Der nächste Ausbauschritt der Bahn muss konsolidiert werden, denn nach aktuellem Stand kostet er fast 1,8 Milliarden Franken mehr als das Parlament bewilligt hat. Alleine der Brüttener Tunnel wird nach Zahlen des Bundesamts für Verkehr über 500 Millionen Franken teurer als zunächst gedacht. Das zeigt die Liste.
von Stefan Ehrbar
24. Juli 2023
Am Schluss wurde es wieder einmal teurer: Der Bundesrat wollte das Bahnnetz im Zug des Ausbauschritt 2035 (AS 2035) noch für 11,5 Milliarden Franken ausbauen. Doch das Parlament packte munter weitere Projekte in das Paket hinein, damit auch jede Region etwas vom nächsten grossen Ausbauschritt hat.
Schlussendlich winkten National- und Ständerat im Jahr 2019 ein Paket im Umfang von 12,89 Milliarden Franken durch, mit dem das Schienennetz bis 2035 ausgebaut werden soll.
Aus dem ambitionierten Zeitplan wird allerdings nichts. Diverse Projekte sind bereits jetzt verspätet – vor allem, weil auf dem Netz der Bahnen sehr viele Baustellen anstehen, die nicht gleichzeitig abgewickelt werden können, ohne den Betrieb über Gebühr zu strapazieren. Zum Teil braucht es aber auch Anpassungen an den Projekten, oder die Geologie macht die ursprünglichen Planungen zunichte.
Der Bahnhof Zürich-Stadelhofen wird etwa statt 2035 frühestens 2037 ausgebaut sein. Erst ab dann sind auch grössere Ausbauten im Netz der Zürcher S-Bahn möglich. Auch der Zimmerberg-Basistunnel II dürfte erst 2037 für den Zugsbetrieb geöffnet werden. Der Brüttener Tunnel zwischen Zürich und Winterthur dürfte frühestens 2035 in Betrieb gehen. Der Ausbau der Publikumsanlagen in Basel SBB dürfte sich bis 2037 hinziehen, das dritte Gleis zwischen Allaman und Morges wird wohl erst 2040 befahren werden. Das geht aus dem aktuellsten Standbericht des Bundesamt für Verkehr (BAV) hervor.
Doch nicht nur die zeitliche Planung bereitet den Planern Bauchschmerzen, sondern noch viel mehr die Finanzen. Denn gemäss der aktuellsten Endkostenprognose können die angepeilten 12,89 Milliarden Franken bei weitem nicht eingehalten werden.
Im Moment würde die Realisierung des AS 2035 mit allen vorgesehenen Projekten stattdessen 14,68 Milliarden Franken kosten – fast 1,8 Milliarden Franken mehr als geplant.
Das Bundesamt für Verkehr ist darum derzeit daran, den Ausbauschritt zu konsolidieren. Voraussichtlich im Herbst oder Winter will der Bundesrat dem Parlament einen Plan unterbreiten, wie er in Sachen Bahnausbau weiterfahren will. Von einer Erhöhung des Kredits über die Sistierung oder Etappierung von einzelnen Projekten bis hin zur Redimensionierung von Bauwerken dürfte alles auf dem Tisch liegen. Doch wie kommen diese Preissteigerungen überhaupt zustande?
Mobimag hat die Daten des BAV untersucht – und listet unten die grössten Projekte des Step 2035 mit einer Endkostenprognose von über 100 Millionen Franken auf und zeigt, wie sich die Kostenschätzung seit 2019 verändert hat. Die Massnahmen sind nach geographischen und thematischen Kriterien sortiert.
Massnahme | Kostenbezugsbasis | Endkostenprognose* |
---|---|---|
Drittes Gleis Allaman-Morges | 487.9 Mio. Fr. | 778.7 Mio. Fr. |
Entflechtung Vevey | 64.0 Mio. Fr. | 137.1 Mio. Fr. |
Neuchâtel-La Chaux-de-Fonds: Ligne directe | 930.4 Mio. Fr. | 930.4 Mio. Fr. |
Doppelspur Grellingen-Duggingen | 120.2 Mio. Fr. | 132.4 Mio. Fr. |
Langenthal West: Spange Önz | 162.6 Mio. Fr. | 170.0 Mio. Fr. |
Oberentfelden: Entflechtung WSB | 126.4 Mio. Fr. | 186.6 Mio. Fr. |
Brüttenertunnel | 2304.2 Mio. Fr. | 2837.9 Mio. Fr. |
Lottstetten-Jestetten: Doppelspur, 2. Perron | 80.7 Mio. Fr. | 102.9 Mio. Fr. |
Zürich Stadelhofen: Anlagenerweiterungen | 848.3 Mio. Fr. | 996.1 Mio. Fr. |
Dübendorf-Aathal: Doppelspur / Zugfolgezeit | 179.3 Mio. Fr. | 130.8 Mio. Fr. |
Zürcher Oberland: Abstellanlage | 102.0 Mio. Fr. | 102.0 Mio. Fr. |
Herrliberg-Feldmeilen-Meilen: Doppelspur | 63.6 Mio. Fr. | 116.9 Mio. Fr. |
Dagmersellen: Überholgleise und Ausbau | 44.6 Mio. Fr. | 109.8 Mio. Fr. |
Zimmerberg-Basistunnel II | 1212.7 Mio. Fr. | 1440.3 Mio. Fr. |
Assens-Etagnières: Doppelspur & Unterführung | 94.0 Mio. Fr. | 127.6 Mio. Fr. |
Täsch-Zermatt: Tunnel Unnerchriz | 180.0 Mio. Fr. | 401.0 Mio. Fr. |
Lötschberg-Basistunnel: Teilausbau | 895.0 Mio. Fr. | 1102.9 Mio. Fr. |
Fideris-Küblis: Fideristunnel | 124.0 Mio. Fr. | 140 Mio. Fr. |
Bioggio-Lugano Centro: NBS | 238.0 Mio. Fr. | 257.8 Mio. Fr. |
Nyon: Publikumsanlagen & Taktverdichtung | 108.9 Mio. Fr. | 148.7 Mio. Fr. |
Morges: Publikumsanlagen | 111.0 Mio. Fr. | 147.2 Mio. Fr. |
Lenzburg: Publikumsanlagen | 202.1 Mio. Fr. | 268.1 Mio. Fr. |
Basel: Publikumsanlagen | 356.5 Mio. Fr. | 162.5 Mio. Fr. |
Wädenswil: Publikumsanlagen | 100.0 Mio. Fr. | 128.1 Mio. Fr. |
Zum Teil sind auch diese Schätzungen bereits wieder überholt: So wird der Ausbau des Bahnhof Zürich-Stadelhofen inklusive der Tunnelbauwerke 1,1 Milliarden Franken statt 996 Millionen Franken (respektive ursprünglich geplanten 848,3 Millionen Franken) kosten, wie die SBB unlängst bekannt gab.
Neben Projekten, bei denen sich die Kosten fast verdoppelt haben oder sogar darüber hinaus – etwa der Tunnel Unnerchriz vor Zermatt, die Entflechtung Vevey, Ausbauten rund um Dagmersellen oder die Doppelspur Herrliberg-Meilen – gibt es auch vereinzelte Projekte, die günstiger geworden sind. Dazu gehören der Ausbau der Publikumsanlagen in Basel SBB oder die Doppelspur zwischen Uster und Aathal.
Sicher ist: Wie der Bund mit diesen Kostensteigerungen umgehen will, wird dieses Jahr noch zu reden geben.
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