
Die Deutsche Bahn soll zusätzliche Milliarden erhalten. Doch ist das immer noch zu wenig? Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Darum müssen Elektroautos dringend kleiner werden – und so behindert die autozentrierte Stadtplanung die Entwicklung von Kindern.
von Stefan Ehrbar
11. August 2023
Die deutsche Regierung will mehr Geld in die Deutsche Bahn (DB) investieren. Wie die Ampelkoalition diese Woche bekannt gegeben hat, will sie einen Klima- und Transformationsfonds (KTF) schaffen, der mit 60 Milliarden Euro (umgerechnet 58 Milliarden Franken) gefüllt werden soll.
Davon sollen 12,5 Milliarden Euro an die Deutsche Bahn gehen. Das geht laut der «Rheinischen Post» aus dem Wirtschaftsplan für den KTF hervor. Der grösste Teil des Fonds soll allerdings in die Förderung von Klimaschutz-Projekten vor allem im Gebäudesektor fliessen.
Das Geld für den KTF kommt nicht aus dem laufenden Haushalt, sondern ist eine Art Sondervermögen. Die 60 Milliarden Euro sollen laut dem Artikel bis im Jahr 2027 ausgegeben werden. Geäufnet werden soll der KTF mit den Einnahmen des nationalen CO2-Preises im Verkehrs- und Wärmebereich sowie mit den Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel der Industrie.
Der CO2-Preis soll nächstes Jahr von bisher 30 Euro pro Tonne auf 40 Euro pro Tonne steigen. Das bedeutet für Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland gleichzeitig eine Erhöhung des Preises für Benzin und Diesel sowie Heizen mit Erdöl und Erdgas.
Die DB soll aus dem KTF in den Jahren 2024 und 2025 jeweils vier Milliarden Euro erhalten und in den Jahren 2026 und und 2027 jeweils 2,25 Milliarden Euro. Zudem soll sie selbst drei Milliarden Euro einbringen. Es handelt sich um Gelder, die zusätzlich zu den ordentlichen Haushaltsmitteln gesprochen werden.
Zusammen mit den Mitteln des Bundeshaushaltes soll es so gelingen, den Investitionsbedarf der Bahn bis ins Jahr 2027 grösstenteils zu decken. Diesen hat die Bundesregierung selbst auf 45 Milliarden Euro berechnet, wie das Portal br.de berichtet.
Eine Ausweitung der Lastwagen-Maut sowie ein geplanter CO2-Zuschlag sollen Mehreinnahmen von 30 Milliarden Euro einbringen, die zum allergrössten Teil in die Schiene investiert werden sollen. Hinzu kommen die 12,5 Milliarden Euro aus dem KTF und der Betrag der DB; womit die 45 Milliarden Euro erreicht werden könnten.
Die Gelder sollen investiert werden, um das Schienennetz zu sanieren. Ambitioniertere Ziele liegen damit aber noch nicht drin. So hat etwa die EU-Kommission vorgeschlagen, das Schienennetz für Hochgeschwindigkeitszüge bis 2030 zu verdoppeln. Solche Visionen lassen sich damit allerdings bei weitem nicht finanzieren.
An den Plänen wurde auch Kritik laut. So schreibt der Verband der Güterbahnen, der über 100 Mitglieder umfasst, dass die Regierung zu wenig Investitionen in die Bahn vorsehe. «So wird das nichts mit den Versprechungen einer besseren Schieneninfrastruktur», schrieb der Verband auf X. Er hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 auf 25 Prozent zu steigern.
Darum braucht es kleinere Elektroautos
Elektroautos reduzieren die Emissionen, die im Strassenverkehr entstehen. Denn während ihres Betriebs stossen sie kein CO2 aus. Selbst eingerechnet der Emissionen, die bei der Produktion anfallen, sind sie noch deutlich emissionsärmer als konventionelle Verbrenner.
Doch die Produktion von Elektroautos und der Batterien ist ressourcenintensiv und benötigt viele Rohstoffe. Und zwar immer mehr: Denn wie bei den konventionellen Verbrennern werden auch Elektroautos immer grösser und schwerer. Und das ist ein Problem, wie das Portal heise.de mit Verweis auf eine neue Studie des Thinktank «Transport & Environment» berichtet.
Die Autoren warnten demnach vor einem allzu grossen Bedarf an Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel oder Mangan. Um den Rohstoffbedarf zu senken, der mit einer breiten Elektrisierung der Autoflotten einherginge, brauche es eine Trendwende hin zu kleineren Elektroautos.
«Deutschland will bis 2030 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf der Strasse haben. Das geht mit einem enormen Bedarf an Batteriemetallen einher», wird Friederike Piper zitiert, Referentin für Elektromobilität bei Transport & Environment Deutschland. Kleinere Elektroautos seien nicht nur ökologisch notwendig, sondern für insbesondere für die deutsche Autoindustrie überlebenswichtig, weil chinesische Hersteller die Lücke sonst deckten.
