
So soll der Bahnhof Rancho Cucamonga in Kalifornien aussehen. Bild: Brightline West
Verkehrte Welt: Italien und Tschechien wollen höhere Tempi auf Autobahnen. Ist es reiner Populismus? Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Ein Hochgeschwindigkeits-Zug zwischen Los Angeles und Las Vegas nimmt wichtige Hürden und New York nimmt dem Auto viel Platz weg.
von Stefan Ehrbar
21. Juli 2023
Höhere Tempolimits in Italien und Tschechien?
Deutschland ist mit seinen Autobahn-Strecken ohne Geschwindigkeitsbeschränkung bis heute eine Ausnahme in Europa geblieben – und die Diskussionen werden eher über eine Einführung eines Tempolimits von 130 Kilometern pro Stunde geführt denn über eine Ausweitung der Strecken ohne Limit. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund des Klimaschutzes und der Verkehrssicherheit.
Umso erstaunlicher ist nun die Entwicklung, die in zwei anderen EU-Ländern zu beobachten ist und über die diese Woche «Auto Bild» berichtet.
Demnach könnten in Italien und Tschechien die Tempolimits auf Autobahnen zumindest teilweise angehoben werden. In Italien habe Verkehrsminister Matteo Salvini die Strassenverkehrsordnung überarbeiten lassen. Neu sehe diese vor, dass das Tempolimit auf besonders sicheren Abschnitten von 130 auf 150 Kilometer pro Stunde angehoben wird.
Im Grundsatz gilt Tempo 150 auf dreispurigen Autobahnen in Italien schon lange, doch praktisch wird auf den meisten betroffenen Abschnitten eine tiefere Höchstgeschwindigkeit signalisiert. Laut dem Bericht sind 2000 der 7000 italienischen Autobahnkilometer mindestens dreispurig, und auf drei Viertel dieser 2000 Kilometer ist die Geschwindigkeit tiefer als 150 km/h.
Von «generell Tempo 150» könnten laut Salvini etwa die A15 von Bologna nach Bari, die A30 zwischen Caserta und Salerno und die A26 zwischen Genua-Voltri und Gravellona Toce profitieren.
Noch ist laut dem Bericht allerdings unklar, ob und wann die Änderungen genau in Kraft treten. Salvini habe Deutschland explizit als Vorbild für sein Vorhaben genannt.
Bereits einen Schritt weiter ist hingegen das EU-Land Tschechien, das auf bestimmten Autobahnen das Geschwindigkeitslimit von 130 auf 150 Kilometer pro Stunde anhebt, wie die Automobilzeitschrift weiter berichtet.
Dabei gehe es allerdings nur um sehr kurze Abschnitte: Die Gesetzesänderung umfasse ausschliesslich neue oder renovierte Autobahn-Etappen des mit 1250 Kilometer ohnehin kleinen tschechischen Autobahn-Netzes. Laut Medienberichten wird die Änderung auf Abschnitten von gerade einmal 50 Kilometern Länge wirksam werden. Die Gesetzesänderung tritt frühestens Ende Januar 2024 in Kraft, wenn alle Institutionen zustimmen.
«Die Entwicklung in Italien und Tschechien ist mindestens skurril: Alle Welt redet vom Klimawandel und gibt sich in Deutschland nicht mal mehr mit der Forderung nach Tempo 130 zufrieden – und anderswo möchte man Gas geben», heisst es im Bericht. «Die Annahme, dass mit diesem Schritt ein Damm gebrochen sein könnte, liegt nahe – weitere Schritte bzw. Regeländerungen könnten folgen. Mehr als Populismus steckt jedenfalls nicht dahinter.»
Hochgeschwindigkeits-Zug in Kalifornien und Nevada
Das Projekt eines Hochgeschwindigkeit-Zuges vom Grossraum Los Angeles in die Wüstenstadt Las Vegas im Bundesstaat Nevada hat diese Woche einen wichtigen Schritt genommen. Das schreibt das Portal reviewjournal.com.
Demnach seien die Umweltprüfung und das Genehmigungsverfahren für den Abschnitt der von der privaten Betreiberfirma Brightline West geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke von Victor Valley nach Rancho Cucamonga in Kalifornien abgeschlossen worden. Die zuständige Behörde, die Federal Railroad Administration (FRA), habe dabei festgestellt, dass die geplante Strecke keine nennenswerten Umweltauswirkungen hätte.
Die Präsidentin von Brightline West, Sarah Watterson, liess sich damit zitieren, dass der Erhalt von Genehmigungen und Wegerechten in der Regel die grösste Hürde für den Erfolg solch grosser Infrastrukturprojekte sei. «Die enormen Fortschritte von Brightline West in diesem Bereich zeigen, warum wir auf einen ersten Spatenstich noch in diesem Jahr zusteuern.»
Zu diesem etwa 50 Meilen langen Abschnitt (etwa 31 Kilometer) würden zwei Bahnhöfe gehören: einer in Hesperia und einer in Rancho Cucamonga. Die Station in Hesperia hat laut dem Bericht bereits eine Umweltgenehmigung erhalten und soll auch Wartungseinrichtungen beinhalten.
Die gesamte Bahnstrecke von Las Vegas nach Rancho Cucamonga soll 12 Milliarden US-Dollar kosten (etwa 10,3 Milliarden Franken), 218 Meilen lang sein (etwa 135 Kilometer) und einen Personenbahnhof im Süden Nevadas am Las Vegas Boulevard und der Blue Diamond Road umfassen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Abschnitt von Las Vegas nach Apple Valley wurde laut dem Bericht bereits 2011 durchgeführt.
Die Züge sollen im Einstundentakt fahren. Eine Fahrt zwischen Hesperia und Rancho Cucamonga soll voraussichtlich 35 Minuten dauern. Die Züge sollen auf die Metrolink-Züge in Rancho Cucamonga abgestimmt sein, um dort Anschluss an den Grossraum Los Angeles zu bieten. Der erste Spatenstich soll dieses Jahr folgen, der Betrieb soll im Jahr 2027 aufgenommen werden. Möglicherweise erhält Brightline zudem einen Zuschuss von 3,75 Milliarden US-Dollar vom Verkehrsministerium von Nevada.
So nimmt New York dem Auto Platz weg
Während der Coronakrise hat New York wie viele andere Metropolen neue Velowege gebaut, Strassen gesperrt und Fussgängerzonen eingerichtet. Doch dabei soll es nicht bleiben.
Wie «Bloomberg» berichtet, hat die Stadt mit Ya-Ting Liu ihre erste Beauftragte für öffentliche Räume der Stadt ernannt («Chief Public Realm Officer»). Sie hat in jedem Stadtbezirk vorrangige Projekte festgelegt. Diese machen einen Teil der 375 Millionen US-Dollar (umgerechnet 322 Millionen Franken) aus, welche die Stadt für eine sauberere und grünere Stadt vorgesehen hat.
Dazu gehören eine Ausweitung der Fussgängerzonen, breitere Trottoirs und Erweiterungen des öffentlichen Raums. Liu beschäftigt sich zudem mit der Verbesserung der Verkehrsanbindung und der Förderung des Velos.
Die Überlegung hinter der Einführung des neuen Amts ist auch, dass Projekte im öffentlichen Raum kompliziert sind und in der Regel lange dauern. Mit der neuen Beauftragten erhoffen sich sowohl die Stadt als auch Interessensverbände eine Beschleunigung der Prozesse. Zudem soll Liu auch sicherstellen, dass Projekte in allen Stadtteilen und Bezirken gleichberechtigt durchgeführt werden.
Bloomberg hat im Artikel einige exemplarische Projekte aufgelistet, die zeigen, wie stark New York den öffentlichen Raum transformieren will.
Die erste Phase des «Broadway Vision Plan», mit dem ein grösserer Teil im Bereich Midtown Manhattan autofrei gestaltet wird, besteht etwa aus zwei neuen Plätzen und einer Velospur in zwei Richtungen. Zudem werden Trottoirs und Fussgängerstreifen verbreitert.
Zudem wurde laut dem Artikel am Eingang zur Brooklyn Bridge ein Park mit der Grösse von einem Hektar mit dem Namen «The Arches» eröffnet, in dem man Schlittschuhlaufen, Basketball spielen oder sitzen kann.
Ein weiteres in Manhattan angesiedeltes Projekt sieht vor, die Fifth Avenue vom Bryant Park bis zum Central Park neu zu beleben und die bekannte Einkaufsmeile mit Bäumen, breiteren Trottoirs und mehr Beleuchtung auszurüsten. Das Projekt soll innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden.
An der Underhill Avenue im Stadtteil Prospect Heights in Brooklyn soll ein neuer für Fussgänger reservierter Platz entstehen. Es ist der erste Schritt zur Umwandlung eines ganzen Korridors zu einem Velo-Boulevard mit der Sperrung von verschiedenen Strassen für den Autoverkehr. Dafür soll Platz für Aktivitäten wie Yoga-Kurse im Freien geschaffen werden.
Als weiteres Beispiel nennt der Artikel einen Abschnitt der Jamaica Avenue in Queens, der mit Granitblöcken, Tischen, Stühlen und Pflanzen ausgestattet wurde. Dadurch sollen sich Menschen auf der Strasse treffen zum Lesen, Sitzen oder Essen. Ebenfalls investiert New York viel Geld in die bessere Zugänglichkeit von U-Bahn-Stationen. Die Umgestaltung des öffentlichen Raums in New York stützt auch auf der Überlegung, dass in der dicht besiedelten Stadt vielen Menschen wenig Wohnraum zur Verfügung steht und die Strassen deshalb als «erweiterter Wohnraum» betrachtet werden müssen.
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