Können schnelle E-Bikes das private Auto ersetzen? Diese Antwort gibt eine neue Studie aus Lausanne 🆓

Können schnelle E-Bikes Autofahrer zum Umstieg bewegen? Gotrax/Unsplash

Die Zahl von E-Bikes in Europa und in der Schweiz wächst rasant. Die schnellsten erreichen Geschwindigkeiten von 45 Kilometern pro Stunde – und könnten damit auf vielen Strecken das Auto ersetzen. Aber haben sie auch das Potenzial dazu? Eine neue Schweizer Studie hat diese Frage untersucht. Das sind die Resultate.

von Stefan Ehrbar
12. März 2024

Die Zahl der Elektroautos wächst in Europa, aber zuletzt etwa in der Schweiz nur noch langsam (Mobimag berichtete). Deutlich höhere Zuwachsraten hat hingegen ein anderes elektrisches Fortbewegungsmittel: Das E-Bike. Im Jahr 2022 machten E-Bike-Verkäufe in der Schweiz 45 Prozent aller Veloverkäufe bei Erwachsenen aus.


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

Die Zahl der E_Bike-Verkäufe ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert: Wurden 2010 noch 39’000 verkauft und 2015 gut 66’000, waren es im Jahr 2020 über 171’000 und im Jahr 2022 erstmals über 200’000, wie Zahlen des Verbands Velosuisse zeigen.

Doch können E-Bikes auch Autofahrten ersetzen? Dieser Frage sind Autoren rund um Emmanuel Ravalet von der ETH Lausanne nachgegangen. Untersucht haben sie Pedelecs, also E-Bikes mit Tretunterstützung, die Geschwindigkeiten von bis zu 25 Kilometern pro Stunde erreichen und S-Pedelecs, die Geschwindigkeiten von bis zu 45 Kilometern pro Stunde erreichen. S-Pedelecs machten zuletzt in der Schweiz etwa 10 Prozent der Verkäufe von E-Bikes aus. 

Wie die Autoren schreiben, sind Nutzer von S-Pedelecs eher männlich. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 überwiegt die Zahl der Männer jene der Frauen vier zu eins. Männer legen tendenziell längere Strecken mit dem Velo zurück, was dieses Verhältnis erklären könnte. Dass Männer ein neues Verkehrsmittel wie das E-Bike zu Beginn schneller adaptieren, ist keine Überraschung und lässt sich auch damit erklären, dass Männer sehr oft mit dem Velo sozialisiert wurden. Sie kennen das Verkehrsmittel schon und haben andererseits etwas weniger Respekt vor Sicherheitsfragen, die sich mit den schnellen möglichen Tempi stellen. Allerdings findet derzeit ein schneller Wandel statt und einzelne Studien kommen schon zum Schluss, dass Frauen die Mehrheit der E-Bike-Nutzer stellen. Auch dürften die Unterschiede im Nutzungsverhalten je nach Geografie und lokalen Gegebenheiten gross sein.

Etwa 65 Prozent der S-Pedelec-Nutzer sind laut der Studie über 45 Jahre alt. Jüngere Personen sind bei den schnellen E-Bikes unterrepräsentiert. S-Pedelec-Nutzer haben zudem «einen hohen sozioökonomischen und Bildungsstatus im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.» Dasselbe gilt auch für Besitzer von normalen E-Bikes: Ihr Einkommen und ihr Bildungsniveau liegen in der Regel über dem Durchschnitt. 

Der Besitz von E-Bikes ist laut der Studie in Vorstädten und ländlichen Gebieten höher ausgeprägt als in Städten. Allerdings werden E-Bikes häufiger in städtischen als ländlichen Gebieten genutzt. 


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

E-Bikes werden vor allem gekauft, weil sich Menschen mehr bewegen wollen, gesünder leben möchten und ihre Autonutzung reduzieren wollen. Bei schnellen E-Bikes wird oft auch das Vergnügen als Motiv genannt und die Möglichkeit, längere Strecken zu fahren. «Sie stehen anders als die langsameren E-Bikes in direkterem Wettbewerb mit Autos und bieten eine praktikable Alternative», heisst es in der Studie. 

S-Pedelecs könnten als günstigere, nachhaltigere Alternative als das Auto wahrgenommen werden, heist es weiter. Die Frage ist allerdings, ob sie auch tatsächlich Autofahrten ersetzen. Die Antwort lautet: Ja, tun sie.

Tatsächlich reduzierten laut einer Umfrage, welche die Forscher für ihre Studie unter 1400 E-Bike-Besitzern in Lausanne durchgeführt haben, 59,1 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von S-Pedelecs ihre Autonutzung. Bei den Besitzern von normalen E-Bikes lag dieser Anteil bei 50 Prozent. Die Besitzer von S-Pedelecs reduzierten in 55 Prozent der Fälle auch die Nutzung des öffentlichen Verkehrs.

«20 % der S-Pedelec-Nutzer gaben an, dass sie entweder den Besitz eines Autos oder die Absicht, ein Auto zu kaufen, aufgegeben haben, was besonders beeindruckend ist, da die meisten Befragten seit weniger als 2 Jahren ein E-Bike besitzen», heisst es in der Studie. «Im Gegensatz dazu gaben mehr Pedelec-Nutzer den Besitz eines konventionellen Velos auf (35,5% gegenüber 25%).» Diese Ergebnisse
bestätigten, dass S-Pedelecs eine Alternative zu motorisierten Verkehrsträgern darstellten. «Das Verlagerungspotenzial von S-Pedelecs ist also besonders hoch für motorisierte Verkehrsmittel wie das Auto oder motorisierte Zweiräder.»

Zwar konnten die Autoren nicht belegen, dass höhere Preise einen Effekt auf den Absatz von E-Bikes haben. Mit Subventionen könnte aber ihre Verbreitung «über höhere sozioökonomische Kategorien hinaus ermöglicht werden», schreiben sie. «Aus politischer Sicht wird die Entwicklung von S-Pedelecs jedoch nach wie vor dadurch behindert, dass ein Mangel an klaren Vorstellungen über die Rolle und den Platz dieser Fahrzeuge im Strassenverkehr herrscht. Die zunehmende Zahl von S-Pedelecs ist ein weiteres Argument für den Ausbau einer leistungsfähigen Veloinfrastruktur.»



Ihnen gefällt Mobimag?

Für nur 1.50 Franken erhalten Sie sofort werbefreien Zugriff auf das gesamte Angebot. Sie bleiben auf dieser Seite.


Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren