
Elektroautos sollen die Autoindustrie retten, nicht den Planeten, sagt ein preisgekrönter Autor. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Die italienische Bahn feiert mit neuen Zügen nach Frankreich Erfolge – und wegen Hitze und Starkregen müssen Strassen verschwinden.
von Stefan Ehrbar
16. Dezember 2022
Sind Elektroautos ein grosser Fehler?
Elektrofahrzeuge sind das «verbraucherfreundliche Gesicht» der Energiewende. Sie werden schlanker, eleganter und schneller und haben im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotor ein immer besseres Image. «Für Menschen mit Geld und einem guten Gewissen sind Elektroautos doppelt befriedigend: Sie ermöglichen es, sich den Freuden des Konsums hinzugeben und den Planeten zu retten», schreibt das kanadische öffentlich-rechtliche Medium CBC.
Doch das sei nur ein Teil der Wahrheit. Viele Experten befürchteten, dass die Elektrifizierung nicht gut durchdacht sei. Dazu gehöre John Lorinc, der im vergangenen Jahr den «Balsillie Prize for Public Policy» erhalten hat. Es sei wichtig, vom Verbrenner wegzukommen, sagt er in einem Interview. Aber der Wechsel sei mit vielen Vorbehalten verbunden – etwa, weil ein Grossteil der Elektrizität weltweit immer noch mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird.
Zudem seien grössere Fahrzeuge wie Lastwagen und SUVs in der Herstellung nicht umweltfreundlich. Ihre grossen Batterien machten sie schwerer und belasteten die Strassen. «Elektroautos sind grosse technische Objekte, die viel Metall und Komponenten benötigen, die überall hin transportiert werden. Für die Herstellung müssen viele Mineralien abgebaut und verarbeitet werden. Es ist beim besten Willen kein ökologisches Allheilmittel.»
Es sei zwar wichtig, die Autos mit fossilen Brennstoffen von der Strasse zu bekommen. Das sei aber «bei weitem nicht der erste Schritt zur Rettung des Planeten».
Elektroautos seien da, um die Autoindustrie zu retten, nicht die Welt. «Sie verwenden Batterien anstelle von Benzin, aber sie sind immer noch eine schrecklich ineffiziente Art, Menschen zu transportieren, besonders in überfüllten Städten.» Auch die Klima- und Energiespezialistin Kate Daley sagt: «Ein Fahrzeug zu benutzen, um eine Person und einen Liter Joghurt zu transportieren, ist energieineffizient.»
Stattdessen müssten Städte auf den öffentlichen Verkehr und Smart Cities setzen. Erste Anzeichen dafür gebe es auch in den USA. In San Jose in Kalifornien wurde Anfang Monat die traditionelle Vorschrift abgeschafft, wonach Städte eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen haben müssen. Paris kündigte zeitgleich an, Autofahrer für den Umstieg auf Elektro-Bikes finanziell zu belohnen.
Grosserfolg für neue Züge Italien-Frankreich
Seit einem Jahr fährt die italienische Bahn Trenitalia mit Frecciarossa-Zügen zwischen Paris und Lyon, Turin und Mailand. Nun hat Trenitalia France die Marke einer Million beförderter Personen überschritten, wie die Zeitung «Le Figaro» berichtet.
Vom Erfolg der Alternative zu den Zügen der französischen Bahn profitierten auch die Fahrgäste, heisst es im Artikel. Innerhalb eines Jahres sei der durchschnittliche Preis für ein Billett auf der Strecke Paris-Lyon um 8 Prozent von 46 auf 42 Euro gesunken, schreibt die Zeitung mit Verweis auf Zahlen des Portals Trainline.
Laut Trenitalia beträgt die Auslastung durchschnittlich 70 Prozent. Besonders gut gefüllt sind die Züge auf den grenzüberschreitenden Abschnitten von Lyon nach Turin und Mailand. Auf dem französischen Abschnitt Paris-Lyon hingegen betrage die Auslastung nur 50 Prozent. Das liege daran, dass die Verbindungen nicht im Fahrplan- und Ticketportal SNCF Connect der französischen Bahn auffindbar sein.
Diese scheint sich mit der neuen Konkurrenz arrangiert zu haben. Der Verkehr der SNCF auf dieser Achse nehme weiter zu, sagt Jean-Pierre Farandou, der Vorstandsvorsitzende der SNCF der Zeitung. «Wenn man den Italienern zuhört, sind sie mit den Fahrgastzahlen auch zufrieden. Der Kuchen ist also für alle grösser geworden.»
Roberto Rinaudo, der Generaldirektor von Trenitalia France, sagt, die Ankunft des neuen Betreibers ermutige neue Reisende, mit dem Zug zu fahren und fördere das Wachstum des Eisenbahnmarktes.
Eine Erhöhung der Preise in Zusammenhang mit der Inflation werde es vorerst nicht geben, verspricht Rinaudo. Stattdessen will die Bahn ihr Lokpersonal in Sachen ökologische Fahrweise schulen und den Strom bei längeren Aufenthalten abschalten. Zudem bereitet Trenitalia offenbar ein neues Angebot für Geschäftsreisende vor, das Anfang 2023 vorgestellt werden soll. Denkbar sind etwa Verbindungen nach Bordeaux, Lille oder Marseille.
Warum es einen Strassenabbau braucht
Der Kampf um Flächen in den Städten verschärft sich, weil zu Fuss Gehende und Velofahrende mehr Raum in Anspruch nehmen. Wie der «Spiegel» schreibt, müssten Strassen laut Fachleuten aber auch deutlich grüner werden.
Stadtstrassen würden in Zeiten des Klimawandels zusehends zum Sorgenkind, heisst es im Artikel. Im Sommer wärmten sie sich überdurchschnittlich auf, was dem Stadtklima abträglich ist. Bei Starkregen seien zudem Rinnsteine und Abwasserkanäle zusehends überfordert, was zu Überschwemmungen führen könne.
Torsten Perner, Verkehrsplaner beim Beratungsunternehmen Ramboll sagt, es brauche mehr Grünflächen. Bei jeder Strassensanierung sollten Starkregen und grosse Hitze mitgedacht werden.
In Hamburg wurde nun ein Pilotprojekt für die Strasse der Zukunft gestartet. Die zentral gelegene Königsstrasse soll klimagerecht umgebaut werden. Dazu gehört mehr Wasser und Grün vor Ort. Der Platz dafür wird den Autos genommen. Allerdings gibt es Probleme.
«Eine Strasse ist wie ein Eisberg», wird der Klima-Experte Stefan Brückmann von Ramboll zitiert. Unter der Fahrbahn befinde sich ein Geflecht aus Kabeln und Rohren für Gas, Wasser und Glasfasern. Hinzu kämen teils Tunnelröhren. Bäume oder grosszügige Grünanlagen könne man deshalb nur beim Sanieren von Strassen pflanzen oder anlegen.
Gleichzeitig sei es wichtig, dass der Wasserkreislauf wieder funktioniere und das Wasser nicht einfach schnellstmöglich in die Kanalisation geleitet wird. Dafür brauchen die Bäume aber grössere Pflanzenmulden und mehr Platz für die Wurzeln. Bei Starkregen kann so die Gefahr von Überschwemmungen minimiert werden – und bei Hitze funktionieren die Bäume als Klimaanlage.
Ein ausgewachsener Baum senkt die Temperatur der Umgebungsluft laut dem Artikel um etwa fünf Grad. Das steigere die Aufenthaltsqualität. Ein schnelles Mittel, um mehr Grün in die Strassen zu bringen, sei auch der Abbau von Parkplätzen.
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