Auf immer mehr Strassen kann nicht geblitzt werden – es gibt eine Lösung, aber erst an einem Ort 🆓

Solche Anlagen haben ein Problem. Bild: Astra

Auf immer mehr Autobahnabschnitten installiert der Bund Anlagen, die flexible Tempolimiten anzeigen können. So will er Stau verhindern. Nur: Herkömmliche Radargeräte kommen mit dem System nicht zurecht. Wer dort zu schnell fährt, tut das ungestraft. Nun hat der Bund eine Lösung gefunden, doch die ist erst auf wenigen Abschnitten im Einsatz.

von Stefan Ehrbar
3. Mai 2021

«Geschwindigkeitsharmonisierung mit Gefahrenwarnung» nennen sich die Anlagen, mit denen auf Autobahnen flexibel unterschiedliche Tempolimiten angezeigt werden können. Wenn ein Abschnitt überlastet ist – was die Ursache von fast 90 Prozent aller Staus auf den Autobahnen ist – kann die Höchstgeschwindigkeit auf dem betreffenden Abschnitt per Knopfdruck gesenkt werden, etwa auf 100 oder 80 Kilometer pro Stunde.

Bei dieser Geschwindigkeit verfügen Autobahnen über die höchste Kapazität, weil dann einerseits die Fahrzeuge in einem dichteren Abstand aufeinander fahren können und andererseits weniger Überhol- und Abbremsmanöver stattfinden, die häufig Ursache eines Staus sind. 

Auf dem dicht befahrenen Schweizer Autobahnnetz macht es also Sinn, solche Anlagen aufzustellen. In diesen Tagen nimmt das Bundesamt für Strassen (Astra) auf 29 Kilometern der A3 zwischen Zürich und Pfäffikon SZ eine neue solche Anlage in Betrieb. Auch die A51 zwischen Zürich Nord und Zürich Flughafen wird damit ausgerüstet. In den Jahren zuvor wurden solche Anlagen grossflächig aufgebaut – etwa auf der A1 im Mittelland oder der A14 zwischen Luzern und Zug. Der Ausbau soll im Rahmen einer «Roadmap» weitergehen. Diese hat sich das Astra gegeben, um in den nächsten vier Jahren den Verkehrsfluss auf den Autobahnen flüssiger zu gestalten.

In welchem Abstand die dynamischen Tempoanzeigen stehen, bei welchem Verkehrszustand sie auf welches Tempo schalten und wie sie grafisch daherkommen, hat das Astra in einem 28-seitigen Dokument geregelt. Ein Punkt allerdings blieb bisher ungelöst: Die Kontrolle der Einhaltung der Geschwindigkeiten.

Denn die konventionellen Radargeräte, die auf den Autobahnen stehen, sind auf die Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometer pro Stunde eingestellt. Das lässt sich nicht flexibel ändern. Wenn nun die Anlage eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde anzeigt, dann blüht Autofahrern, die mit 120 km/h durchfahren, nichts – wenn sie denn nicht in eine mobile Kontrolle geraten.

Die Funktionsweise einer solchen Anlage erklärt das Astra in einem Video:

Selbst bei den neu erbauten Anlagen bleibt das Problem bestehen. Ein Sprecher der Kantonspolizei Zürich bestätigt gegenüber Mobimag, dass sie auf ihrem ganzen Gebiet über keine Anlage zur Kontrolle der Geschwindigkeit verfügt, die mit dynamischen Tempolimits zurechtkommt. Mit anderen Worten: Auf grossen Teilen der Autobahnen herrschen zu Stosszeiten Geschwindigkeitsbeschränkungen, die nicht kontrolliert werden können.

Astra-Sprecher Thomas Rohrbach sagt: «In der Tat ist der Aufwand für Kontrollen auf solchen Abschnitten hoch.» Möglich seien etwa Nachfahrmessungen durch die Polizei – «aber das dürfte die absolute Ausnahme darstellen»

Das wissen auch viele Autofahrer, die ihre Geschwindigkeit deshalb nicht anpassen. Doch lange funktioniert das nicht mehr. 

Auf der A6 Süd zwischen Thun und Bern steht seit kurzem eine Anlage, die mit der dynamischen Anzeige zurechtkommt. Das Astra begründet ihren Einbau in einer Mitteilung so: «Die Erfahrung zeigt, dass die signalisierten Geschwindigkeiten nicht von allen gleichermassen eingehalten werden. Dies vereitelt eine optimale Wirkung des Systems und kann die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.»

Das neue System sei «technisch sehr komplex» und müsse höchsten Ansprüchen genügen. «Dem einwandfreien und verlässlichen Funktionieren wurde in allen Projektphasen oberste Priorität beigemessen. Vor der Inbetriebnahme durchlief es beim Bundesamt für Metrologie ein umfangreiches Prüf- und Zulassungsverfahren.»

Das Astra bewilligt auf Antrag der jeweiligen Kantonspolizei fixe Standorte für Messanlagen und bezahlt diese auch. Die Bussgelder fliessen allerdings in die Kantonskasse. Im Kanton Bern dürfte der Rubel dank der neuen Anlage künftig etwas kräftiger rollen. Doch wie funktioniert sie?

Ein Sprecher der Kantonspolizei Bern beschreibt das Funktionsprinzip der wie folgt: «Auf den gesamten Abschnitt verteilt befinden sich mehrere vorbereitete Messstellen, die alternierend mit einem Radargerät bestückt werden können. Dieses speziell für die Anlage entwickelte Radargerät stellt sich automatisch auf die geltende Höchstgeschwindigkeit ein. Die Informationen hierfür werden vom System über eine optische Erkennung der tatsächlich angezeigten Höchstgeschwindigkeit an das Gerät übermittelt. Diese optische Erkennung erfolgt über Kameras, sodass Wechsel oder Fehler auf der für die Verkehrsteilnehmenden ersichtlichen Anzeige automatisch zur entsprechenden Anpassung der Einstellungen im Gerät führen.»

Noch sind solche Geräte erst auf dem erwähnten Abschnitt im Einsatz. Wann sie auch anderswo in der Schweiz installiert werden, gibt das Astra nicht bekannt – allzu lange dürfte es kaum dauern. Autofahrer müssen übrigens nicht befürchten, dass die Geschwindigkeit erst wechselt, wenn sie schon bei der Anzeige durchgefahren sind und dass sie dann geblitzt werden. Das System stelle sicher, dass Autofahrende die massgebliche Höchstgeschwindigkeit zwei Mal sehen, bevor eine allfällige Übertretung geahndet würde, so das Astra.

Bald dürfte also vorbei sein mit ungestraftem Bolzen in der 80er-Zone – ausser natürlich im Kanton Aargau. Dort gilt laut einem Sprecher der dortigen Kantonspolizei noch immer, was den Kanton in Verkehrsfragen so einzigartig macht: Auf den Autobahnen im ganzen Kanton gibt es keine fest installierten Radaranlagen.



Ihnen gefällt Mobimag?

Für nur 1.50 Franken erhalten Sie sofort werbefreien Zugriff auf das gesamte Angebot. Sie bleiben auf dieser Seite.



Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren