«Die Bahn muss weiblicher werden» – Elektroflugzeuge in Skandinavien – VW-Händler streiten über Elektroautos 🆓

Spricht die Eisenbahn Frauen zu wenig an? Bild: Rich Smith / Unsplash

Der wöchentliche Blick ins Ausland zeigt heute, wie in Norwegen schon bald elektrisch geflogen werden soll, warum sich selbst VW-Händler erbittert über Elektroautos streiten und warum es ein Problem ist, dass die Eisenbahn in Europa männlich und im Branchenjargon kommuniziert.

von Stefan Ehrbar
10. April 2021

Free-Interrail-Initiator: Bahnen müssen weiblicher werden

Martin Speer steckt zusammen mit Vincent-Immanuel Herr hinter der Initiative «Free Interrail». Sie fordert, dass jeder 18-Jährige in Europa einen kostenlosen Interrail-Monatspass erhält. So soll nicht nur die Bahn als nachhaltiges Fortbewegungsmittel gefördert werden, auch der Zusammenhalt in Europa soll damit wachsen. Die EU hat auf die beiden gehört – zumindest teilweise. Im Rahmen des Programms «DiscoverEU» wurden seit 2018 bereits 70’000 Interrail-Abos an junge Leute verlost. Im Oktober sollen die nächsten 70’000 Pässe für das Jahr 2022 in die Verlosung kommen.

Im Interview mit der «Allianz pro Schiene» sagt Speer, das sei ein «unglaublicher Erfolg». Er kämpfe weiterhin für die komplette Umsetzung seines Traums. Das kostenlose Interrail-Ticket für alle 18-Jährigen würde zwischen 500 und 700 Millionen Euro pro Jahr kosten, schätzt er. «Wenn man sieht, wie viel Mittel wir an anderer Stelle zum Beispiel für Regionalflughäfen oder die Steuerbefreiung für Kerosin bei internationalen Flügen versenken, ist unsere Idee einfach ein smartes und nachhaltiges Investment in den europäischen Zusammenhalt und grüne Mobilität.»

Dabei sieht Speer das System Interrail durchaus kritisch. Es habe in den letzten Jahren an Bekanntheit eingebüsst. Die Züge seien weniger zugänglich als früher, weil es für immer mehr spezielle Reservierungen brauche. Hinzu komme, dass Nachtzüge und langläufige internationale Verbindungen abgebaut worden seien. Obwohl die Interrail-Buchungszahlen in den vergangenen Jahren nach oben gezeigt hätten, bleibe die Beliebtheit und die Nachfrage hinter den Billigfliegern zurück.

Speer gibt sich optimistisch, dass die Leute wieder zur Bahn zurückkommen – wenn diese Corona-Sicherheit garantieren können und wenn die Angebote «wirklich dem Anspruch europäischer Mobilität entsprechen». Das bedeute mehr internationale Verbindungen, mehr Nachtzüge und ein einfacheres Ticketing. «Bei der Internationalisierung des europäischen Bahnverkehrs war man jahrelang halbherzig unterwegs.»

Speer sieht das Problem der Bahn auch in der Kommunikation. «Die Branche hat jahrelang geglaubt, mit sehr technischen Argumenten und männlich geprägter Sprache die Kunden zu überzeugen. Doch Menschen treffen Mobilitätsentscheidungen auch mit dem Herzen und nicht nur mit dem Rechenschieber», sagt er im Interview. «Dieses Gefühl anzusprechen, das haben Europas Bahnen lange Zeit nicht gut gemacht.» Das liege an der mangelnden Diversität in der Branche, aber auch der Fokussierung aufs Reiseziel statt die Route. Dabei biete die Bahn im Gegensatz zum Flugzeug «die ultimative europäische Reiseerfahrung». Bahnen müssten es schaffen, cleverer zu kommunizieren und weiblicher, bunter, jünger und europäischer werden.

Elektrische Kurzstreckenflüge ab 2026

Die norwegische Airline Wideröe ist in der dünn besiedelten norwegischen Finnmark das Transportmittel der Wahl. Die Ortschaften liegen weit auseinander und die Fjorde zwingen mit dem Auto oft zu langen Umwegen. Die Fluggesellschaft hat denn auch einen Transportauftrag der Regierung. Sie verbindet Regionalflughäfen wie Berlevag, Hasvik oder das Nordkap untereinander und mit Zentren wie Oslo. Elf Flughäfen gibt es in der Finnmark. Wie die NZZ schreibt, plant die Airline nun Revolutionäres: Ab dem Jahr 2026 soll sie als Erstkunde den Betrieb mit einem elfplätzigen batteriebetriebenen Propellerflugzeug namens P-Volt aufnehmen.

