
Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) wollen ihre Betriebspause verkürzen. Künftig sollen alle Linien spätestens auf den ersten Zug nach Bern am Hauptbahnhof sein. Auf vielen Strecken wurden und werden die Betriebszeiten auch am Abend ausgedehnt. Das könnte erst der Anfang sein: Der ZVV denkt gerade das ganze Nachtnetz neu.
von Stefan Ehrbar
4. September 2023
Der erste Intercity von Zürich nach Bern verlässt den Hauptbahnhof um 5.19 Uhr. Wer nicht an einer der VBZ-Linien mit frühem Betriebsbeginn wohnt, muss gut zu Fuss sein, um ihn zu erwischen. Denn die ersten Kurse vieler Tram- und Buslinien nehmen zu spät den Betrieb auf, um Anschluss auf diese Verbindung zu ermöglichen.
Damit soll bald Schluss sein, wie Mobimag weiss. VBZ-Sprecher Leo Herrmann bestätigt entsprechende Informationen. «Es besteht eine Nachfrage in der Bevölkerung, den Betriebsbeginn auf den städtischen ÖV-Hauptachsen vorzuverlegen, um innerhalb der Stadt Zürich frühmorgens eine mit den umliegenden Agglomerationsgemeinden vergleichbare erste Ankunft im Stadtzentrum zu ermöglichen», sagt er. «Dabei soll eine Ankunft am Hauptbahnhof um spätestens 05:12 Uhr gewährleistet werden, um den Anschluss an den ersten IC1 704 in Richtung Westen mit Abfahrt um 05:19 Uhr herzustellen.»
Dieses Begehren wollen die VBZ in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) hinsichtlich des nächsten Fahrplanverfahrens 2025/2026 prüfen. Im Idealfall könnte der frühere Betriebsbeginn damit auf Ende 2024 umgesetzt werden.
Selbstverständlich ist das nicht: Grundsätzlich gibt der ZVV Betriebszeiten von 6 bis 24 Uhr vor. Davon darf abgewichen werden, wo es die Nachfrage zulässt. Davon werde in der Stadt Zürich bereits «stark Gebrauch gemacht», sagt VBZ-Sprecher Herrmann. «In der Regel sind alle Stadtquartiere bereits heute so angebunden, dass eine Abfahrt ab 5:30 Uhr am HB erreicht wird und dass Ankünfte am HB bis 0:30 Uhr noch abgenommen werden.» An Tagen mit Nachtnetz – also in den Wochenendnächten und in den Nächten vor Feiertagen – gebe es zudem keine Lücke mehr zwischen der letzten Tages- und der ersten Nachtverbindung.
Mit den Fahrplanwechseln in den letzten Jahren haben die VBZ bereits die letzten Abfahrten auf diversen Linien nach hinten gelegt. Das erfolgte allerdings meistens im Rahmen von einer alternativen Führung der letzten Fahrten oder der Verschiebung von Fahrzeugen in andere Depots. So wird etwa auf den Achsen HB-Oerlikon, HB-Escher-Wyss-Platz, HB-Wipkingen-Hardplatz und Altstetten-Frankental-Unterengstringen auch unter der Woche noch eine Verbindung nach 1 Uhr angeboten. Welche Linien als nächste profitieren könnten, wollen die VBZ nicht sagen. Grundsätzlich werde aber im Grobnetz über die Stadt verteilt der gleiche Standard angepeilt, so Herrmann.
In vielen Grossstädten im Ausland ist der ÖV bereits während 24 Stunden täglich in Betrieb. Konkrete Pläne in diese Richtung gibt es laut Herrmann bei den VBZ zwar nicht. Doch in gewissen Nächten könnten künftig durchaus mehr Trams, Busse und S-Bahnen fahren.
Denn der ZVV überarbeitet derzeit seine Strategie für das Nachtnetz.
«Die Entwicklung des Nachtnetzes ist ein fortlaufender Prozess und der ZVV hatte auch in den vergangenen Jahren jeweils eine Grundlage für den Ausbau verwendet», sagt Sprecher Thomas Kellenberger. Im Jahr 2006 sei beispielsweise der Bericht «Vision ZVV-Nachtnetz» verfasst worden und die darin beschlossenen Angebotsveränderungen wurden laufend bis im Dezember 2019 umgesetzt. «Im Anschluss daran wurde ein einzelner, sehr umfangreicher Angebotsausbau per Dezember 2021 erarbeitet und umgesetzt. Jetzt werden die Arbeiten für die weitere Planung des Nachtnetzangebots gestartet.»
Erste Aussagen zur Weiterentwicklung sollten voraussichtlich im nächsten Jahr vorliegen, so Kellenberger. Noch nicht abgeschätzt werden könne, ob auch ein 24-Stunden-Betrieb an (gewissen) Wochentagen wieder zum Thema werde oder ob es doch Trams im Nachtnetz geben soll.
Der letzte Ausbau war auf jeden Fall ein Erfolg. «Im Jahr 2022 benutzen durchschnittlich fast 26’000 Fahrgäste pro Nacht das ZVV-Nachtnetz», sagt Kellenberger. Nächte mit Spezialfahrplan wie etwa Silvester oder Streetparade sind dabei nicht einmal eingerechnet. Das entspreche einer Steigerung von 35 Prozent gegenüber 2019. «Dies entspricht ziemlich genau den Prognosen, die wir im Vorfeld des Angebotsausbaus von Dezember 2021 und der Abschaffung des Nachtzuschlags gemacht hatten. Insofern sind wir sehr zufrieden.»
Ähnlich tönt es auch bei den VBZ. «Der Fahrplanwechsel im Dezember 2021 brachte einen spürbaren Angebotsausbau für die Fahrgäste in der Stadt Zürich mit sich», sagt Sprecher Leo Herrmann. «Dieser zeigte zusammen mit der Abschaffung des Nachtzuschlags grosse Wirkung, worüber wir uns sehr freuen. Im innerstädtischen Bereich dürfte auch mit einem weiteren Wachstum zu rechnen sein.»
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