
Jahrelang beherrschte der Konzern Candrian die Gastronomie im Zürcher Hauptbahnhof. Mit dem Abschluss der Sanierung des Südtrakts erwächst ihm erstmals Konkurrenz. Nur: Geplant war das nicht. Die Bahn wollte das Quasi-Monopol beibehalten – aber Corona machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Die Hintergründe.
von Stefan Ehrbar
13. Juni 2023
Die Familie Candrian steht hinter der nach Bindella wohl grössten familiengeführten Gastronomiegruppe der Schweiz. Dieser Erfolg hängt vor allem mit einer Institution zusammen: der SBB.
Jahrzehntelang hatte Candrian das Monopol in der Gastronomie im Zürcher Hauptbahnhof inne. Zwar verkaufen seit den 90er-Jahren auch die Migros und andere Detailhändler warme Speisen und Take-Away-Gerichte, doch eine echte Konkurrenz zu den Restaurants erwuchs Candrian nie. Ob Pendlerinnen und Pendler sich in der altehrwürdigen Brasserie Federal verpflegen, einen Café im «Time» oder «Oscar» gönnen oder einen kleinen Snack beim «Rapido» oder dem «Buffet Express» – immer steckt dahinter die Familie Candrian. Selbst die Filialen von Nordsee und Burger King im Hauptbahnhof gehören zum Candrian-Imperium, das diese im Franchising betreibt.
Candrian betreibt auch die grosse Produktionsküche im Untergeschoss des Hauptbahnhofs. Doch die Zeiten des unangefochtenen Monopols sind vorbei. Wenn im Herbst der sanierte Südtrakt eröffnet wird, kochen auch andere Gastronomen in ihren eigenen Küchen.
So wird etwa das Restaurant «Yardbird» in den Hauptbahnhof einziehen. Das Konzept gehört zur Von Matt Hospitality Group, betrieben wird die Filiale im Hauptbahnhof aber von der italienischen Autogrill-Gruppe, die in der Schweiz bereits mit Konzepten wie dem Motta-Café, Greens, der Sandwich Company oder Restaurants wie L’Oro di Napoli an Bahnhöfen und am Flughafen Zürich vertreten ist. Das Yardbird-Restaurant wird das einzige der Gruppe im Hauptbahnhof, die allerdings schon in den Neunziger- und Nullerjahren Formate im HB betrieb.
Ebenfalls eine neue Küche eingebaut wird für die neue Bahnhofsbrasserie Süd und das Fine-Dining-Konzept The Counter von Sternekoch Nenad Mlinarevic. Dass auf diese Weise das Candrian-Monopol im HB definitiv aufgehoben wird, war aber nicht geplant. Im Gegenteil: Die SBB wollten es beibehalten.
SBB-Bewirtschaftungschef Alexis Leuthold sagte an einer Medienführung durch den neuen Trakt im Dezember 2022 zu Mobimag, die SBB habe fest mit Candrian gerechnet. Wo beispielsweise die neue Brasserie entsteht, war früher das Candrian-Konzept Bona Dea zuhause. Die Flächen hätten nach dem Willen der Bahn wieder an Candrian gehen sollen.
Doch die Coronakrise zwang den Gastronomiekonzern, der noch stärker als andere von den ausbleibenden Pendlern getroffen wurde, zum Tritt auf die Kostenbremse. Das Projekt wurde sistiert – und die SBB musste notgedrungen neue Mieter und Konzepte suchen. Selbst die Flächen im zweiten Stock, die Candrian vor dem Umbau unter anderem mit einem Restaurant belegte, gab der Konzern zurück. Dort entstehen nun Büros.
Candrian-CEO Reto Candrian will Aussagen der SBB nicht kommentieren. Er sagt: «Candrian betreibt auch in Zukunft über 10 profilierte Gastronomiekonzepte am Zürcher HB. Ebenfalls befinden sich die Produktionsküche der Unternehmensgruppe inklusive Bäckerei, Pâtisserie und Metzgerei, sowie einige zentrale Büros im HB Zürich.»
Das Restaurant Au Premier sei aufgrund der Kernsanierung des Südtraktes des Zürcher Hauptbahnhofs geschlossen worden. «Was in den Mietflächen des Hauptbahnhofes jeweils angeboten werden soll entscheidet dessen Eigentümerin.»
Candrian sei mit den drei Geschäftsbereichen Bediente Gastronomie, QSR/Take Aways und Hotels solide und diversifiziert aufgestellt. «In allen drei Geschäftsbereichen sind wir mit dem Geschäftsgang zufrieden», so Reto Candrian.
«Am Zürcher HB gibt es seit Jahrzehnten Mitbewerber in unserer Branche», so Candrian. «Grundsätzlich werten wir dies positiv».
Neben den Betrieben im Hauptbahnhof gehören mittlerweile auch andere Hotels und Restaurants zur Candrian-Gruppe – etwa das Hotel Walhalla in St. Gallen, das City Hotel in Biel oder das Suvretta House in St. Moritz.
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