
In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der GA-Nutzerinnen und Nutzer mit Ausnahme einer kleinen Corona-Delle stets angewachsen. Doch neue Zahlen der SBB zeigen: Während das Abo für den ÖV etwa in Tessiner Gemeinden an Beliebtheit gewann, sieht es in vielen Städten anders aus. Das dürfte auch mit Homeoffice zu tun haben.
von Stefan Ehrbar
8. April 2024
Ende des letzten Jahres waren 447’000 Generalabos (GA) im Umlauf. Das sind fast gleich viele wie zehn Jahre zuvor: Ende 2013 waren es 443’724 gewesen. Zwar stieg die Zahl bis 2019 auf über 500’000, doch mit der Coronakrise brachen die Verkaufszahlen ein und haben sich seither nicht mehr vollständig erholt.
Die Zahl der GA wuchs also in den letzten zehn Jahren um lediglich 0,8 Prozent. Was diese Zahl aber nicht offenlegt, sind die geographisch grossen, unterschiedlichen Entwicklungen in dieser Zeitperiode. Denn während in einigen Gemeinden die Zahl der GA geradezu explodiert ist, hat sie in anderen drastisch abgenommen.
Die SBB stellt auf ihrer Open-Data-Plattform die Zahl der GA-Besitzer pro Postleitzahl (PLZ) für die letzten zehn Jahre zur Verfügung. Mobimag hat diese ausgewertet und die Entwicklung in den verschiedenen PLZ verglichen.
Die Auswertung wurde um Postleitzahlen bereinigt, für die entweder nur für 2013 oder nur für 2023 Daten zur Verfügung standen. Bei der Interpretation der Daten ist insofern Vorsicht geboten, als es in einzelnen Fällen zu Änderungen der Postleitzahlen pro Gebiet gekommen sein kann. Zudem haben die Bevölkerungszahlen in den verschiedenen Gebieten sich höchst unterschiedlich entwickelt. Dennoch zeigt sich in den Zahlen ein Trend.
Offensichtlich ist beispielsweise, dass in vielen Gemeinden im Kanton Tessin die Zahl der GA stark gestiegen ist. Das hat zwei Gründe: Einerseits war diese Zahl vor zehn Jahren sehr tief – und andererseits wurde das Angebot im und ins Tessin in den letzten Jahren stark ausgebaut, zunächst mit dem Gotthard-Basistunnel, dann mit dem Ceneri-Basistunnel und dem Ausbau der S-Bahn im Kanton Tessin sowie einem starken Ausbau des übrigen ÖV-Netzes.
Um 578 respektive 550 Prozent stieg die Zahl der GA-Besitzer beispielsweise in Castel San Pietro und Comano TI. Auf dem dritten Platz folgt Saas im Prättigau GR mit einer Steigerung von 521 Prozent. Die nächsten beiden Ränge belegen wieder Tessiner Gemeinden vor Ermensee im Kanton Luzern.
Allerdings handelt es sich bei all diesen Gemeinden um kleinere, in denen schon wenige verkaufte GAs einen grossen prozentualen Unterschied machen können. Werden nur PLZ betrachtet, in denen der Unterschied zwischen 2013 und 2023 mindestens 100 GA in die eine oder andere Richtung beträgt, fällt die Freiburger Gemeinde Châtel-Saint-Denis auf. Hier nahm die Zahl der GA um 117 Prozent oder 170 zu. Mit 92 Prozent fast eine Verdoppelung registriert wurde in der PLZ 6900, die zu Lugano gehört. Hier wuchs die Zahl der GA in absoluten Zahlen um 230 Stück. Um 82 Prozent legte der GA-Verkauf in Kleindöttingen AG zu (+103), um 79 Prozent in Bellinzona (+118 GA).
In grösseren Städten in der Deutschschweiz hingegen tut sich das GA ausgesprochen schwer. In Spreitenbach AG resultierte mit einem absoluten Plus von 146 GA eine Zunahme um 57 Prozent, in Wohlen AG sorgten 324 GA mehr für ein Plus von 50 Prozent innert zehn Jahren. Erwähnenswert ist auch der Zürcher Stadtteil Leimbach mit der Postleitzahl 8041, in dem die Zahl der GA um 143 oder 41 Prozent zunahm. Allerdings ist dieser bevölkerungsmässig auch sehr stark gewachsen.
Auf der anderen Seite der Tabelle finden sich hingegen viele städtische PLZ. Das bedeutet, dass dort der GA-Absatz besonders stark zurückgegangen ist. Im Zürcher Kreis 3 (Wiedikon, PLZ 8003) sind beispielsweise 574 GA weniger im Umlauf als noch 2013 – ein Minus von 27 Prozent. Am Zürcher Friesenberg (PLZ 8055) sorgte ein Einbruch von 446 GA für einen Rückgang von 25 Prozent. Doch nicht nur in Zürich zeigt sich dieses Bild: In der PLZ-Region 3013 der Stadt Bern waren Ende letztes Jahr 504 GA weniger im Umlauf als zehn Jahre zuvor – ein Minus von 22 Prozent. Um ebenfalls 22 Prozent oder 302 GA zurück ging die Zahl im Berner PLZ-Bereich 3011. Im PLZ-Bereich 4056 der Stadt Basel sank die Zahl der GA um 199 oder 17 Prozent, in den PLZ-Bereichen 4051 und 4052 sind Rückgänge von jeweils 15 Prozent verzeichnet.
Eine mögliche Erklärung ist, dass vielen das GA zu teuer wurde und sie stattdessen auf ein Verbund-Abo umgeschwenkt sind. Allerdings trifft diese Vermutung nicht zu. Das legen zumindest Daten für die Jahre 2017 bis 2023 vor. Ältere liegen derzeit nicht vor.
Im PLZ-Gebiet 8003 ging beispielsweise die Zahl der ZVV-Abos von 2017 bis 2023 von 3918 auf 3150 zurück. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bern: In der erwähnten PLZ-Region 3013 sank die Zahl der Libero-Abos von 1098 auf 1012. Für Basel liegen keine Zahlen zu Verbund-Abos vor.
Wahrscheinlicher ist deshalb eine andere Erklärung: In den Städten, in denen viele Menschen in Dienstleistungsberufen arbeiten und seit der Coronakrise deutlich mehr im Homeoffice arbeiten können, hat der Besitz von ÖV-Abos generell abgenommen. Hier war zudem der öffentliche Verkehr schon vor zehn Jahren sehr gut ausgebaut, so dass mit Angebotserweiterungen weniger neue Kundinnen und Kunden gewonnen werden konnte als in ländlichen Gebieten. Dort dürfte das Wachstum bei den GA-Abonnenten auch auf einen starken Ausbau des Angebots zurückzuführen sein.
In absoluten Zahlen am meisten GA gab es letztes Jahr mit 4303 im PLZ-Bereich 8400, der grosse Teile der Stadt Winterthur umfasst, gefolgt von der PLZ 4600 (Olten) mit 4028 und der PLZ 5000 (Aarau) mit 3366. Dies bedeutet nicht, dass es in diesen Städten am meisten GA-Besitzerinnen und -besitzer gibt, da viele grössere Städte über mehrere PLZ und zum Teil über eine feinere Aufteilung verfügen.
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