Die Fussball-Europameisterschaft sorgt für Rekordverkäufe bei der Deutschen Bahn. Auch Teams reisen mit ICE-Zügen zu Spielen. Ausserdem im Blick aufs Ausland mit Links zu spannenden Geschichten: Das sind die staugeplagtesten Städte der Welt – und so wurde Utrecht zum Velo-Vorbild in den Niederlanden.
von Stefan Ehrbar
21. Juni 2024
Deutsche Bahn verdoppelt Bier-Verkäufe
Die derzeit stattfindende Fussball-Europameisterschaft in Deutschland beflügelt die Bier-Verkäufe der Deutschen Bahn in ihren Speisewagen. Das teilte die Bahngesellschaft am Sonntag mit.
Wie die «Deutsche Welle» schreibt, habe sich der Bierabsatz in den ersten sechs Tagen der Euro 2024 verdoppelt. Zwischen dem 14. und 19. Juni seien in den Zügen 44’588 Liter Bier verkauft worden – zusätzlich zum Alkohol, der von externen Verkäufern an Bord der Züge geholt wurde.
Auch die Nachfrage nach Snacks stieg drastisch an – etwa jene nach Bratwurst im Brötchen um 63 Prozent. Viele Fans reisen zwischen den verschiedenen Spielorten mit der Deutschen Bahn umher.
Allerdings geschieht dies nicht immer problemfrei. Selbst Turnierdirektor Philipp Lahm verpasste wegen grossen Verspätungen seiner Züge den Anpfiff eines Spiels. «Ich glaube, wir haben es versäumt, insgesamt als Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein bisschen daran zu arbeiten an der Infrastruktur», sagte er darauf laut bild.de.
«Wir stehen im Austausch mit der Deutschen Bahn, sie werden alles weiterhin tun, dass die Menschen von A nach B wirklich pünktlich kommen», wird Lahm zitiert. «Aber das ist kein Problem, was jetzt auftritt, während des Turniers. Da hätte man weit vorher schon dran arbeiten müssen.»
Die DB ist eine der Hauptsponsoren der Euro 2024 und stellt an Spieltagen laut eigenen Angaben je 10’000 zusätzliche Sitzplätze zur Verfügung. In den ersten sechs Tagen des Turniers haben laut der Bahn mehr als 3 Millionen Menschen ihre ICE- und IC-Züge genutzt, davon wohl Tausende Fussballfans.
Die Bahn räumte aber auch ein, dass es auch auf wichtigen Strecken zu Verspätungen gekommen sei. Viele grössere Arbeiten zur Sanierung des Schienennetzes, die bis 2030 geplant sind, werden nach der Europameisterschaft beginnen.
Auch einzelne Turniermannschaften reisen per Bahn an die Spielorte – etwa Rumänien und die Schweiz. «Wir hoffen, dass die Deutsche Bahn bei dieser EM ihre beste Leistung zeigt», hatte Pierluigi Tami, der Direktor der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, zuvor gesagt. Diese hält nun unter allen Teams den Rekord in Sachen mit der Bahn zurückgelegte Distanzen.
Die staureichsten Städte der Welt
Der Anbieter von Verkehrsdaten Inrix aus den USA hat diese Woche sein Stau-Ranking veröffentlicht. Untersucht wurden knapp 1000 Städte auf der ganzen Welt. Am meisten Zeit wegen Stau verlor demnach ein durchschnittlicher Autolenker 2023 in New York City: 101 Stunden zusätzliche Auto-Zeit ging dort auf das Konto der Verkehrsüberlastung. Danach folgen Mexiko City und London.
Inrix berechnet ein Ranking aufgrund von Staustunden und der Grösse der Stadt. In diesem landet Zürich als erste Schweizer Stadt auf Platz 42 weltweit. 2023 verloren durchschnittliche Autofahrerinnen und -fahrer hier 60 Stunden im Stau, 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Stausituation ist schlimmer als in München, Vancouver oder San Francisco.
Viel langsamer voran geht es aber in Städten wie Paris (97 Stunden Verlust pro Jahr), Chicago (96 Stunden), Istanbul (91 Stunden), Los Angeles (89 Stunden), Boston (88 Stunden), Kapstadt (83 Stunden) oder Brisbane (74 Stunden). Sowieso ist die Zahl der Staustunden kein Indikator für eine gute oder schlechte Verkehrspolitik. Paris wird für die Förderung des Veloverkehrs gelobt, schwingt aber im Ranking obenauf, während Städte wie Los Angeles oder Boston weiterhin auf Autofahrende fokussiert sind und den öffentlichen Verkehr oder die Veloinfrastruktur nur zaghaft verbesserten.
Auf dem globalen Platz 93 landet bei Inrix Basel mit 48 Stunden Stau, was einem Plus um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auf Platz 194 findet sich Bern (37 Stunden, +12 Prozent gegenüber 2022), auf Platz 210 Lugano (38 Stunden, +5%) und auf Platz 220 Genf (33 Stunden, +9%). In Luzern verlieren Autofahrende 30 Stunden pro Jahr (+5 Prozent gegenüber 2022), in St. Gallen sind es 22 Stunden. Hier wurde ein Rückgang von 6 Prozent verzeichnet.
