Weltweit steigt die Nachfrage nach Elektroautos stark an. Dieses Jahr wird ein neuer Rekord gebrochen. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Städten bleibt nichts anderes übrig, als die Autofahrten zu reduzieren – und eine Schweizer Firma entscheidet über die saubere Seefahrt mit.
von Stefan Ehrbar
28. April 2023
Die Nachfrage nach Elektroautos steigt stark
In diesem Jahr werden die Verkäufe von Elektroautos einen weiteren Rekord knacken. Das berichtet die Internationale Energie-Agentur (IEA) diese Woche auf ihrem Onlineportal.
Demnach wird ihr Anteil an den Neuzulassungen am weltweiten Automarkt auf fast einen Fünftel steigen. Das führe zu einem «tiefgreifenden Wandel in der Automobilindustrie, der Auswirkungen auf den Energiesektor und insbesondere den Ölsektor hat», schreiben die Autoren mit Verweis auf ihren «Global Electric Vehicle Outlook».
Bereits letztes Jahr wurden weltweit über 10 Millionen elektrisch betriebene Autos verkauft. Dieses Jahr soll der Absatz um voraussichtlich 35 Prozent auf 14 Millionen steigen. Ende Jahr dürfte der Anteil an den Verkäufen bei 18 Prozent liegen – nach erst 4 Prozent im Jahr 2020 und 14 Prozent im vergangenen Jahr.
IEA-Direktor Fatih Birol wird damit zitiert, dass Elektroautos «einen historischen Wandel der Automobilindustrie weltweit» bewirken würden. Bis im Jahr 2030 würden Elektroautos einen täglichen Bedarf von mindestens fünf Millionen Barrel Öl pro Tag vermeiden. Und das sei erst der Anfang, denn elektrisch betriebene Busse und Lastwagen dürften in grösserem Stil erst später auf den Markt kommen.
Die Verkäufe konzentrieren sich im Wesentlichen auf drei Märkte: China, Europa und die USA. Im vergangenen Jahr wurden 60 Prozent der weltweiten Verkäufe von Elektroautos in China registriert.
Auch über die Hälfte der bisher bereits verkauften Elektroautos fahren im Reich der Mitte. Europa ist der zweitgrösste Markt, die USA der drittgrösste. Im vergangenen Jahr wurden dort ebenfalls starke Absatzanstiege von 15 respektive 55 Prozent registriert.
Die USA hinken Europa und China bei der Adaption von Elektroautos noch deutlich hinterher, was den stärkeren Anstieg erklärt.
Dass der Marktanteil von Elektroautos weiter steigen wird, erklärt die IEA auch mit politischen Programmen – etwa dem sogenannten «Fit for 55»-Paket der EU, das neue, strengere Grenzwerte mit sich bringt, oder dem Inflation Reduction Act in den USA.
In China, der EU und den USA dürften Elektroautos im Jahr 2030 denn auch schon eine Mehrheit von 60 Prozent der Neuwagenverkäufe auf sich vereinen. Das soll auch positive Auswirkungen auf die Batterieproduktion und die Lieferketten haben. Die Produktion wird demnach so stark gesteigert, dass das Ziel von Netto Null bis 2050 erreicht werden könnte.
Die Produktion von Batterien und Elektroautos wird weiterhin stark von China dominiert, so die IEA. Zudem hat China einen Anteil an den weltweiten Exporten von Elektroautos von 35 Prozent.
So wird städtische Mobilität emissionsfrei
Viele Städte wollen und müssen ihre Emissionen reduzieren. Der Verkehr ist dabei einer der wichtigsten Hebel. Doch wie gelingt es Städten, Treibhausgasemissionen wirksam zu reduzieren?
Forscher rund um Lisa Winkler vom Imperial College in London sind dieser Frage nachgegangen. Ihre Studie wurde eben von «Nature» publiziert. Ihr Fazit ist eindeutig: Ohne «schnelle und gross angelegte Reduzierung der Autonutzung» wird es nicht gehen. Zu diesem Schluss kommen sie anhand einer Modellierung verschiedener Massnahmen am Beispiel von London.
Untersucht wurde, welche Massnahmen in welcher Ausprägung erforderlich sind, um die Ziele des Übereinkommen von Paris zu erfüllen. «Die derzeitigen Massnahmen reichen nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen», heisst es in der Studie.
«Mit dem aktuellen System können strenge CO2-Ziele nicht erreicht werden, ohne dass äusserst strenge und disruptive Massnahmen ergriffen werden», schreiben die Forscher. Selbst Veränderungen im Autodesign, die Elektrifizierung der gesamten Autoflotte und eine Vorverlegung des Verbrenner-Aus führen bis 2050 zu kumulativen Emissionen, die siebenmal höher seien als die Ziele, die sich Städte für das Temperaturziel von maximal 1,5 Grad Erwärmung setzen müssten.
