Multimodales Reisen gilt als Hoffnungsträger, wenn es um die Verringerung von Autofahrten geht. Studien zeigen, worauf es dabei ankommt. Ausserdem im Blick aufs Ausland mit Links zu spannenden Geschichten: Die ÖBB braucht jedes Jahr 3500 neue Mitarbeitende – und darum verkauft Hertz in den USA 20’000 Elektroautos.
von Stefan Ehrbar
19. Januar 2024
Das weiss die Forschung zu multimodalem Reisen
Multimodales Reisen ist eines der grossen Themen in der Mobilitäts-Welt. Darunter wird die Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln verstanden – also beispielsweise eine Reise, die mit der Velofahrt zum Bahnhof beginnt, mit der S-Bahn weiterführt und mit der Fahrt im Carsharing-Auto endet.
Apps und Anwendungen, die beispielsweise eine Routenplanung mit verschiedenen Verkehrsmitteln integrieren, die dort im Idealfall auch direkt gebucht werden können, sollen nicht zuletzt den Umstieg vom eigenen Auto auf den öffentlichen Verkehr und den Langsamverkehr erleichtern. In der Schweiz testeten beispielsweise die SBB und städtische Verkehrsbetriebe bis Ende 2021 die App yumuv, in der ÖV-Tickets, aber auch Carsharing-Autos oder E-Scooter direkt gebucht und bezahlt werden konnten.
Doch was weiss die Forschung überhaupt zu multimodalen Reisen und wer auf die Kombination verschiedener Verkehrsmittel setzt? Dazu sind in jüngster Zeit einige wissenschaftliche Arbeiten erschienen.
Forscher des chinesischen College of Urban and Environmental Sciences in Peking und des University College in London haben etwa kürzlich eine Studie mit dem Titel «Travel behaviour and multimodality: a conceptual framework and critical review of research» in der Zeitschrift «Transport Reviews» veröffentlicht. Ziel war es laut den Autoren, einen Überblick über die wichtigsten Themen in Zusammenhang mit multimodalem Reiseverhalten zu geben und Erkenntnisse für Forscher und Praktiker zu liefern. Dafür wurden unter anderem 182 wissenschaftliche Artikel zum Thema analysiert. Die Studie kann kostenpflichtig auf tandfonline.com gelesen werden.
Vor einem Jahr hatte schon ein Team der University of Leeds ihre Arbeit mit dem Titel «Multimodal travel behaviour, attitudes, and cognitive dissonance» publiziert, die im Wesentlichen auf Reise-Tagebüchern und Umfragen der Nutzer zu den Einstellungen gegenüber verschiedener Verkehrsmittel beruhte.
Die Arbeit zeigte, dass die Einstellungen der Menschen einen Einfluss auf die Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln haben. Wer öfter multimodal unterwegs ist, hat eine differenziertere Einstellung gegenüber verschiedenen Verkehrsmitteln als Menschen, die im Wesentlichen nur ein Verkehrsmittel nutzen. Diese hätten oft Vorurteile, so die Forscher. Es gebe aber Forschung die zeige, dass Autonutzer, die den ÖV nicht nutzten, eine niedrige Zufriedenheit mit diesem prognostizierten. Wenn sie aber tatsächlich für einen Monat mit dem ÖV reisen, steige ihre Zufriedenheit deutlich an. Das liege auch daran, dass die Fahrzeit und die Kosten mit dem ÖV von Autofahrern im Voraus oft überschätzt werden.
Gleichzeitig zeigte die Studie auch, dass viele Menschen, die multimodal unterwegs sind, eine negative Einstellung gegenüber den Verkehrsmitteln haben, die sie nutzen. Besonders das zu-Fuss-gehen und die Fahrt in Zügen wird von ihnen oft als negativ empfunden. Dass sie die Verkehrsmittel trotzdem nutzen und kombinieren, führen die Forscher etwa auf Kosten-Überlegungen zurück.
Eine weitere, etwas ältere Studie des in Teilen gleichen Forschungsteams zeigte, dass Personen, die öfter multimodal unterwegs sind, eher beabsichtigen, ihre Autonutzung zu verringern. Gleichzeitig beabsichtigen Menschen, die sehr stark auf das Auto setzen, dieses noch öfter zu nutzen und ihre Abhängigkeit davon noch zu verstärken. Diese Studie kann ebenfalls kostenlos gelesen werden.
ÖBB sucht 3500 Mitarbeitende
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) beschäftigen knapp 43’000 Mitarbeitende. Davon werden in den nächsten Jahren sehr viele pensioniert. Dieses Problem der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge, die aus dem Arbeitsmarkt verschwinden, kennen auch andere Betriebe.
Bei den ÖBB sind die Dimensionen aber eindrücklich: In den nächsten Jahren wird laut einem Bericht des Portals eisenbahn.blog ein Fünftel der derzeitigen Mitarbeitenden in den Ruhestand treten. Dies soll bis 2027 der Fall sein. Deshalb suche der Konzern jedes Jahr 3500 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den kommenden Jahren wolle die ÖBB so über 17’500 Stellen schaffen. ÖBB-Chef Andreas Matthä wird damit zitiert, die Bahn stehe vor dem «grössten Generationenwechsel in unserer Geschichte».
Die Attraktivität der Bahn basiere auf «sinnvollen Jobs in einer zukunftsorientierten Branche», so Matthä. Das ÖBB-Personal gestalte innovative und nachhaltige Mobilität.
Laut dem Bericht werden vorrangig Fachkräfte in eisenbahnspezifischen Berufen gesucht – also Lokführerinnen und -führer, Zugbegleiter oder Fahrdienstleiterinnen. Die ÖBB ist aber auch im Linienbusverkehr stark und braucht dafür in ganz Österreich neue Busfahrerinnen und Busfahrer. Auch der Bedarf nach IT-Spezialisten sei hoch.
Wie es im Artikel weiter heisst, bietet die ÖBB die Ausbildung für viele ihrer 131 verschiedenen Berufsbilder selbst an. Für das kommende Lehrjahr würden in ganz Österreich zudem etwa 650 Lehrlinge in 27 verschiedenen Lehrberufen gesucht.
Vor ähnlichen Problemen steht auch die SBB. Sie beschäftigte Ende des vorletzten Jahres 34’227 Mitarbeitende, 729 mehr als noch zwei Jahre zuvor. Die SBB müsse jedes Jahr pensionsbedingt 1000 Mitarbeitende ersetzen, sagte Bahnchef Vincent Ducrot Ende 2023 zu CH Media. «Der Fachkräftemangel ist unsere grösste Herausforderung.» Gleichzeitig sei der Markt ausgetrocknet. Das gelte mittlerweile selbst für Ingenieurinnen und Ingenieure, die in ganz Europa gefragt seien.
Darum verkauft Hertz 20’000 Elektroautos
Die Nachricht war Wasser auf die Mühlen von Kritikern der Elektromobilität: Der US-Autovermieter Hertz, der grösste der Welt, gab Anfang Jahr bekannt, in den USA 20’000 Elektroautos wieder zu verkaufen. Das entspricht einem Drittel der Elektroauto-Flotte.
Mit einem Teil der Erlöse will das Unternehmen stattdessen neue Verbrennermodelle beschaffen. Zuvor hatte Hertz als Pionier in Sachen Elektromobilität gegolten. Der Schritt sei denn auch ein «Alarmzeichen für die Branche», analysiert diese Woche die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit».
Hertz hatte den Schritt vor allem mit hohen Kosten für Reparaturen begründet. Zwar gelten Elektroautos als weniger serviceintensiv. Doch die Reparatur ist laut Hertz schwieriger und teurer, weil es noch kein etabliertes System von Werkstätten und Ersatzteillieferanten gibt.
Beachtet werden muss dabei, dass diese Aussagen für das Geschäft in den USA getätigt wurden. Dort ist die Elektromobilität noch deutlich weniger weit entwickelt als in Europa. Im Jahr 2022 waren 5,6 Prozent der in den USA neu verkauften Autos elektrisch betrieben, während die Schweiz auf einen Wert von knapp 18 Prozent kam. In den USA hatten die Elektroauto-Verkäufe zuletzt aber stark zugelegt.
Wie es im Artikel der «Zeit» heisst, stehe in den USA den höheren Kosten für den Unterhalt noch nicht die erhoffte Nachfrage der Kunden gegenüber, was auch an der mangelnden Ladeinfrastruktur liege.
«Als ich neulich bei einer New Yorker Hertz-Station einen Mietwagen abholen wollte, gab es nur noch einen Tesla», schreibt die Journalistin. «Doch die meisten Kunden wollten lieber auf einen Verbrenner warten, weil sie nicht sicher waren, wie und wo sie das Auto laden können würden.»
Die schwächer als erwartete Nachfrage nach E-Modellen treffe aber nicht nur Hertz als Verleiher, sondern auch die Hersteller. «Das ist ein Grund für die Preissenkungen», heisst es im Artikel. Besonders Tesla – in den USA mit einem Anteil von etwa 50 Prozent an den Elektroautos der unbestrittene Dominator – habe die Preise gesenkt. «Und Hertz› E-Flotte besteht zu 80 Prozent aus Tesla-Modellen. Die niedrigeren Preise für Neuwagen schlagen auf Hertz durch, denn ein Teil des Geschäfts ist der Verkauf von gebrauchten Leihwagen.» Hertz habe darum im letzten Berichtsquartal 245 Millionen US-Dollar abschreiben müssen.
Gleichzeitig sei es ein Problem, dass Hertz in den USA nicht die immer günstigeren Elektroautos aus China etwa des Herstellers BYD importieren könne – oder zumindest nicht gewinnbringend. Denn die USA haben unter Donald Trump Einfuhrzölle von 25 Prozent auf Autos aus China eingeführt – eine Massnahme, an der auch Präsident Joe Biden festhält. Zudem können chinesische Hersteller nicht von Fördermitteln in den USA profitieren, mit denen der Anteil der Elektroautos bis 2030 auf 50 Prozent der Verkäufe gesteigert werden soll.
«Für Bidens Regierung – wie auch für die EU – präsentieren die günstigeren Anbieter aus China einen Konflikt: Einerseits wollen sie möglichst rasch die Umstellung auf E-Mobilität, andererseits müssen sie fürchten, die heimischen Hersteller zu untergraben, wenn sie eine Flut von Importen zulassen», heisst es im Artikel. «Und es ist fraglich, ob die Zölle und andere Handelshemmnisse die chinesischen Anbieter tatsächlich dauerhaft aussen vor halten können. Noch niedrigere Preise könnten die 25 Prozent an Einfuhrzoll verkraftbar machen.» Dann – und wenn es mehr Ladestationen gibt – könnte auch Hertz wieder mehr auf Elektroautos setzen.
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