Tunnels & Expresstrams: Diese Probleme löst die Vision der VBZ – und diese nicht

Gibt es bald mehr Tramtunnels in Zürich? Bild: VBZ

Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) haben eine Zukunftsvision für das Jahr 2050 entwickelt. Sie sieht unter anderem neue Tramringe mit einem Tunnel unter dem Hönggerberg und einer neuen Achse über die Hardbrücke und Express-Trams vor. Die Details – und die Probleme, welche das Zukunftsbild nicht zu lösen vermag.

von Stefan Ehrbar
7. September 2021

«Nur ein Ausbau des ÖV hilft mit, die Stadt Zürich als Wohn- und Arbeitszentrum auch in Zukunft attraktiv zu halten»: So steht es in einer Präsentation des Zürcher Stadtrats Michael Baumer (FDP), die er letzte Woche hielt. Der Anlass: Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) stellten ihr «Zukunftsbild ÖV 2050» vor. Im Zentrum der Überlegungen steht eine Art «Tram-Metro». Mobimag zeigt, wie die Pläne im Detail aussehen und welche Probleme im Weg stehen.

Die Tramringe

Die Idee:
Künftig sollen zwei Tramringe die Innenstadt entlasten, durch die heute fast alle Tramlinien führen. Gleichzeitig sollen so die Zentren Oerlikon und Altstetten besser verbunden werden.

Ein äusserer Ring soll vom Bahnhof Stettbach über Oerlikon nach Altstetten und weiter zum Bahnhof Enge führen. Zwischen Oerlikon und Altstetten ist dafür ein Tunnel unter dem Hönggerberg nötig. In diesem soll es zwei unterirdische Haltestellen geben (ETH Hönggerberg und Meierhofplatz). Damit sollen die ÖV-Zentren Oerlikon und Altstetten gestärkt werden. Denkbar wäre hier auch ein Tunnel unter dem Sihlfeld-Quartier, der Haltestellen in der Nähe des Freilagers, des Hubertus, der Talwiesenstrasse und der SZU-Station Binz.

Ein innerer Ring soll wiederum die wichtigsten ÖV-Knotenpunkte auf der Achse Milchbuck – Albisriederplatz – Wiedikon – Bellevue miteinander verbinden.

Diese neuen Tramtunnels könnten entstehen. Bild: VBZ

Ein Seetunnel zwischen dem Bahnhof Enge und dem Bahnhof Stadelhofen könnte diese beiden Ringe miteinander verbinden.

Allerdings ist die Streckenführung nicht genau festgelegt. Dies wird erst im Rahmen der Netzentwicklung 2040 geschehen, die nun in Angriff genommen wird. Entsprechend schemenhaft werden die Tangenten in der Kommunikation der Stadt und der VBZ dargestellt.

So stellen die VBZ die neuen Tangenten dar. Bild: VBZ

Die Vorteile:
Die beiden grossen Zürcher Zentren abseits der Innenstadt, Altstetten und Oerlikon, sind zuletzt stark gewachsen und dürften das auch weiterhin. Der Norden der Stadt mit den Stadtkreisen 11 und 12 kann laut dem kommunalen Richtplan noch um 50’000 Personen wachsen, das Gebiet Altstetten/Sihlfeld/Albisrieden um 20’000 Personen. Schon heute wohnen in Zürich Nord über 100’000 Personen. Mit den Tangenten würden Altstetten und Oerlikon schnell miteinander verbunden.

Heute ist diese Verbindung mit dem städtischen ÖV eher mühsam. «Heute ist es so, dass Sie zuerst mit dem Tram zum Bucheggplatz fahren und dort auf den Bus umsteigen. Am Albisriederplatz steigen Sie nochmals auf den Bus oder das Tram um», beschreibt Claudio Büchel, Professor für Verkehrsplanung an der Ostschweizer Fachhochschule Rapperswil, das Problem in einem Interview. Er ist Mitglied des Fachbeirats des Projekts Zukunftsbild ÖV 2050.

Ein Seetunnel würde zudem eine Direktverbindung zwischen den Bahnhöfen Enge und Stadelhofen schaffen, die heute nicht existiert.