Dieses wird derzeit vom Maschinenbauer Rolls-Royce Electrical und dem italienischen Kleinflugzeughersteller Tecnam gebaut. Die Airline begründet ihr Engagement damit, dass 75 Prozent ihrer Strecken kürzer sind als 275 Kilometer. Zudem hat Norwegen bereits angekündigt, dass alle Inlandflüge ab 2040 ohne Emissionen auskommen müssen, wie das Portal «The Barent Observer» schreibt.

Das Elektro-Flugzeug P-Volt von Tecnam. Bild: Tecnam

Laut der NZZ ist Wideröe mit ambitionierten Elektrifizierungsplänen nicht allein. Die finnische Finnair setze für Verbindungen zwischen den dünnbesiedelten Gebieten künftig ebenfalls auf elektrisch betriebenes Propellerflugzeug, das derzeit vom schwedischen Startup Heart Aerospace entwickelt wird. Es soll sogar 19 Passagiere fassen. Finnair will bis zu 20 Exemplare des Flugzeugs kaufen.

Der CEO des Unternehmens, Anders Forslund, sagt der Zeitung, Maschinen mit Batterien als Energiespeicher seien auf solchen Ultrakurzstrecken am effizientesten, weil die Beanspruchung der Batterien geringer sei und das Nachladen schneller gehe. Ein solcher Flugzeutyp könne zu einer «strukturellen Veränderung des Regionalverkehrs» führen und mehr Direktverbindungen in der Peripherie ermöglichen.

Wie sich die ersten elektrischen Passagierflugzeuge schlagen, dürfte auch im Rest der Welt mit Interesse verfolgt werden. Der zuständige Manager der Finnair sagt der NZZ, wenn die Batterien in diesem kühlen Umfeld ihre Leistungsfähigkeit zu demonstrieren vermöchten, seien sie eigentlich überall einsatztauglich.

VW-Händler streiten über Elektroautos

Volkswagen forciert die Produktion von Elektroautos. In den kommenden Jahren will der Konzern mehr als 35 Milliarden Euros in die Technologie investieren. In neun Jahren sollen 60 Prozent der neuen VW-Fahrzeuge nur mit Batterie fahren. Der forsche Kurs führt nun allerdings zu einem regelrechten Kulturkampf unter den eigenen Händlern, wie die «Wirtschaftswoche» berichtet.

«Der Umschwung ist so massiv, dass es die eigenen Händler in zwei Lager teilt: In knallharte Gegner des Konzernchefs – und in Fans», so die Zeitung. Viele Händler würden bei der Elektrooffensive noch nicht mitziehen. Sie würden ihren Kunden weiterhin mehrheitlich Diesel- oder Benzin-Autos empfehlen, «bestenfalls Plug-In-Hybride».

Als die Umweltschutzorganisation Greenpeace im vergangenen November mit Testkäufern in 50 VW-Autohäusern in 38 deutschen Städten Verkaufsgespräche als «ideale Käufer des rein elektrischen ID.3» durchgeführt habe, sei das Elektroauto nur in einem von 25 Fällen empfohlen worden, wenn die Käufer keine Präferenz geäussert hätten. Selbst wenn sich die Testkäufer als am ID.3 interessiert zeigten, aber zwischen ihm und einem herkömmlichen Golf schwankten, rieten die VW-Händler in 18 von 25 Fällen zu einem herkömmlichen Fahrzeug. Meist hätten die Händler sogar «grundsätzliche Zweifel an der Elektromobilität geäussert», wird Greenpeace-Mobilitätsexperte Benjamin Gehrs in einem anderen Bericht zitiert.

Zahlreiche Händler hätten sich darauf bei der «Wirtschaftswoche» gemeldet, heisst es im Artikel. «Viele äusserten Kritik am strikten Elektro-Kurs des Konzerns.» Klaus Philipp vom Autohaus Köbl bei München sagt etwa der Zeitung, es störe ihn, dass der Konzern so radikal nur auf das Batterie-elektrische Auto setze. Ein Problem seien etwa mangelnde Ladestationen. «Wir haben viele Firmenwagen-Nutzer. Wenn die zu Hause oder am Arbeitsplatz nicht laden können, können wir ein reines E-Auto einfach noch nicht guten Gewissens empfehlen.»

Andere Händler wiederum stehen hinter dem Kurs. Ihnen geht er gar nicht weit genug. So sagt Wolf Warncke vom gleichnamigen Autohaus bei Bremen, beim elektrischen Kleinwagen eUp habe er ein «echtes Nachschubproblem»: «Der Konzern hat sich von der Nachfragewelle überrollen lassen. Dabei haben wir VW immer wieder darauf hingewiesen.»



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