo- als Autofahrer.

Die City of London bezeichnet allerdings nur das knapp drei Quadratkilometer grosse historische Finanzviertel der Stadt. Touristinnen und Touristen ist die City etwa durch die St. Paul’s Cathedral bekannt. Die City of London hat nur wenige Tausend Einwohner, aber hunderttausende Arbeitsplätze.

Gemäss dem Bericht werden in der City of London währen den Hauptverkehrszeiten mittlerweile mehr Velos gezählt als Nutzer anderer Verkehrsmittel. Zu Spitzenzeiten machen Velofahrer demnach 40 Prozent des Strassenverkehrs aus, tagsüber sind es 27 Prozent.

Die Zählung des Verkehrs über 24 Stunden erfolgte laut dem Artikel an einem «nassen und windigen Novembertag» des letzten Jahres. An schönen und warmen Tagen dürfte die Zahl deshalb eher höher liegen – und im Jahresdurchschnitt wohl ebenfalls.

Insgesamt ist allerdings das Zu-Fuss-Gehen auch in der City of London nach wie vor das wichtigste Fortbewegungsmittel. Die Zahl der Fussgänger liege aber unter den Werten vor der Pandemie. Die Zahl der Kraftfahrzeuge liege gar 80 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019.

Die Zahl der Velofahrer ist hingegen zwei Prozent über dem Niveau von 2019. Wie es im Artikel weiter heisst, ist die Zahl der Autofahrer seit 1999 um 64 Prozent zurückgegangen, während die Zahl der Velofahrer im selben Zeitraum um 386 Prozent gestiegen ist.

Dieser Trend gilt nicht nur für die City of London, sondern auch für die ganze Stadt. «Langfristige Trends, die anhand von Zähldaten von 12 Standorten in der ganzen Stadt seit 1999 beobachtet wurden, zeigen, dass das Kraftfahrzeugaufkommen weiter zurückgeht und das Veloaufkommen weiter zunimmt», zitiert «Forbes» aus dem Bericht.

Am stärksten zurück ging die Auto-Nutzung laut dem vor einigen Wochen veröffentlichten Artikel zwischen 2007 und 2009 sowie zwischen 2014 und 2016. Der starke Anstieg des Veloverkehrs wird von Danny Williams, CEO der der regierungsnahen Organisation Active Travel England, als «ziemlich erstaunlich» bezeichnet.

Streit um Milliarden-Mehrkosten bei Stuttgart 21

Die Kosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 mit einem neuen Tiefbahnhof und Tunnelbauwerken in Stuttgart sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Im Jahr 2008 rechnete der Bundesrechnungshof noch mit Gesamtkosten von 5,3 Milliarden Euro (umgerechnet 5,1 Milliarden Franken), mittlerweile gehen die Deutsche Bahn (DB) und die Projektpartner von 9,15 Milliarden Euro aus (umgerechnet 8,8 Milliarden Franken).

Dabei dürfte es möglicherweise nicht bleiben – und um die Finanzierung der Mehrkosten ist ein Streit entbrannt, den die Gerichte entscheiden müssen. Die DB und die Projektpartner halten derzeit das Stuttgarter Verwaltungsgericht auf Trab. Die DB hat dort geklagt und verlangt, dass das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und der Flughafen Stuttgart sich an den Mehrkosten beteiligen müssen.

Der Flughafen Stuttgart ist involviert, weil er mit dem Projekt einen neuen Bahnhof erhalten soll, der an die Schnellfahrstrecke Stuttgart–Wendlingen(–Ulm) angebunden werden soll und sowohl dem Fern- als auch dem Nahverkehr dienen wird.

Wie das Portal «bahnblogstelle.com» diese Woche berichtet, belaufen sich die Gesamtkosten der Bahn derzeit auf 9,15 Milliarden Euro zuzüglich eines Puffers in der Höhe von 640 Millionen Euro. Die DB will, dass sich die Partner an Mehrkosten bis zu einer Höhe von rund 11,8 Milliarden Euro beteiligen müssen. Dies soll nach einem bestimmten Verteilmechanismus geschehen, der im Finanzierungsvertrag für Stuttgart 21 festgelegt wurde.

Im Vertrag ist laut dem Artikel allerdings nur die Verteilung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milliarden Euro geregelt. Unklar ist, wer die Mehrkosten von derzeit mindestens 4 Milliarden Euro tragen muss. Im Vertrag wurde dieser Fall nur mit einer Klausel geregelt, die besagt, dass die Eisenbahninfrastrukturunternehmen und das Land Baden-Württemberg dann Gespräche aufnehmen müssen. Was das genau bedeutet, ist umstritten.