Deshalb brauche es weitere Massnahmen. «Die wichtigste ist die Reduzierung des Autoverkehrs», schreiben die Forscher. «Massnahmen, die die mit dem Auto zurückgelegten Strecken und den Autobesitz um mehr als 80 Prozent gegenüber dem heutigen Stand verringern, sind äusserst wirksam, um sich dem angestrebten CO2-Budget zu nähern.»
Würde das Verbrenner-Aus inklusive Hybrid-Fahrzeuge bereits per 2030 beschlossen, würden die kumulierten CO2-Emissionen des Autoverkehrs bis 2050 nur um 3 Prozent sinken, eine Vorverlegung auf 2025 würde eine Emissionsreduzierung um 5,9 Prozent bedeuten gegenüber der zugrunde gelegten «Basispolitik» mit einem Verbrenner-Aus im Jahr 2030 und einem Aus für neue Hybrid-Fahrzeuge im Jahr 2035. Denn die Bestandesflotte, die von solchen Zielen nicht betroffen ist, ist in allen Szenarien für einen Grossteil der Emissionen verantwortlich.
Die saubere Seefahrt braucht Zeit
Noch immer wird der Grossteil der Containerschiffe mit Schweröl betrieben. Dabei gelten diese Schiffe als schädlich sowohl für die Meere als auch für das Klima. Die Seefahrt ist für etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Bis 2050 sollen die Emissionen um mindestens die Hälfte gegenüber 2050 sinken.
Deshalb zeichnet sich ein Wandel ab: Unter den neu bestellten Containerschiffen machen solche, die mit Schweröl betrieben werden, seit Jahresbeginn nur noch 8 Prozent aus. Bei 62 Prozent hingegen wird auf Methanol gesetzt, beim Rest auf Flüssigerdgas (LNG).
An einer sauberen Seefahrt arbeitet auch die Schweizer Firma Winterthur Gas und Diesel. Das berichtet diese Woche die NZZ in einer Reportage über die Firma.
Das kurz WinGD genannte Unternehmen mit einer 125 Jahre zurückreichenden Geschichte gehört demnach zu den wenigen auf der Welt, die noch Zweitaktmotoren für Schiffe entwickeln. Von den 430 Mitarbeitenden arbeiten 300 in der Schweiz.
Laut Firmenchef Klaus Heim habe es noch nie eine Phase mit so hoher Unsicherheit gegeben im Schiffbau wie jetzt. Denn der Kampf gegen den Klimawandel verlange nach umweltfreundlicheren Treibstoffen und damit nach neuen Motoren. Doch welche Technologie sich schlussendlich durchsetzt, ist noch nicht mit Sicherheit absehbar.
Grosse Schiffe fahren gleichzeitig bis zu dreissig Jahre. «Was in den nächsten Jahrzehnten auf den Weltmeeren fährt, wird heute bestellt», heisst es im Artikel.
WinGD ist eine Tochter der China State Shipbuilding Corporation (CSSC). Sie entwickelt die Motoren, baut sie aber nicht. Das übernehmen andere CSSC-Firmen. Der grösste Konkurrent in Europa ist die MAN Energy Solutions, die auch einen Standort in Zürich unterhält.
Bei Motoren für Tanker für den Transport von flüssigem Erdgas hat WinGD laut der NZZ einen Marktanteil von 50 Prozent. Die Nachfrage danach sei derzeit auch wegen des Kriegs Russlands gegen die Ukraine sehr hoch. Denn mit dem Wegfallen von Russland als Gasquelle ist insbesondere Europa von Flüssiggas-Lieferungen etwa aus den USA oder Katar abhängiger geworden.
Diese Tanker fahren laut dem Artikel das Gas nicht nur, sondern sie werden auch damit betrieben. «WinGD bietet hier einen besonderen Motor an, der anders als bei MAN nicht nach dem Diesel-, sondern nach dem Otto-Prinzip arbeitet».
LNG sei der erste Schritt zur Abkehr von Schweröl. Auch normale Schiffe würden mit der LNG-Antriebstechnik ausgerüstet. LNG sei aber nicht der letzte Schritt, denn der CO2-Ausstoss wird gegenüber Diesel nur um 15 Prozent gesenkt. «Die Zukunft wird wohl Methanol und Ammoniak gehören», schreibt die NZZ. WinGD-Chef Karl Heim sagt, Wasserstoff sei zumindest für grosse Schiffe keine Alternative. Die Speicherung sei zu teuer und technisch zu aufwendig. Das grosse Problem sei bei Methanol und Ammoniak allerdings die Verfügbarkeit. Die alternativen Treibstoffe müssen in den Häfen vorgehalten werden, was Infrastrukturausbauten in Milliardenhöhe benötigt und ein Jahrzehnt Zeit benötigen dürfte.
Wer in den letzten fünf bis zehn Jahren noch ein Auto mit Verbrennungsmotor gekauft hat, ist selbst schuld, wenn es irgendwann schwierig und teuer wird.