In 6 Stunden von Basel nach Amsterdam: So profitiert die Schweiz vom TEE-Comeback

Der Trans Europ Express soll wieder fahren. Bild: Der frühere RAe 1053 TEE II Gottardo / SBB

Unter dem Titel «TEE 2.0» will Deutschland neue Tagesverbindungen quer durch Europa lancieren. Schon 2025 soll ein erster Zug von Rom nach Amsterdam fahren. Doch wird es wirklich dazu kommen – und was wären die Folgen für die Schweiz?

von Stefan Ehrbar
19. April 2021

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte in den letzten Monaten wenige erfreuliche Auftritte – Stichwort Mautskandal. Die Präsentation des Konzepts TEE 2.0 im September 2020 bedeutete hingegen für einmal eine gute Nachricht. Der legendäre Schnellzug Trans Europ Express quer durch Europa soll wiederbelebt werden. Schon in einem ersten Schritt soll die Schweiz davon profitieren.

Eine TEE-Verbindung soll von Amsterdam über Köln, Basel, Aarau, Arth-Goldau, Bellinzona und Lugano nach Mailand und Rom führen. Die Reisezeit von Basel nach Amsterdam würde damit auf unter sieben Stunden fallen, jene nach Rom auf genau sieben Stunden – und zwar ohne Umsteigen.

Das Konzept wurde unter anderem von der Schweizer Beratungsfirma SMA im Auftrag des deutschen Verkehrsministeriums erarbeitet. Der Fahrplan der TEE-Route von Amsterdam nach Rom sähe in einem ersten Schritt wie folgt aus:

Ortab/an
Amsterdam8.15 Uhr
Köln Messe/Deutz10.45 Uhr
Frankfurt Flughafen11.45 Uhr
Karlsruhe13.00 Uhr
Basel Bad Bf15.00 Uhr
Aarau15.30 Uhr
Arth-Goldau16.15 Uhr
Bellinzona17.15 Uhr
Lugano17.30 Uhr
Mailand Lambrate18.45 Uhr
Bologna19.45 Uhr
Florenz Campo di Marte20.30 Uhr
Rom22.00 Uhr
Quelle: BMVI

Schon 2025 könnte diese Verbindung in Betrieb gehen, wenn es nach den Plänen des deutschen Ministeriums geht. Ebenfalls bereits in einer ersten Phase auf dieses Datum umgesetzt werden könnten folgende TEE-Linien:

  • Paris-Brüssel-Köln-Berlin-Warschau
  • Berlin-Frankfurt-Lyon-Montpellier-Barcelona
  • Amsterdam-Brüssel-Paris-Lyon-Barcelona

In einer späteren Phase sollen vier weitere TEE-Verbindungen hinzukommen, nämlich:

  • Berlin-München-Innsbruck-Bologna-Rom
  • Paris-Strasbourg-Stuttgart-München-Wien-Budapest
  • Paris-Brüssel-Hamburg-Kopenhagen-Stockholm
  • Stockholm-Kopenhagen-Berlin-München

Für die Umsetzung der zweiten Etappe ist die Realisierung von Infrastrukturprojekten nötig. Dazu gehören Stuttgart 21 (voraussichtliche Inbetriebnahme 2025), der Brenner-Basistunnel (voraussichtliche Inbetriebnahme 2028) und der Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland. Kürzlich begannen dort die Arbeiten, 2029 soll die neue Verbindung in Betrieb gehen. Damit wären die Verbindungen in Richtung Dänemark und Schweden realisierbar.

Ebenfalls zu einem spätere Zeitpunkt soll der TEE Amsterdam-Rom beschleunigt werden. Dafür braucht es Infrastrukturmassnahmen in Deutschland etwa auf der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel. Mit diesen Massnahmen soll die Fahrzeit auf der Strecke Amsterdam-Basel noch einmal gesenkt werden, und zwar auf genau sechs Stunden. In diesem Zielkonzept wäre die Abfahrt in Amsterdam um 8.30 Uhr, die Ankunft in Basel Badischer Bahnhof um 14.30 Uhr.

