Das Zürcher Nachtnetz wächst stark, der Fahrplan ist instabil: Braucht es Trams in der Nacht?

Das Zürcher Nachtnetz wird stärker nachgefragt als gedacht. Bild: ZVV

Seit ein neues Konzept eingeführt und der Nachtzuschlag aufgehoben wurde, steigt die Nachfrage im Nachtnetz der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) viel stärker an als prognostiziert. Wegen einem instabilen Fahrplan muss bereits eine Linie gekürzt werden – und die Frage nach Trams in der Nacht kommt wieder auf.

von Stefan Ehrbar
11. Oktober 2022

Auf den wichtigsten Achsen in der Stadt Zürich verkehren die Nachtbusse seit dem letzten Fahrplanwechsel in den Wochenendnächten im Viertelstundentakt. Das entspricht einer Verdoppelung des Angebots. Ein Jahr zuvor war schon der Nachtzuschlag von 5 Franken aufgehoben worden. Das hat zu einer unglaublichen Steigerung der Nachfrage geführt: Schon Mitte Juli kommunizierte der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), dass gegenüber 2019 in der Stadt Zürich fast 70 Prozent mehr Passagiere das Nachtnetz nutzen.

Wegen der grossen Nachfrage lässt sich der Fahrplan in der Nacht teilweise nicht halten – und die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) müssen an verschiedenen Orten nachbessern. 

Auch grössere Busse werden nun eingesetzt. Doch mit dem Erfolg des Nachtnetzes stellt sich auch die Frage, ob die Nachfrage mit Bussen überhaupt noch abgedeckt werden kann oder ob doch Trams auch in der Nacht fahren müssen. Es ist eine Option, die der ZVV bei der Neukonzeption des Nachtnetzes noch explizit verworfen hatte.

Noch ist das kein Thema: «Momentan bestehen diesbezüglich keine Absichten», sagt VBZ-Sprecher Leo Herrmann auf Anfrage von Mobimag. Um den Kapazitätsengpässen zu begegnen und die Fahrpläne zu stabilisieren, werden aber diverse weitere Massnahmen umgesetzt. Dabei handelt es sich um folgende Änderungen ab Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2022:

  • Die Fahrten der Linie N1, welche heute bis Schlieren Zentrum geführt werden, enden neu wie die Linie 31 bereits in Hermetschloo. Die Fahrten der Linie N1 nach Dunkelhölzli bleiben unverändert. Grund für die Kürzung ist laut VBZ-Sprecher Herrmann die Nachfrage, «die wesentlich höher ist als erwartet»: «Der Nachtbus N1 muss an mehr Haltestellen anhalten als antizipiert und der Fahrgastwechsel dauert länger.» Ein pünktlicher Betrieb sei darum mit dem jetzigen Fahrplan nicht aufrechtzuerhalten. «Auch kann in vielen Fällen in Schlieren der Nachtbus N30 so nicht erreicht werden, womit für die Fahrgäste ein unangenehmer Unterbruch entsteht.»
  • Als Ersatz wird neu die Linie N17 bis nach Schlieren verlängert. Dadurch erhält Schlieren neu eine Direktverbindung ab Limmatplatz und Escher-Wyss-Platz. Zudem kann laut Herrmann vom in Hermetschloo endenden N1 auf den N17 umgestiegen werden. «Dieser erreicht sodann auch mit genügend Umsteigezeit noch den N30, womit Anschlussbrüche vermieden werden», so der Sprecher. «Leider kann in Gegenrichtung der Anschluss vom N34 auf den N17 (heute auf N1) nicht mehr gewährt werden, jedoch erreicht man mit dem N34 in Schlieren auch die Richtung Zürich verkehrende Nacht-S-Bahn SN1.»
  • Generell soll laut Herrmann mehr Fahrzeit auf verschiedenen Linien eingeplant werden.
  • Die Linien N11 und N91 werden zwischen Bahnhofstrasse und Limmatquai getauscht.
  • Die Linie N6 wird bis Bahnhof Stettbach verlängert.
  • Die Linie N74 wird bis zum Bahnhof Schwerzenbach verlängert und bedient Benglen erst auf dem Rückweg. In Schwerzenbach entsteht Anschluss auf die SN9 nach Uster und den Bus N72 nach Volketswil. Die SN9 von Zürich HB wird abgewartet.
  • Bei der Bedienung von Kienastenwies kommt es ebenfalls zu einem Tausch: Neu fährt der Bus N71 statt N74, womit Kienastenwies vier- statt dreimal pro Nacht bedient wird.
  • Eine neue Linie N99 verkehrt vom Bahnhof Zollikon nach Zollikerberg. Die SN7 wird aus beiden Richtungen abgewartet. Die Linie N11 wird angepasst und verkehrt ab Zollikerberg stadteinwärts.
  • Teilweise werden Linien von Standard- auf Gelenkbusse umgestellt. Das trifft etwa auf die Linien N3, N7 und N74 zu.
  • Insgesamt sieben Kurse werden von Diesel- auf Elektrobusse umgestellt.

«Mit diesen Massnahmen werden die dringendsten Kapazitätsengpässe behoben», sagt VBZ-Sprecher Leo Herrmann. «Vorderhand muss die weitere Entwicklung dann abgewartet werden. Bei Bedarf lässt sich die Kapazität durch einen vermehrten Einsatz von Gelenk- statt Standardbussen weiter steigern. Sollte auch dies nicht ausreichen, werden in Absprache mit dem ZVV weitere Massnahmen geprüft.»

Wie sich die Passagierzahlen weiter entwickeln, wissen die VBZ nicht. Die Passagierzahlen lägen bereits mit der aktuellen Entwicklung «deutlich über den Erwartungen». Es sei aber anzunehmen, dass die Wachstumskurve früher oder später abflachen werde.

Ob die starke Nachfragesteigerung auf das neue Konzept oder den Wegfall des Nachtzuschlags zurückzuführen ist, weiss Herrmann nicht. «Sicherlich haben beide Faktoren zur erfreulichen Entwicklung beigetragen».

Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren