AVA-Chef Severin Rangosch: «Mobility as a Service bringt in der Schweiz keinen Zusatznutzen»

AVA-CEO Severin Rangosch. Bild: zvg


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Severin Rangosch ist CEO der Aargau Verkehr AG (AVA), die ab Dezember 2022 die Limmattalbahn zwischen Zürich und Killwangen betreiben wird. Im Interview verrät er, wie das Design der LTB angepasst wird, warum er keine E-Scooter anbieten will und wie er sich die künftige Zusammenarbeit mit den VBZ vorstellt.


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von Stefan Ehrbar
6. Oktober 2021

Herr Rangosch, die AVA betreibt ab Dezember 2022 die Limmattalbahn (LTB) von Killwangen nach Zürich und hat sich in der Ausschreibung gegen die VBZ und die SZU durchgesetzt. Was können Sie besser?
Eines ist klar: alle drei Bewerber verstehen ihr Handwerk. Unser solides Betriebskonzept hat aber mehr überzeugt als jene unserer Mitbewerber. Das freut uns natürlich.

Erste Design-Entwürfe der Limmattalbahn provozierten Kritik, weil sie »zu aargauisch» daherkommen. Haben Sie daraufhin etwas geändert am Design oder wird es dabei bleiben?
Das Fahrzeug-Design wurde vom Zürcher Verkehrsverbund und vom Zürcher Verkehrsrat verabschiedet und bleibt auch so. Wir werden aber die Grösse und Anzahl der AVA-Logos anpassen, das war jeweils der Hauptkritikpunkt.

Hat sie diese Kritik überrascht?


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Nein, ich habe mit Reaktionen aufgrund unseres Firmennamens gerechnet. Und in Designfragen trifft man auf die unterschiedlichsten Geschmäcker.

Diskutiert wird eine Verlängerung der LTB nach Baden. Wie stehen sie dazu?
Eine Verlängerung fände ich sinnvoll, da Baden zum Verkehrsraum Limmattal gehört. Es braucht in der Verkehrsplanung oft ein langfristiger Ausblick und das Limmattal wird weiterwachsen, da spielen Kantonsgrenzen keine Rolle.

Für den Betrieb haben sie Tramlink bei Stadler bestellt. Zuletzt kam es wegen der Coronakrise bei anderen Aufträgen zu Lieferverzögerungen. Erhält die AVA ihre Fahrzeuge rechtzeitig?
Auch bei der Produktion unserer Fahrzeuge kam es zu Lieferengpässen seitens der Zulieferer. Die Produktion ist dennoch im Zeitplan und wir erwarten – Stand heute – eine pünktliche Ablieferung.


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Zunächst ist ein 15-Minuten-Takt vorgesehen. Bleibt es dabei – oder wird es einen weniger dichten Takt geben, weil wegen der Coronakrise nach wie vor Passagiere fehlen und die finanzielle Situation kritisch ist?
Der 15-Minuten-Takt wird beibehalten, ein 30-Minuten-Takt macht für die Limmattal Bahn auch keinen Sinn. Langfristig ist eine Takt-Verdichtung zum 7,5-Minuten-Takt das Ziel. Aargau Verkehr ist trotz der schwierigen Situation finanziell gut aufgestellt und plant keine Angebotsreduktionen, weder bei der künftigen Limmattal Bahn noch bei den bestehenden Linien.

Wie viele Mitarbeiter stellen sie ein, um die LTB betreiben zu können?


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Bis zur Inbetriebnahme im Dezember 2022 werden wir ca. 40 neue Mitarbeitende eingestellt haben. Beim Grossteil, um die 30 Mitarbeitende, handelt es sich dabei um das Fahrpersonal der Tramlink-Flotte. Diese beginnen ab Frühling 2022  mit ihren Ausbildungen.

Einen grossen Teil ihrer Buslinien betreiben sie im Auftrag der VBZ respektive auf Linien, für welche die VBZ die Konzession innehaben. Wird das so bleiben? Wie langfristig ist diese Zusammenarbeit?
Das wird so bleiben, mittelfristig auf jeden Fall. Generell streben wir eine langfristige Zusammenarbeit mit den VBZ an.

