Über 100 Tonnen CO2 und zu viel Nachfrage: Kommt wegen SUVs wie diesem das Verbot? (Abo)

Ein Grossstadtbewohner: Die Mercedes-Benz G-Klasse. Bild: Jack Ward/Unsplash

Kaum ein anderes Fahrzeug illustriert die negativen Folgen des Autofahrens so sehr wie die Mercedes-Benz G-Klasse. Die Nachfrage nach den 2,5 Tonnen schweren Gefährten steigt, in gewissen Ländern wurde sogar ein Bestellstopp verhängt. Kommt jetzt ein Verbot solcher Autos?

von Stefan Ehrbar
7. Februar 2022

Es ist eines dieser Autos, für die ein durchschnittlicher Parkplatz nicht reicht – und die aussehen, als könnten sie Bergsteiger vom Mount Everest retten, aber trotzdem vor allem in den Innenstädten anzutreffen sind: Die G-Klasse von Mercedes.

Die Autos waren zuletzt so beliebt, dass Hersteller Daimler laut dem «Handelsblatt» Mitte Januar einen Bestellstopp verhängen musste. Nur schon die Abarbeitung aller bestehenden Aufträge dauert demnach bis ins Jahr 2024 hinein. Wie lange der Bestellstopp anhält, ist noch unklar. Die Zeitung spricht von einem «Statussymbol für Grossstadtbewohner». In der Schweiz gibt es für die G-Klasse aktuell allerdings keinen Bestellstopp, sagt Mercedes-Sprecher Roman Kälin zu Mobimag.

Tatsächlich sind die Fahrzeuge mit Preisen ab 120’000 Franken so teuer, dass sie kaum als Arbeitsutensil für Bergbauern durchgehen, sondern auffällig oft mit Zuger Nummernschildern, am Zürichberg oder mitten in Genf zu sehen sind. Als «Draufgänger mit Beschützerinstinkt» verkauft Daimler das Auto. Das Auto besteche mit der «DNA eines Geländewagens: ikonisch, robust und beinahe unverwüstlich».

Die Verkaufszahlen zeigten in der Schweiz zuletzt steil nach oben. Wurden im Jahr 2013 noch 126 Fahrzeuge neu in der Schweiz immatrikuliert, waren es 2020 schon 557. Im Pandemiejahr 2021 ging die Zahl der Verkäufe zwar leicht zurück – das dürfte aber vor allem auf den allgemein schwachen Automarkt und die Lieferschwierigkeiten infolge des Chipmangels zurückzuführen sein.

 

Was also ist das Problem am Auto?

Zum einen sind es seine Verbrauchswerte. Selbst das sauberste Modell der Reihe kommt im Lauf eines durchschnittlichen Fahrzeuglebens auf 96,8 Tonnen CO2-Emissionen, das Modell Mercedes-Benz G 500 sogar auf 114,2 Tonnen, wie Daten des Paul-Scherrer-Instituts zeigen. Zum Vergleich: Die drei meistverkauften Autos im Jahr 2021 kommen auf 29 Tonnen (Tesla Model 3), 53 Tonnen (Škoda Octavia) und 60 Tonnen (Audi Q3), wie die Mobimag-Auswertung zeigt. Ein G-Klasse-Fahrzeug wiegt in Sachen Klimaschäden also dreieinhalb bis vier Teslas auf. Für das Fahrzeug lohnt sich schon fast eine eigene Tankstelle: Der Verbrauch des sparsamsten Modells liegt bei 12,5 Litern Benzinäquivalenten auf 100 Kilometer, am anderen Ende der Skala geht der Verbrauch bis 15,4 Liter auf 100 Kilometer. Ein normaler Linienbus verbraucht nur 2,5 mal mehr, schreibt die Berliner Morgenpost.

Gerade in den Städten, wo die G-Klasse-Fahrzeuge vor allem zu finden sind, sticht aber auch ihr Platzverbrauch ins Auge. Mit einer Länge von 4,873 Metern und einer Breite von 1,984 Metern kommt die G-Klasse auf eine Grundfläche von 9,7 Quadratmeter - zu gross für viele Parkfelder. Zum Vergleich: Der VW Golf kommt auf 7,6 Quadratmeter, das Tesla Model 3 auf 8,7 Quadratmeter, der Škoda Octavia auf 8,5 Quadratmeter.

In Städten, wo der Platz knapp ist und um Zentimeter für Velowege gestritten wird, macht das einen grossen Unterschied - abgesehen davon, dass die fast zwei Meter hohen G-Klasse-Fahrzeuge im Wesentlichen nur für deren Insassen sicher sind. Kommt es zu einer Kollision mit anderen Fahrzeugenl, verursachen SUVs wie die G-Klasse hingegen deutlich häufiger schwere und tödliche Verletzungen, als wenn zwei kleinere Fahrzeuge kollidieren. Das hat die «Sonntagszeitung» herausgefunden.

Die G-Klasse als Stellvertreter für viele SUVs, bei denen scheinbar jedes Mass verloren gegangen ist, stehen also für ein klimaschädliches, in Sachen Flächennutzung ineffizientes und für andere Verkehrsteilnehmer gefährliches Fahrzeug.

Die Frage stellt sich: Ist es sinnvoll, dass solche Autos überhaupt verkauft werden?

Mit dieser Frage muss sich demnächst der Nationalrat behandeln. Eine Motion der Grünen-Nationalrätin Isabelle Pasquier-Eichenberger ist zur Beratung bereit. Sie wurde von 25 weiteren Ratsmitgliedern unterzeichnet. Sie fordert, den Import von SUV mit einem Leergewicht von zwei Tonnen oder mehr ab 2022 zu verbieten. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn ein Bedarf nachgewiesen kann. Mit ihren 2'429 Kilogramm Leergewicht würden die Fahrzeuge der G-Klasse unter ein solches Verbot fallen.

«Grosse Geländewagen und SUV sind auf Schweizer Strassen, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, immer häufiger zu sehen. 2019 machten sie fast 40 Prozent der Neuwagen aus, im kantonalen Schnitt sogar bis zu 82 Prozent. Es handelt sich dabei um ein starkes Wachstum: von 50 000 im Jahr 2010 auf 130 000 im Jahr 2019», heisst es in der Motion. «Auch in urbanen Kantonen ist der Anteil solcher Fahrzeuge sehr hoch. Im Kanton Zug machen sie beispielsweise 66 Prozent der Neuzulassungen aus. Das zeigt, dass ihr Kauf häufig mehr mit dem Bedürfnis nach Wertschätzung und Anerkennung zu tun hat - Werte, die mit dieser Kategorie von kraftvollen Autos vermittelt werden -, als dass tatsächlich ein geländetauglicher Wagen mit Zugkraft benötigt wird.»

«Je schwerer ein Fahrzeug, desto höher sein Kraftstoffverbrauch. Dieses Problem verschwindet auch nicht mit der Entwicklung von Elektro-SUV, da diese für den Transport einer Person viel mehr Energie benötigen als ein leichtes Auto. Die Energiewende bedeutet auch eine Reduktion des Verbrauchs, wenn es Alternativen gibt», schreibt Pasquier-Eichenberger. Zudem stellten solche Fahrzeuge aufgrund ihrer Grösse, ihres Gewichts und ihrer Form eine zusätzliche Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer dar.

Der Bundesrat beantragt dem Parlament die Ablehnung der Motion. Er beobachte die Entwicklung bei den SUV zwar ebenfalls kritisch, sei aber der Ansicht, dass die Massnahmen zur Senkung des Treibstoffverbrauchs alle Personenwagen betreffen sollen. Der Bundesrat verweist zudem auf die Zielwerte im Bereich CO2, welche die Importeure erfüllen müssen. Ansonsten werden Sanktionen fällig. Die Mercedes-Benz Schweiz AG musste beispielsweise im Jahr 2020 11,1 Millionen Franken an den Bund abdrücken (Mobimag berichtete). Ob diese Argumentation das Parlament überzeugt, wird sich dieses Jahr zeigen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse scheint eine Ablehnung der Motion allerdings wahrscheinlich.

Und wie verteidigt Mercedes seinen SUV, der im Volksmund auch gerne mal als «Züriberg-Panzer» bezeichnet wird?

«Kunden schätzen an der G-Klasse das bequeme Ein- und Aussteigen, die grosszügigen Lademöglichkeiten und das Kofferraumvolumen sowie den Allradantrieb eines SUV», sagt Roman Kälin, Sprecher der Mercedes-Benz Schweiz AG.

Er verweist zudem auf den Effort, der Mercedes in Sachen Elektrifizierung leiste. An der letztjährigen Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) habe Mercedes-EQ das vollelektrische Pendant zur G-Klasse präsentiert: den Concept EQG. «Bereits in den nächsten Jahren kommt eine vollelektrische Version auf den Markt. Mercedes-Benz hat die Weichen für ein vollelektrisches Zeitalter gestellt», sagt Kälin. «Bis Ende des Jahrzehnts werden wir bereit sein, um vollelektrisch zu werden. Dafür Investieren wir mehr als 40 Milliarden Euro in unsere Elektrofahrzeugflotte und 20 Milliarden Euro in Batteriezellen.»

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