So geht die DB laut dem Artikel von einer «gemeinsamen Finanzierungsverantwortung» aus, während die Projektpartner darauf beharren, dass Festbeträge vereinbart wurden. Einen kleinen Erfolg konnte die DB bereits erreichen: Das Gericht geht nach einer vorläufigen Analyse nicht davon aus, dass die Verjährungsfrist für solche Forderungen abgelaufen ist, sondern dass diese erst zu laufen beginnt, wenn die Überschreitung der Kosten festgestellt und dokumentiert wird.

Die grössten Falschmeldungen zu Elektroautos

Elektroautos brennen häufig und spontan ab und die Produktion der Akkus verschlingt Unmengen an Wasser: Das sind nur zwei der Behauptungen, die in Diskussionen zu Elektroautos immer wieder zu hören sind. Die deutsche «Tagesschau» ist solchen Meldungen nun nachgegangen und stellt die grössten Falschmeldungen klar.

Aktuell ist das Thema etwa, weil der Frachter «Fremantle Higway» mit etwa 3800 geladenen Autos vor der niederländischen Wattenmeer-Insel Ameland Feuer gefangen hat, was laut Befürchtungen von Umweltorganisationen grössere Umweltschäden zur Folge haben könnte, wie 20min.ch berichtet. Unter den Autos sind auch 498 Elektroautos.

Wieso es zum Brand gekommen ist, ist allerdings noch unklar. Medien- und Blogberichte, die den Brand mit den Elektroautos an Bord begründen, konnten bisher nicht bestätigt werden. Wie es im Tagesschau-Artikel heisst, würden in diesem Zusammenhang denn auch gezielt Desinformationen verbreitet – besonders auch in den sozialen Medien.

Die Behauptung, dass Elektroautos häufiger brennen als konventionell betriebene Fahrzeuge, lässt sich auf jeden Fall anhand der vorhandenen Daten nicht stützen. Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI sagt im Artikel, es gebe in der Forschung dazu keine Anhaltspunkte.

Viel eher ist das Gegenteil der Fall. «Insgesamt ist die Datenlage noch überschaubar, aber es gibt eine Reihe von Zahlenmaterial von Versicherern, wie viele Autobrände sie je nach Antriebsart zahlen mussten. Demnach brennen batterieelektrische Fahrzeuge zwischen zehn und 100 mal seltener als Verbrenner», wird Plötz zitiert.

Der US-amerikanische Versicherer AutoInsuranceEZ hat Daten ausgewertet. Demnach brennen im Verlauf ihres Lebens etwa 25 von 100’000 verkauften Elektroautos, aber 1530 von 100’000 Verbrenner-Fahrzeugen (zu den Resultaten in Englisch).

Allerdings ist es laut dem Artikel tatsächlich so, dass sich Elektroautos tendenziell schwieriger löschen lassen, wenn sie einmal brennen. Das liege daran, dass die Lithium-Ionen-Akkus beim Brennen selbst Sauerstoff produzierten, was das Löschen mit CO2 praktisch wirkungslos mache. Zudem seien Akkus so gebaut, dass sie vor Wasser gut geschützt seien.

Wie es im Artikel weiter heisst, würden sich auch Falschmeldungen zur Ökobilanz von elektrisch betriebenen Autos hartnäckig halten. So heisse es oft, dass deren CO2-Bilanz nicht besser sei als jene von konventionell betriebenen Fahrzeugen.

Experte Plötz begründet dies damit, das ältere Studien zu dem Thema stark überholt seien. «Besonders bei der Herstellung der Batterien hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan, so dass die CO2-Bilanz von E-Autos noch einmal besser geworden ist», sagt er. Zudem werde oft falsch gerechnet. Beispielsweise rechneten einige Studien die CO2-Emissionen, die für die Kraftstoffbereitstellung von Benzin und Diesel anfallen, nicht mit rein.

Auch die oft verbreitete Zahl von 80’000 Litern Wasser, die pro Autobatterie benötigt werden, ist laut dem Artikel überholt. Tatsächlich dürften es etwa 2’400 bis 12’000 Liter sein. Zum Vergleich: Pro Kilogramm Rindfleisch werden etwa 15’000 Liter Wasser verbraucht.

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