Ein ähnliches Ranking veröffentlicht jedes Jahr der niederländische Hersteller von Navigationssystemen Tomtom. In der aktuellsten Ausgabe landet Zürich auf Platz 28 von 387 weltweit. Gemäss Tomtom verlieren Autofahrerinnen und -fahrer in der grössten Schweizer Stadt jährlich 88 Stunden in Stosszeiten. Die Werte lassen sich nicht direkt vergleichen. Basel liegt bei Tomtom auf Platz 138 mit 60 Stunden, Bern mit 53 Stunden auf Platz 187.
Die globale Liste führt bei Tomtom London an, gefolgt von Dublin, Doronto, Milano, Lima, Bengalore, Pune, Bukarest, Manila und Brüssel. Die höchst unterschiedlichen Rangierungen in den beiden Rankings und die unterschiedlichen Werte zeigen vor allem auch, dass es wie immer darauf ankommt, was von wem wie gemessen wird.
Wie Utrecht zum Velo-Paradies wurde
Unter den Städten, die als besonders vorbildlich im Bereich der Förderung des Velos als Fortbewegungsmittel gelten, sind besonders viele aus den Niederlanden. Amsterdam gilt vielen als Hauptstadt des Velofahrens.
Doch auch Utrecht mit seinen 375’000 Einwohnerinnen und Einwohnern wird von Velofans als Vorbild genannt. Wie die Stadt das geschafft hat, hat das Online-Magazin «Republik» nun nachgezeichnet.
Prominentes Beispiel für die Bewegung hin von der autozentrierten Stadt hin zur Velo-Kapitale sei der Kanal Catharijnesingel. Dieser wurde 1969 trockengelegt und zur Autobahn umfunktioniert. Im Jahr 2010 wurde die Strasse wieder gesperrt, 2020 nach zehnjährigen Umbau-Arbeiten wieder mit Wasser gefüllt.
«Das Zweirad ist hier das dominierende Verkehrsmittel, und selbst für niederländische Massstäbe gilt die Utrechter Veloinfrastruktur als überdurchschnittlich gut», heisst es im Artikel. «Jedes Jahr reisen Delegationen von Stadtplanern und Politikerinnen von weit her an, um das Utrechter Erfolgsrezept zu ergründen und in ihren Heimatländern zu kopieren.»
Erfolgsfaktoren gebe es einige. So seien die Velowege mit bis zu drei Metern breit. Zudem seien sie meist baulich vom restlichen Verkehr getrennt, das Velo geniesse oft Vorfahrt. Die Velowege würden einem «intuitiven Leitsystem» folgen, das Nuterzinnen und Nutzer zuverlässig durch die ganze Stadt führe.
«Veloaktivisten weisen gerne darauf hin: Wer Velowege sät, wird Veloverkehr ernten. In Utrecht trifft das zu. In der morgendlichen Rushhour ist die ganze Stadt von Velofahrerinnen bevölkert», schreibt der Autor. Hier stehe auch das grösste Veloparkhaus der Welt, das Platz für 12’500 Velos biete.
Dieses Parkhaus ist zudem die ersten 24 Stunden lang gratis nutzbar und kostet danach lediglich 1,25 Euro pro Tag. Der Autor räumt auch mit dem Mythos auf, dass andere Städte Europas die Entwicklung nicht auch gehen könnten. «Ein weitverbreiteter Glaube über die Niederlande ist, dass das Velo schon immer eine unverzichtbare Rolle spielte und tief in der Kultur verankert sei. Doch das stimmt nur teilweise», schreibt er. Auch hier seien die Autos lange dominant gewesen und es habe politischen Willen gebraucht, um das zu ändern.
Was im Artikel allerdings nur am Rande erwähnt wird: Der Modalsplit von Utrecht ist insgesamt nicht umweltfreundlicher als jener vieler Schweizer Städte. Gemäss Zahlen der Stadt Utrecht (Excel-File) wurden im Jahr 2019 36,7 Prozent der Wege auf Stadtgebiet mit dem Auto zurückgelegt. Zum Vergleich: In Zürich waren es selbst im Coronajahr 2021, in dem das Auto ein unverhofftes Comeback erlebte, nur 28,5 Prozent. Utrecht hatte mit 17,6 Prozent aber auch einen deutlich tieferen ÖV-Anteil als etwa Zürich (33,8 Prozent im Jahr 2021, 40,8 Prozent im Jahr 2015). Selbst bei den Fussgängerinnen und Fussgängern schnitt Zürich besser ab (29,1 Prozent im Jahr 2021 versus 11,3 Prozent in Utrecht im Jahr 2019). Lediglich beim Velofahren ist Utrecht deutlich besser als Zürich (25,2 Prozent versus 8,6 Prozent).
Dass niederländische Städte deswegen nur bedingt als Vorbild gelten, hat Mobimag bereits im Oktober 2022 berichtet. Insgesamt kann von ihnen zwar viel gelernt werden in Sachen Attraktivitätssteigerung für Velofahrerinnen und -fahrer, dass sie insgesamt eine bessere Verkehrspolitik betreiben würden, lässt sich damit aber nicht sagen. Denn für diese Aussage ist relevant, welchen Anteil der sogenannte Umweltverband – also Velo, Laufen und ÖV – zusammen halten. Dieser Anteil ist in vielen Schweizer Städten deutlich höher als in den niederländischen Velo-Kapitalen.
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