Das 49-Euro-Ticket verdient seinen Namen bald nicht mehr. Es könnte deutlich teurer werden. Ausserdem im Blick aufs Ausland mit Links zu spannenden Geschichten: Das steckt hinter den autofreien Sonntagen in Bogotá – und eine Studie belegt: Tempo 30 sorgt in europäischen Städten für 37 Prozent weniger Todesopfer im Verkehr.
von Stefan Ehrbar
12. Juli 2024
Das 49-Euro-Ticket wird wohl teurer
Seit gut einem Jahr gibt es in Deutschland das Deutschlandticket, auch 49-Euro-Ticket genannt. Für den Preis von 49 Euro pro Monat kann damit der öffentliche Nahverkehr in ganz Deutschland genutzt werden. Der Bund und die Länder bezahlen vorerst je 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Das Ticket ist sehr beliebt: Anfang dieses Jahres nutzten 11 Millionen Menschen im nördlichen Nachbarland das Deutschlandticket. Der Preis allerdings dürfte bald steigen.
Denn die Finanzierung über das Jahr 2025 hinaus ist noch nicht definitiv gesichert und es gibt Streit um Mittel, die der Bund zwar zugesagt, aber bisher nicht zur Verfügung gestellt hat. Darüber berichtet diese Woche unter anderem die «Rheinische Post»
«Der Preis ist bald nicht mehr ganz so heiss», schreibt die Zeitung. Klar sei, dass das Deutschlandticket auf alle Fälle im nächsten Jahr mehr koste. Die Verkehrsministerinnen und -minister der Länder hätten sich darauf geeinigt, dass es im Jahr 2025 eine Erhöhung des Ticketpreises geben werde.
Wie hoch diese Erhöhung ausfallen wird, könne derzeit aber noch nicht gesagt werden. Weitere Planungen dazu soll es laut dem Text auf der Verkehrsministerkonferenz im Herbst geben, wenn auch alle politischen Entscheidungen des Bundes bekannt sind.
«Wie dringend das Geld offenkundig benötigt wird, machten Insider schon im Vorfeld der Gespräche hinsichtlich eines möglichen Preisanstiegs deutlich: „69 oder 79 Euro ist der Worst Case“, hiess es, „wenn der Bund nicht wie versprochen die Übertragung der Restmittel aus 2023 regelt“. Wegen der unterschiedlichen Wirtschaftlichkeit des Tickets drohe zudem beim Preis „ein Flickenteppich“. Und: „Das wäre das faktische Ende des Deutschlandtickets“», heisst es im Artikel.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hingegen ist der Meinung, dass eine Preiserhöhung um fünf Euro ausreichend sein sollte. Darüber hinaus werde das Deutschlandticket zu unattraktiv.
Bei fünf Euro Erhöhung würden die meisten Leute sicher noch dabei sein, so der Chef von Pro Bahn. Vor allem Neukundinnen und Neukunden würden aber bei einer Erhöhung der Preise darüber hinaus sich überlegen, ob sie das Ticket überhaupt kaufen sollen.
Autofreie Sonntage in Bogotá
Wie können Städte die Verkehrswende schaffen und für Velofahrerinnen und -fahrer, für Nutzende des ÖV oder für zu Fuss Gehende attraktiver werden? Diese Frage treibt die Behörden weltweit um, schliesslich ist vielerorts eine Abkehr von der autozentrierten Verkehrsplanung früherer Jahre erkennbar.
Eine Möglichkeit unter vielen können auch verkehrsfreie Tage sein. Solche gibt es in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá bereits seit 50 Jahren. Für die sogenannte Ciclovía werden jeden Sonntag 120 Kilometer Strassen für Autos gesperrt, wovon 1,5 Millionen Menschen profitieren können. Der deutsche Velo-Fachverband ADFC hat zu diesem Thema ein Interview mit seiner wissenschaftlichen Referentin Melissa Gómez veröffentlicht, die in Bogotá aufgewachsen ist.
Laut Gómez entstand das Strassenfest vor 50 Jahren ausgehend von der Initiative einer Bürgervereinigung. «So wollte man die Aufmerksamkeit der Menschen und der Politik auf den massiven Autoverkehr in Bogotá lenken. Damals fand die Ciclovía auf einer Länge von fünf Kilometern als Fahrraddemo zwischen zwei grossen Parks statt. Aber schon beim ersten Mal nahmen 5.000 Leute teil. Danach wurde sie einige Jahre jeden Sonntag als Modellversuch fortgeführt.»