Alleine eine Umstellung auf kleinere Fahrzeuge mit leichteren Batterien sei in der Lage, den Bedarf an Rohstoffen um 19 bis 27 Prozent zu senken. Mit neuen Batteriesystem wäre eine Reduktion um weitere vier bis 20 Prozent möglich. Würden Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos noch häufiger aufs Velo umsteigen und den ÖV nutzen, könnte der Bedarf an Rohstoffen noch einmal um sieben bis neun Prozent fallen.
Die Studientautoren fordern die EU auf, eine Effizienznorm einzuführen, mit der Hersteller verpflichtet werden sollen, ressourcenschonendere vollelektrische Fahrzeuge anzubieten. Davon würde laut ihnen auch die deutsche Autoindustrie profitieren, die den Markt sonst Anbietern aus dem Ausland überlassen müsste.
So schadet Autozentriertheit den Kindern
Viele Städte und ihre Strassen wurden für das Auto geplant. Diese Autozentriertheit hat negative Folgen nicht nur für die Lebensqualität, sondern auch für die Kinder. Sie werden eingeschränkt und haben dadurch weniger Möglichkeiten, sich aktiv fortzubewegen und im Freien zu spielen.
Diese Aktivitäten sind aber für das Wohlergehen und die Gesundheit von Kindern ganz entscheidend. Die sogenannte unabhängige Mobilität gilt gemäss Studien als entscheidender Faktor. Sie wird definiert als «Freiheit von Kindern, sich ohne Aufsicht von Erwachsenen in ihrer Umgebung zu bewegen». Dort, wo Autos das Stadtbild dominieren, ist dies nicht gegeben.
Die Zusammenhänge zwischen der aktiven Fortbewegung, dem Spielen im Freien und der Autozentriertheit wurden nun in einer Studie von Forschern der Universität Montreal untersucht, die kürzlich im «Journal of Epidemiology & Community Health» veröffentlicht wurde.
Die Autoren sprechen dabei von der «Motonormativität», die seit der Mitte des letzten Jahrhunderts die Aktivitäten von Stadtkindern in Nordamerika und Westeuropa präge und diese in Orte verlagere, die weit weg von den Gefahren des Strassenverkehrs seien. «Diese Ideologie hat dazu geführt, dass Kinder (und andere Nicht-Autofahrer) aus dem grössten öffentlichen Raum unserer Städte, den Strassen, verdrängt wurden», schreiben sie.
Forschung aus Kanada habe gezeigt, dass diese Veränderungen des Stadtbilds eine wichtige Rolle beim «dramatischen Rückgang bei der Nutzung aktiver Verkehrsmittel und des Spiels im Freien» gespielt hätten.
«Wenn Kinder weniger Zeit damit verbringen, draussen zu spielen und sich in ihren Gemeinden zu bewegen, beeinträchtigt dies auch die Lebensqualität unserer Gemeinden insgesamt», heisst es in der Studie. «Die Entwicklung, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern werden beeinträchtigt, der soziale Zusammenhalt in den Vierteln leidet, und die Dominanz von Autos auf den Strassen der Städte schafft sterile, ausgrenzende und feindliche Räume.»
Zwar sei mittlerweile bekannt, dass die körperliche Betätigung von Kindern zurückgehe und dass dies das Wohlbefinden beeinträchtige. Welche Rolle die unabhängige Mobilität der Kinder spiele, sei aber noch weitgehend unerforscht. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass Kinder diese Unabhängigkeit zurückgewinnen und wieder aktiver werden.
Dass sich Kinder ohne Aufsicht der Eltern frei bewegen können, komme diesen physisch, psychologisch, kognitiv und sozial zugute. Solche Mobilität ermögliche es Kindern, ihre Umgebung in ihrem eigenen Tempo und auf der Grundlage ihrer eigenen Entscheidungen zu erkunden. Dadurch würden das Selbstvertrauen, die Autonomie, die sozialen Fähigkeit und die Fähigkeit der Kinder, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, gestärkt.
Gleichzeitig werde so die Bindung an einen Ort und die Vertrautheit damit gefestigt. Studien hätten gezeigt, dass Kinder, die sich ohne Aufsicht der Eltern bewegen dürfen, mehr Zeit damit verbringen, mit Freunden zu spielen und sich körperlich zu bewegen. Unabhängige Mobilität lege den Grundstein für aktivere und widerstandsfähigere Menschen, die sich auch ohne eigenes Auto fortbewegen könnten.
Jahrelange autozentrierte Stadtplanung habe ungünstige Bedingungen geschaffen. Mit diesem Zusammenhang müssten sich nicht nur Planer, sondern auch Fachleute des Gesundheitswesens auseinandersetzen. Sie sollten deshalb bei Fragen der Stadtplanung und des Verkehrs künftig stärker einbezogen werden, fordern die Autoren.
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