Wäre es auch denkbar, dass sich die AVA um diese Konzessionen bemüht?
Nur sofern es dem Wunsch unserer Besteller, der Kantone, entspricht.

Wegen der Coronakrise sind ihre Passagierzahlen von 23 Millionen auf knapp 18 Millionen im Jahr 2020 zurückgegangen. Mit welchen Werten rechnen Sie im laufenden Jahr?
Der Halbjahresvergleich 2021/2020 stimmt uns positiv. Wir gehen aber dennoch davon aus, dass die Werte im laufenden Jahr rund 20% tiefer liegen als im Jahr 2019.

Wann wird der Vorkrisenwert wieder erreicht sein?
Auch wenn die momentanen Zahlen optimistisch stimmen, erreichen wir vermutlich erst 2024 wieder ein Niveau wie vor der Corona-Pandemie.


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Welche ihrer Bereiche (BDB, WSB, Limmat Bus etc.) haben am stärksten unter der Krise gelitten – und warum?
Primär jene Linien, welche viele pendelnde Fahrgäste befördern, die aufgrund der Etablierung des Home-Office wegblieben. Mit rund 30% weniger Fahrgästen waren unsere Expressbus-Linien von Bremgarten bzw. Oberrohrdorf nach Zürich Enge am stärksten davon betroffen.

Der Bund prüft, wie der Anteil des ÖV bis 2050 verdoppelt werden könnte. Ist das ein realistisches Ziel? Was müsste dafür getan werden?
Das Ziel ist ambitioniert. Die Anzahl Parkplätze in den Zentren müsste reduziert werden.

Wie möchte die AVA in ihrem Gebiet den Anteil des ÖV erhöhen? Welche Ausbauten planen sie in den nächsten Jahren?
In erster Linie wollen wir unsere bisherigen Fahrgäste zurückgewinnen. Die Inbetriebnahme der Limmattal Bahn wird daneben der grösste Wachstumsfaktor werden.

Der Freizeitverkehr gilt noch als Schwachstelle des ÖV. Wie könnte sich das ändern?
Wenn man es schafft, die Hauptverkehrsspitzen morgens und abends zu entlasten und auf die Zeiten dazwischen zu verteilen, gewinnt auch der Freizeitverkehr. Erreichen kann man das durch flexible Arbeitszeiten, die generelle Akzeptanz dazu ist gewachsen. Aargau Verkehr befördert heute und wohl auch in Zukunft überwiegend berufstätige, pendelnde Fahrgäste.

Sind Sie zufrieden mit dem aktuellen Sortiment des ÖV oder bräuchte es zusätzliche Angebote für Menschen im Homeoffice u.ä., wie sie nun zunächst getestet werden?


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Die zusätzlichen Sortiments-Angebote sollen das Vertrauen in den öffentlichen Verkehr wiederherstellen und die Fahrgäste zurückbringen. Wenn das gelingt, bin ich zufrieden.

Wäre es für die AVA denkbar, künftig auch in Bereiche wie Mobility as a Service (mit Apps) oder eigene E-Bikes/E-Trottinette zu investieren?
Nein. Unser Auftrag ist der Bahn- und Busbetrieb. Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist derart feinmaschig, dass Mobility as a Service keinen Zusatznutzen bringt.

Die VBZ bauen unter dem Namen «ZüriMobil» Mobilitätshubs mit Elektroautos, E-Scooter und E-Bikes. Planen sie Ähnliches?
Der öffentliche Verkehr spart zusammen mit Fussgängern am meisten Platz. Wir planen nichts in diese Richtung. Der Platzmangel ist unser Hauptproblem.

Die AVA gibt es in dieser Form erst seit gut drei Jahren. Was hat sich durch die Fusion verbessert – und wo müssen sie noch nachbessern?
Durch die Fusion sind wir gemeinsam leistungsfähiger geworden und konnten viele Synergien nutzen und Kräfte zusammenbringen. Eine Fusion ist aber eine Herausforderung. Da geht es nicht nur um die Reorganisation, sondern auch um unterschiedliche Unternehmenskulturen. Unsere gemeinsame Unternehmenskultur entwickelt sich gut, wir investieren weiter in sie.


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