Geplant ist auf allen TEE-Strecken je eine Verbindung täglich pro Richtung. Das Konzept wurde nach seiner Vorstellung kritisch diskutiert. Auch seine Machbarkeit wurde in Frage gestellt. Es stellen sich Fragen, etwa:

  • Wem nützt eine tägliche Verbindung pro Tag etwas? Welche Zielgruppe wird damit angesprochen?
  • Gibt es genügend Menschen, die auf einer so langen Strecke wie Amsterdam-Rom oder Paris-Stockholm den Zug nehmen? Schliesslich sieht die Bahn ihr Potenzial bisher vor allem auf Strecken mit bis zu vier Stunden Fahrzeit, bei einem attraktiven Angebot auch auf Strecken mit bis zu sechs Stunden Fahrzeit. Geht es länger, wählen die meisten Passagiere das Flugzeug.
  • Damit stellt sich die Frage, ob die geplanten TEE-Verbindungen nicht viel zu lang sind. Denn solche «Monsterverbindungen» sind störungs- und verspätungsanfällig. Wäre es nicht sinnvoller, auf kürzeren Strecken das Angebot auszubauen – mit mehreren täglichen Verbindungen, die zuverlässig fahren, und guten Umsteigemöglichkeiten?
  • Gibt es genügend Rollmaterial, das in allen Ländern zugelassen ist und auch zuverlässig funktioniert?

An einer virtuellen Medienkonferenz Ende 2020 nahm auch der Direktor des Bundesamt für Verkehr, Peter Füglistaler, diese Bedenken auf. Er sagte, aus Schweizer Sicht mache ein dichtes Netz durch ganz Europa mehr Sinn als eine Fokussierung auf einige wenige «Paradestrecken». Passend dazu schlug er vor, die beschleunigte Verbindung von Zürich nach München als erste unter dem neu erweckten Namen Trans Europ Express zu führen (Mobimag berichtete). Diese passt besser in die Vorstellung von Füglistaler eines neuen TEE-Konzept als die Ideen von Scheuer. Es handelt sich um eine mit vier respektive künftig dreieinhalb Stunden Fahrzeit deutlich kürzere Verbindung, die aber sechs- bis siebenmal täglich verkehrt und gute Anschlüsse bietet.

Auch stellt sich die Frage, was der angedachte TEE von Amsterdam nach Rom der Schweiz bringen würde. Dass er in Basel den Badischen Bahnhof anfährt statt den Bahnhof Basel SBB, ist für Basler zwar verkraftbar, schliesslich liegt dieser ebenso zentral. Doch für Reisende aus dem Umkreis bedeutet das meist bereits ein weiteres Mal Umsteigen. Das Gleiche gilt für Passagiere aus Zürich und Bern, die in Aarau oder Arth Goldau einsteigen müssten. Schliesslich soll der TEE in Aarau halten. Das macht zwar Sinn, weil wohl nur so die Trassen überhaupt erhältlich sind und die ambitionierten Fahrzeiten machbar sind. Doch eine Attraktivitätssteigerung bedeutet das nicht.

Hinzu kommt: In Aarau würde der Zug in Richtung Rom mitten am Nachmittag fahren, in Gegenrichtung Richtung Amsterdam ebenso. Für Geschäftsreisende, die auf gute Verbindungen morgens und abends angewiesen sind, stellt der TEE damit keine gute Wahl dar.

Auch organisatorisch stellen sich einige Fragen. Geht es nach dem deutschen Verkehrsministerium, soll eine neue Gesellschaft gegründet werden, an der sich nationale Bahngesellschaften wie die Deutsche Bahn, die ÖBB oder die SBB beteiligen.

Davon hält die SBB-Spitze allerdings wenig. CEO Vincent Ducrot ist überzeugt, dass es keine eigene Gesellschaft braucht. Schon das Nachtnetz der ÖBB kommt ohne formale Beteiligung der anderen Staatsbahnen an der Betreibergesellschaft aus. Stattdessen arbeiten die Bahnen im Betrieb und Vertrieb auf Basis von Verträgen zusammen. Ein solches Modell schwebt auch der SBB für den TEE 2.0 vor – und die besitzt immerhin die Markenrechte am Trans Europ Express.

Beim deutschen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist der Optimismus ungebrochen. «Da für die Linie Amsterdam-Frankfurt-Basel-Rom keine Infrastrukturausbauten erforderlich sind, ist eine Umsetzung bis 2025 möglich», schreibt ein Sprecher auf Anfrage von Mobimag. «Derzeit bereiten die europäischen Staaten eine Absichtserklärung zur Umsetzung des Projekts TEE 2.0 vor. Nach Abschluss dieser Vereinbarung beginnen die multilateralen Gespräche zu den einzelnen Linien zwischen den beteiligten Staaten und Infrastrukturbetreibern sowie interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen.»

Modalitäten wie die Gründung einer Gesellschaft oder die Wahl des Rollmaterials seien im Zug dieser Gespräche zu klären, so der Sprecher. «Die Entscheidung über eine Aufnahme der Verbindung Amsterdam – Rom liegt bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen.»



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