Die offenen Fragen:
Tunnels sind teuer. Würden alle Ideen des Zukunftsbild umgesetzt, müssten in den nächsten 30 Jahren zwei bis vier Milliarden Franken investiert werden, schätzen die VBZ. Die Kosten für einen Seetunnel sind darin nicht inbegriffen. Ein solcher scheint in der Vision eine eher tiefere Priorität zu haben.

Neben der Frage der Finanzierung dürften solche Infrastrukturprojekte erfahrungsgemäss auch auf grossen Widerstand aus der Bevölkerung stossen, zumal wenn Bauarbeiten in so dicht besiedelten Gebieten wie dem Sihlfeld stattfinden sollen. Hinzu kommt: Gerade in Zürich gibt es eine gewisse Skepsis gegenüber einer unterirdischen Führung des öffentlichen Verkehr. «Zu einem attraktiven, belebten Raum gehören aus meiner Sicht sowohl der Fuss- und Veloverkehr als auch der ÖV unbedingt an die Oberfläche», sagt etwa Simone Rangosch, die Direktorin des Tiefbauamts, in einem Gespräch anlässlich der Präsentation des Zukunftsbilds. Ein attraktiver Zugang zum ÖV sei sehr wichtig, «also die Erreichbarkeit der Haltestelle und ob man sich dort wohl fühlt». Die subjektive Sicherheit werde bei unterirdischen Lösungen als tiefer wahrgenommen. Unterirdische Streckenführungen könnten punktuell durchaus sinnvoll sein, seien aber «als Gesamtes nicht die Lösung der Zukunft». Auch seien die Investitions- und Unterhaltskosten sehr hoch. Damit sendet selbst eine Vertreterin der Stadt nicht gerade ein starkes Signal in Richtung der Tunnelpläne aus.

Eine offene Frage ist zudem, weshalb die S-Bahn nicht in diese Überlegungen einbezogen wurde. Die VBZ haben bei der Präsentation des Zukunftsbilds betont, dass die Planungen zum Zukunftsbild grösstenteils unabhängig von der S-Bahn geschehen sind. Dabei könnte diese gerade auf dem Abschnitt Altstetten-Oerlikon eine wichtige Rolle spielen. Schon heute verkehren viermal pro Stunde S-Bahnen umsteigefrei auf dieser Verbindung über den Zürcher Hauptbahnhof, die Fahrzeit beträgt im besten Fall 9 Minuten. Allerdings ist der heutige 5-25-Minuten-Takt wenig attraktiv. Früher fuhr der «Flugzug»-Interregio einmal pro Stunde direkt von Altstetten nach Oerlikon ohne Umweg über den Hauptbahnhof und umgekehrt. Die Fahrzeit betrug 6 bis 7 Minuten. Ob eine Wiedereinführung solcher direkter Verbindungen mit der S-Bahn möglich wäre und welche Ausbauten das nötig machen würde, wurde nicht abgeklärt. Auch die S-Bahn-Linien der SZU und allfällige Verlängerungen oder Verknüpfungen finden keinen Eingang im Zukunftsbild.

Eine weitere offene Frage ist zudem die Frage nach der Führung des inneren Rings auf dem Abschnitt Milchbuck – Bucheggplatz – Albisriederplatz. Diese Strecke führt über die Rosengartenstrasse und die Hardbrücke. Anfang 2020 ist allerdings das Projekt eines Strassentunnels und Trams am Rosengarten von der Bevölkerung des Kanton Zürich in einer Abstimmung deutlich versenkt worden. Seither hat der Kanton keinerlei Pläne für die weitere Entwicklung auf dieser Achse aufgezeigt und sieht die Stadt in der Pflicht. «Der Kanton wurde seit der Volksabstimmung vom 9. Februar 2020 weder auf politischer noch auf fachlicher Ebene von der Stadt Zürich bezüglich des weiteren Vorgehens auf der Rosengartenachse kontaktiert», sagte die zuständige Regierungsrätin Carmen Walker Späh (FDP) im Frühling dieses Jahres im Kantonsrat. Vorstösse, die der Gemeinderat der Stadt Zürich zuhanden der Stadtregierung überwiesen hat, wollen die Rosengartenstrasse vom Verkehr entlasten und anwohnerfreundlich umbauen, etwa mit Tempo 30. Inwiefern sich das mit den Plänen einer leistungsfähigen und schnellen ÖV-Achse verträgt, muss offen bleiben. Sowieso ist die Situation verfahren, wie auch ein Blick ins Protokoll des Kantonsrats vom 15. März zeigt. Dass am Rosengarten in den nächsten Jahren substanziell etwas geschieht, scheint zurzeit wenig realistisch. Wie es dort weitergeht, wird aber für die Zukunftsvision der VBZ von entscheidender Bedeutung sein.