Die Wende sei 1995 gekommen. Damals habe sich die neue Stadtregierung entschlossen, das Fest massiv zu fördern. Dabei sollte es nicht mehr nur um Verkehrsaspekte gehen, sondern auch um Gesundheit, Bildung, Umwelt und Lebensqualität.
Die Sperrung der Strassen gilt jeweils sonntags von 7 Uhr morgens bis 14 Uhr. Betroffen sind viele Hauptstrassen, womit das Fest für jede Einwohnerin und jeden Einwohnern in nur fünf Minuten erreichbar ist. Es gebe Konzerte, Ausstellungen, Street Food und mehr, so Gómez.
Die Luftverschmutzung sinke während der Veranstaltung in der Stadt um 13 Prozent. Der Lärmpegel sinke um 20 Dezibel. «Der Geräuschpegel wird so etwa siebenmal weniger laut wahrgenommen als im Alltag. Die Ciclovía fördert nachgewiesenermassen die aktive Mobilität. Die Menschen erleben, wie schön es sein kann, mit dem Fahrrad entspannt und sicher unterwegs zu sein. So probiert man das Fahrrad auch eher einmal im Alltag aus. Dadurch kam es auch zu mehr gesellschaftlichem Druck für mehr Radwege.»
Was bringt Tempo 30?
Mit der Signalisierung von Tempo 30 soll der Verkehrslärm gemindert und die Verkehrssicherheit verbessert werden. Insgesamt soll der Verkehr damit ruhiger werden, weshalb viele Städte auf der ganzen Welt auf Tempo 30 setzen.
Doch was sagt die Wissenschaft zu den Auswirkungen von Tempo 30? Dieser Frage ist nun ein Forscherteam um George Yannis von der Nationalen Technischen Universität Athen nachgegangen.
Die Forscher haben die Auswirkungen von Tempo 30 in ganz Europa analysiert. Ihre Studie namens «Review of City-Wide 30 km/h Speed Limit Benefits in Europe» ist vor kurzem im Journal «Sustainability» erschienen.
Dazu wurde ein quantitativer Ansatz zusammen mit qualitativen Bewertungen verwendet. Untersucht wurden Daten aus 40 verschiedenen Städten in ganz Europa, darunter Brüssel, Paris und Zürich.
«Die Ergebnisse zeigten, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeitsbegrenzungen die Strassenverkehrssicherheit verbessert, indem sie die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls und die Schwere der Unfälle, zu denen es kommt, verringert. Die Einführung von Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h in europäischen Städten führte im Durchschnitt zu einem Rückgang der Zahl der Verkehrsunfälle, der Todesopfer und der Verletzten um 23 %, 37 % bzw. 38 %», heisst es in der Studie.
Niedrigere Geschwindigkeitsbegrenzungen hätten sich auch positiv auf die Umwelt ausgewirkt: Die Emissionen seien im Durchschnitt um 18 %, die Lärmbelastung um 2,5 dB und der Kraftstoffverbrauch um 7 % gesunken.
«Ein Tempolimit von 30 km/h in Gebieten, in denen sich Menschen und Verkehr mischen, kann zu sichereren, gesünderen, grüneren und lebenswerteren Strassen führen», schreiben die Autoren. «Darüber hinaus kann die Einführung von Tempo-30-Zonen Staus verringern, den Verkehrsfluss verbessern und die Reisezeiten verkürzen, indem der Stop-and-Go-Verkehr minimiert wird.» Darüber hinaus könne die Einführung von Tempo 30 den Kraftstoffverbrauch, die Emissionen und den Lärm reduzieren.
«Ein gleichmässigerer Verkehrsfluss führt zu mehr Kraftstoffeinsparungen, während Strassen, auf denen sicheres Gehen und Velofahren Vorrang haben, die Abhängigkeit vom Auto und die schädlichen Fahrzeugemissionen, die zum Klimawandel beitragen, verringern können. Die Einführung von Tempo 30 spielt eine entscheidende Rolle bei der Verringerung der Luftverschmutzung, da dadurch die Kohlendioxid- und Stickoxidemissionen von Dieselfahrzeugen sowie die Feinstaubemissionen von Diesel- und Benzinfahrzeugen verringert werden.»
Wegen Widerstand aus Teilen der Bevölkerung seien viele Städte und Behörden zögerlich bei der Signalisierung von Tempo 30, heisst es in der Studie. «Die Einführung eines stadtweiten Tempolimits von 30 km/h erfordert eine sorgfältige Planung und Abwägung der verschiedenen Modalitäten.» Ausserdem sei eine Koordinierung mit den örtlichen Verkehrsabteilungen, den Stadtverwaltungen und den Vollzugsbehörden erforderlich.
Schreiben Sie einen Kommentar