Die Schnellverbindungen

Die Idee:
Expresstrams sollen die Reisezeiten verkürzen. Konkret nennt das Zukunftsbild die Achse Milchbuck – Rigiplatz – Universitätsspital/ETH – Bellevue, auf der die Trams beschleunigt werden sollen. Auch ein dichterer Takt könnte dort angeboten werden, etwa mit einer zusätzlichen Linie. Die VBZ wollen aber auch die Haltestellenabstände prüfen, was zur Aufhebung von Stationen und damit einer Verkürzung der Reisezeiten führen könnte.

Ein ähnliches System wird heute schon zwischen dem Bahnhof Stadelhofen und dem Stadtrand bei der Station Rehalp umgesetzt. Dort verkehren die S18 der Forchbahn, die nur an wenigen Stationen hält, und das Tram 11. Damit das aufgeht, muss das Tram 11 jeweils kurz hinter der S18 losfahren, damit die nächste S18 nicht aufläuft. Verspätungen mag es darum kaum leiden.

Die Vorteile:
Den Passagieren stehen mit diesem Modell schnellere Verbindungen zur Verfügung. Der Effekt ist dabei gleich doppelt: Einerseits sind diese Express-Verbindungen tatsächlich schneller, andererseits werden diese Verbindungen mit weniger Stopps auch rein psychologisch als schneller wahrgenommen. Hinzu kommt, dass damit mehr Kapazität angeboten werden kann.

Die offenen Fragen:
Ein System mit Expresstrams funktioniert nur mit genau aufeinander abgestimmten Fahrplänen. Dass dies funktioniert und gleichzeitig eine weitere Tramlinie angeboten werden kann, scheint fraglich. Hinzu kommt: Haltestellen aufzuheben, um die Reisezeiten zu erhöhen, tönt logisch und macht insbesondere auf Achsen wie der genannten mit vielen Haltestellen Sinn. Doch der Widerstand der Passagiere, die ihre Haltestelle verlieren, ist trotzdem nicht zu unterschätzen. Für Menschen, die an Stationen wohnen, die nicht vom Expresstram bedient werden, kann das System zudem eine Verschlechterung bedeuten – wenn etwa gleich viele Trams fahren, aber nur noch jedes zweite die eigene Haltestelle bedient, stehen einigen Passagieren faktisch weniger Reisemöglichkeiten zur Verfügung.

Mobilitätshubs und Digitalisierung

Die Idee:
An Mobilitätshubs soll die Verknüpfung mit der S-Bahn gestärkt werden – aber nicht nur. Auch der Umstieg auf Regionalbuslinien oder die Limmattal- oder Glattalbahn soll dort reibungslos funktionieren. Ausserdem wollen die VBZ an diesen Hubs Zugang zu Angeboten wie Leihvelos, E-Bikes, E-Scootern und Carsharing bieten.

Mit der Digitalisierung sollen zudem neue Angebote kommen wie etwa automatisierte Quartierbuslinien oder On-Demand-Angebote zur Feinerschliessung in Randzeiten und Randgebieten. Solche Angebote sollen etwa über Apps gebucht werden können.

Die Vorteile:
Wenn an Mobilitätshubs mehr Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, kann die multimodale Mobilität gefördert werden. Die Verkehrsmittel können so passender eingesetzt werden. Zudem kann mit On-Demand-Angeboten einem Angebotsabbau insbesondere in Randzeiten und Randgebieten vorgebeugt werden.

Offene Fragen:
Insbesondere die Akzeptanz von On-Demand-Angeboten ist offen – erste Erfahrungen im Kanton Zürich sind bisher nicht vielversprechend. Entscheidend wird sein, wie einfach zugänglich und flexibel diese Angebote sind. Für Mobilitätshubs wiederum dürfte der zur Verfügung stehende Platz häufig ein limitierender Faktor sein – gerade Carsharing-Angebote, die auf Parkplätze angewiesen sind, bedürfen einer vergleichsweise grossen Fläche. Ob diese überall zur Verfügung steht, ist offen.

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